Bislang kamen die meisten Studienergebnisse zur Wohnversorgung aus Nordamerika und betrafen Obdachlose. Das bislang in diesem Kontext am meisten beschriebene und untersuchte Modell «Housing First» hat sich in multizentrischen Studien als vorteilhaft für die Wohnstabilität, die soziale Integration und die Lebensqualität der Betroffenen erwiesen. Sowohl in Westeuropa als auch für nicht-obdachlose Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen existierten bis vor Kurzem kaum grössere Untersuchungen zu überzeugenden Konzepten der Wohnrehabilitation.
In Deutschland und der Schweiz wurden in den letzten Jahren an verschiedenen Orten Versorgungsformen nach dem Paradigma «First place, then train» (Unabhängiges Wohnen mit flexibler Unterstützung, Wohn-Coaching, intensiv ambulant betreutes Wohnen) eingeführt. Diese Komplexinterventionen wurden nun seit 2018 in eng aufeinander abgestimmten Forschungsprojekten mit vergleichbaren Instrumenten und unterschiedlichen Studiendesigns in Westfalen, Bielefeld, Mecklenburg, Südwürttemberg, Bern und Zürich evaluiert. In diesem Symposium werden die Versorgungsangebote, die Studiendesigns und Ergebnisse der Baseline- und ersten Follow-up-Erhebung präsentiert.
Die Bedeutung der Ergebnisse für die Wohnversorgung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen vor dem Hintergrund der Paradigmen Teilhabe und Inklusion, die methodischen Herausforderungen und die zukünftigen Entwicklungen dieses Versorgungs- und Forschungsbereichs werden im Rahmen der Beiträge diskutiert.
11:30 Uhr
Internationale Forschungsergebnisse und Trends in der Versorgung
Dirk Richter, Bern (Switzerland)
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Dirk Richter, Bern (Switzerland)
Die Forschung über Wohnen für Menschen mit psychischen Erkrankungen hat in den letzten Jahren erheblichen Aufschwung erhalten, nachdem dieses Thema jahrzehntelang vernachlässigt wurde. Sowohl im Zusammenhang mit der Obdachlosigkeits-Thematik als auch bei Menschen, die nicht in Obdachlosigkeit leben, sind zahlreiche Interventionsstudien durchgeführt worden, die mittlerweile einen klaren Forschungsstand ergeben haben. Zusätzlich gibt es einen eindeutigen Forschungsstand bezüglich der Wohnpräferenzen von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Der Beitrag berichtet über die verschiedenen Studien und diskutiert sie vor dem Hintergrund der Datenlage. Bei Menschen, die nicht in Obdachlosigkeit leben, sind keine grossen Unterschiede in den Auswirkungen verschiedener Wohnsettings wie Heime oder die Privatwohnung gefunden worden. Gleichwohl besteht eine klare Präferenz zugunsten des Wohnens in der eigenen Wohnung. Es wird geschlussfolgert, dass in erster Linie die Präferenzen der Nutzenden die Wohnform bestimmen sollen.
11:40 Uhr
Was wirkt beim unterstützten Wohnen? Ergebnisse aus Baden-Württemberg
Susanne Jaeger, Ravensburg (Germany)
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Susanne Jaeger, Ravensburg (Germany)
Fragestellung: Hintergrund der vorgestellten Studie war die Frage, welche längerfristigen Wirkungen unterstütztes Wohnen auf seine Nutzerinnen und Nutzer hat und welche Aspekte und Maßnahmen ihre Teilhabe und Selbstbestimmung fördern.
Methoden: Diesen Fragen wurde mit einer Kohortenstudie und mit Hilfe von Leitfaden-Interviews nachgegangen. An der Follow-Up Untersuchung über 18 Monate nahmen 102 Personen teil. Sie waren entweder neu ins unterstützte Wohnen gekommen sind oder es hatte sich die Intensität der Unterstützung verändert. Zum Einsatz kamen bewährte, teilweise standardisierte Instrumente zur Erfassung von u.a. Sozialer Funktionsfähigkeit, subjektiver Lebensqualität, Verwirklichungschancen und Symptomen. Bei den Interviews zur Frage nach wirksamen Aspekten kamen drei Perspektiven zum Tragen: Mitarbeitende bei Leistungserbringern und Leistungsträgern sowie Klientinnen und Klienten des unterstützten Wohnens. Die insgesamt 70 Gespräche wurden in Form einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: Die Kohorte profitierte über die Zeit in verschiedener Hinsicht von der Unterstützung, vor allem in Bezug auf existenzielle Absicherung, soziale Beziehungen und Symptome. Aus den Interviews ging hervor, dass Personenzentrierung sowohl in der konkreten Arbeit mit Betroffenen als auch bereits in der Planung und Gestaltung von Unterstützungsangeboten eine wesentliche Rolle spielt. Für die Umsetzung werden jedoch auch förderliche rechtliche, finanzielle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Kontexte benötigt.
11:50 Uhr
Wie kann Wohn-Coaching evaluiert werden? Ergebnisse RCT und Beobachtungsstudiendesign in Zürich und Bern
Matthias Jäger, Liestal (Switzerland)
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Autor:in:
Matthias Jäger, Liestal (Switzerland)
Bislang kamen die meisten Studienergebnisse zur Wohnversorgung aus Nordamerika und betrafen Obdachlose. Das bislang in diesem Kontext am meisten beschriebene und untersuchte Modell «Housing First» hat sich in multizentrischen Studien als vorteilhaft für die Wohnstabilität, die soziale Integration und die Lebensqualität der Betroffenen erwiesen. Sowohl in Westeuropa als auch für nicht-obdachlose Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen existierten bis vor Kurzem kaum grössere Untersuchungen, insbesondere keine randomisiert kontrollierten Studiendesigns (RCT) zu überzeugenden Konzepten der Wohnrehabilitation.
In Deutschland und der Schweiz wurden in den letzten Jahren an verschiedenen Orten Versorgungsformen nach dem Paradigma «First place, then train» eingeführt. Unter dem Namen Wohn-Coaching haben sich seit 2012 bzw. 2017 in Bern und Zürich solche Komplexinterventionen etabliert. Sie werden seit 2019 in Bern als Beobachtungsstudie, in Zürich als RCT mit analoger Methodik evaluiert. Die beiden klinischen Angebote und die ersten Ergebnisse der Evaluation werden im Rahmen des Beitrags vorgestellt.
12:00 Uhr
Wie weiter in der Wohnforschung? Ergebnisse aus Westfalen und Mecklenburg
Ingmar Steinhart, Greifswald (Germany)
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Ingmar Steinhart, Greifswald (Germany)
Aus zwei Stichproben von Wohnforschungsprojekten in Mecklenburg-Vorpommern und Westfalen werden zunächst die Menschen beschrieben, die Leistungen des Ambulant Betreuten Wohnens in Anspruch nehmen und die Ergebnisse des einjährigen Unterstützungsverlaufs dargestellt. Es zeigt sich, dass sowohl der Wirksamkeit der Unterstützungsform und gleichzeitig ungedeckte Hilfebedarfe auf diese Weise aufgezeigt werden können. Solche Daten könnten zur Qualitätssicherung und gleichzeitig zur Organisationsentwicklung eines Gemeindespsychiatrischen Verbundsystems genutzt werden.
Als nächster Schritt gilt es den Transfer der Wohnforschungsprojekte in den Alltag der Eingliederungshilfe zu planen.