Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben komplexe Hilfebedarfe. Aufgrund der segmentierten und zergliederten sozialrechtlichen Strukturen in Deutschland kann dem kaum individuell und bedarfsangepasst begegnet werden. Das an Mindeststandards für die psychiatrische Versorgung orientierte Basismodell von Steinhart und Wienberg (2016) zeigt innovative Perspektiven für die Organisationsentwicklung regionaler psychiatrischer Unterstützungsstrukturen auf. Referent/innen aus unterschiedlichen Forschungs- und Versorgungsperspektiven aus verschiedenen Regionen in Deutschland haben interessante Projekte umgesetzt und können erste Erfahrungen und Ergebnisse präsentieren. So interessierte in dem Projekt „Leipziger Psychiatrie-Netzwerk – LeiP#netz“ vor allem, welche der vorgehaltenen Strukturen, Settings und Angebote die Umsetzung psychiatrischer Mindeststandards in einer großstädtischen Versorgungsregion garantieren, wo Fehl-/ Unter- oder Überversorgungsbereiche entsprechend der Funktionen des Basismodells ausgemacht werden können. Der Bereich Wohnen für schwer psychisch erkrankte Menschen stellt demnach eine besondere Herausforderung dar, worüber zu referieren sein wird. Das über den Innovationsfond geförderte multizentrische Projekt um Nils Greve kann als ein großer überregionaler Testlauf verstanden werden, gemeindepsychiatrische Versorgung effizienter und effektiver zu gestalten – unter Berücksichtigung individuell angepasster Bedarfe. Erste Ergebnisse sollen zur intensiven Diskussion anregen. Insbesondere auf ländliche Versorgungsstrukturen rekurriert das niedersächsische Modell, welches auf Ministerialebene Förderung und Unterstützung erfährt. Das notwendige Ineinandergreifen von Politik und Versorgung im Zusammenhang mit Veränderungen psychiatrischer Strukturen steht einmal mehr im Mittelpunkt des Beitrags von Ansgar Piel.
17:30 Uhr
Evidenzbasierte Organisationsentwicklung einer Versorgungsregion – das funktionale Basismodell als Ausgangspunkt
Ingmar Steinhart, Greifswald (Germany)
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Autor:in:
Ingmar Steinhart, Greifswald (Germany)
Das funktionale Basismodell gemeindepsychiatrischer Versorgung wurde entwickelt auf Basis der UN-BRK, der S3-Leitlinien Psychosoziale Versorgung und erfolgreich arbeitenden Praxismodellen in Deutschland. Es beschreibt die für eine bedarfsgerechte Versorgung schwer psychisch kranker Menschen notwendigen Unterstützungsfunktionen in den Bereichen Behandlung und Teilhabe und definiert damit einen Mindeststandard für die Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen. Gleichzeitig bietet es eine Folie zur Analyse und Organisationsentwicklung regionaler psychiatrischer Unterstützungsstrukturen. Ein wesentliches Element ist der Abgleich der Ist-Situation in der Region mit dem Evidenzbasierten Standard und die daraus abzuleitenden Handlungs- und Entwicklungsschritte. Dieses Vorgehen wird im Vortrag illustriert.
17:40 Uhr
LeiP#netz – Leipziger Psychiatrie Netzwerk: Ausgewählte Ergebnisse mit Fokus auf das Thema Wohnen
Maria Koschig, Leipzig (Germany)
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Maria Koschig, Leipzig (Germany)
Einleitung: Wohnen stellt ein Grundbedürfnis dar. Das Bundesteilhabegesetz und die aktuellen S3-Leitlinien für schwere psychische Erkrankung fordern unterstützende, gemeindepsychiatrische Maßnahmen, die das Verbleiben im eigenen Wohnraum auch bei schwerer psychischer Erkrankung fördern (1).
Frage: Wie werden schwer psychisch Erkrankte bezüglich des eigenständigen Wohnens in Leipzig unterstützt?
Methoden: Im Rahmen der Versorgungsstudie wurde der GEMPSY entwickelt. Der Fragebogen erfasst auf Grundlage des Funktionalen Basismodells die Versorgungsbereiche: Prävention, Sozialraumarbeit, Beratung, komplexe ambulante Behandlung, Peerarbeit, Zugang zu Psychotherapie in der Krise, krankenhausalternative Rückzugsorte, komplexe Behandlung bis 24h/Tag und Teilhabe. Die Bereiche Rückzugsorte, Teilhabe und Sozialraumarbeit liefern Informationen zu gemeindepsychiatrischen Wohnmaßnahmen einer Region.
Ergebnisse: Die Angaben von 46 Einrichtungen wurden in die Analyse inkludiert. Vier Einrichtungen nannten 6 Wohn-Maßnahmen aus dem Bereich Rückzugsorte (u.a. ausstiegsorientiertes Motivationswohnen, Vermittlung Krisenbetten. Fünf Einrichtungen nannten 10 Wohn-Maßnahmen aus dem Bereich Teilhabe (u.a. Wohngruppen, ambulant betreutes Wohnen). Aus dem Bereich Sozialraumarbeit boten 8 Institutionen 9 Maßnahmen an (u.a. Familienhilfe, Supported Housing). Die Auslastung war mehrheitlich hoch.
Fazit: Es gibt verschiedene unterstützende Wohnhilfen für schwer psychisch Erkrankte in Leipzig, die jedoch nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.
Quellenangaben:
(1)Gühne, Uta; Weinmann, Stefan; Riedel-Heller, Steffi G. (2019): S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. 2. Auflage.
17:50 Uhr
Gemeindepsychiatrische Basisversorgung schwer psychisch kranker Menschen – Perspektiven und Handlungsempfehlungen aus einer multizentrischen Studie über zwölf Modellregionen in Deutschland
Nils Greve, Köln (Germany)