Im Rahmen der COVID-Pandemie kam es zu einschneidenden Veränderungen in der stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung. Diese Veränderungen sollen in diesem Symposium in vier kurzen Vorträgen dargestellt und anschließend diskutiert werden mit dem Ziel, Lehren für die Bewältigung künftiger Pandemien zu ziehen.
E. Gouzoulis-Mayfrank wird wichtige prozedurale und strukturelle Veränderungen in den Kliniken als Antwort auf die Pandemie darstellen. Dabei soll es um die Veränderungen in der Phase des lock-down und in der anschließenden Phase mit schrittweisem Rückgang zur Normalität gehen.
Ch. Kieser wird Erfahrungen aus einem Allgemeinkrankenhaus mit psychiatrischer Abteilung berichten, das von der Corona-Pandemie besonders betroffen war.
J. Zielasek wird den Verlauf der Aufnahmezahlen von neun psychiatrischen Fachkliniken eines großen Klinikverbundes im Rheinland (LVR-Klinikverbund) darstellen. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie der Weg zurück in eine „neue Normalität“ aussah.
A. Deister wird die Auswirkungen auf die Finanzierung der Krankenhäuser darstellen, wobei einerseits die Einnahmeverluste durch die verringerten Fallzahlen, andererseits auch die Kosten der Umstrukturierungen im Fokus stehen werden.
In der anschließenden Diskussion sollen Vorschläge für eine optimierte Vorbereitung psychiatrischer Fachkliniken und Abteilungen auf Viruspandemien diskutiert werden.
08:42 Uhr
Lehren aus einem besonders betroffenen Krankenhaus
Christian Kieser, Potsdam (Germany)
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Christian Kieser, Potsdam (Germany)
Das Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam war in besonderer Weise von der Corona-Pandemie betroffen. Medial hat das Klinikum mit negativen Schlagzeilen bundesweit Berühmtheit erlangt. Die Behandlungskapazitäten u. Therapieangebote der Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie am Klinikum waren durch restriktive Hygiene- u. Verhaltensregeln eingeschränkt. Innerhalb kurzer Zeit wurde das Konzept der Klinik umgestellt, eine Aufnahme- u. Screening-Station eingerichtet und als sog. "grauer Bereich" von dem Normalversorgungsbereich mit vier Stationen organisatorisch u. personell getrennt. Die Behandlungskapazitäten mussten um 35% reduziert werden. Während das Klinikum mit einem generellen Aufnahmestopp belegt war, hatte die Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie weiterhin die Versorgungsverpflichtung u. damit die Akutbehandlung rund um die Uhr zu gewährleisten.
Die Hygiene- u. Verhaltensregeln sahen auf der Aufnahme- u. Screening-Station eine 3-tägige Isolation im Einzelzimmer vor, erst nach dem zweiten negativen Abstrich-Befund war die Verlegung in den Normalversorgungsbereich möglich. Die Restriktionen ließen keine gruppentherapeutischen Angebote zu, Besuche waren nur sehr begrenzt möglich. Die Restriktionen stellten für die Patienten und Mitarbeiter eine besondere Herausforderung dar. Die reduzierten Behandlungskapazitäten wurden teilweise durch eine intensivierte ambulante Behandlung (InaB) im Rahmen der PIA kompensiert.
Die Herausforderungen, die mit einem Veränderungsprozess der Klinik einhergingen, der innerhalb weniger Wochen umzusetzen war, werden dargestellt. Zudem werden die Daten der ereigniskorrelierten Dokumentation vorgestellt und den besonderen Vorkommnissen im Vergleichszeitraum des Vorjahres gegenübergestellt. Die Möglichkeiten einer intensiv ambulanten Behandlung als Alternative bzw. Ergänzung zur stationären Behandlung werden erörtert. Zuletzt werden Implikationen diskutiert, die für zukünftige Veränderungsprozesse abgeleitet werden können.
08:54 Uhr
Belegung im psychiatrischen Krankenhaus im Rahmen der COVID-Pandemie – Zeitreihenanalyse der Belegungszahlen in einem großen Klinikverbund
Jürgen Zielasek, Köln (Germany)
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Jürgen Zielasek, Köln (Germany)
Der LVR-Klinikverbund besteht aus neun psychiatrischen Fachkliniken und ist für die stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Pflichtversorgung von ca. 4,4 Millionen Einwohner*innen des Rheinlands zuständig. Im Verlauf der ersten Phase der COVID-19-Pandemie kam es im Frühjahr 2020 auch in den LVR-Kliniken zu erheblichen Veränderungen des Versorgungsgeschehens. Im Vortrag wird anhand von Routinedaten ein Blick auf das Ausmaß und die Art der Veränderungen der Inanspruchnahme der stationären psychiatrischen Versorgung geworfen. Nach einem Rückgang der stationären Aufnahmezahlen kam es zu einer langsamen Wieder-Zunahme. Qualitativ zeigten sich verschiedene Effekte auf die Aufnahmezahlen unterschiedlicher Erkrankungsgruppen psychischer Störungen, wobei es in einigen Gruppen auch zu leichten Zunahmen kam. Die Anzahl der COVID-19-Betroffenen war gering, vorwiegend waren ältere Patient*innen betroffen. Die Ergebnisse werden unter dem Aspekt diskutiert, welche Erfahrungen aus der ersten Pandemiephase für die künftige Inanspruchnahme und die Vorbereitung psychiatrischer Krankenhäuser und Fachabteilungen gewonnen werden können.
09:06 Uhr
Krankenhausfinanzierung in Zeiten der COVID-Pandemie
Arno Deister, Itzehoe (Germany)
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Arno Deister, Itzehoe (Germany)
Die COVID19-Pandemie hat für Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie nicht nur große medizinische Herausforderungen, sondern auch gravierende Veränderungen im Bereich der Finanzierungsstruktur gebracht. Sowohl in den psychiatrischen Fachkliniken als auch in den Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern (einschließlich Universitätskliniken) mussten Kapazitäten im stationären Bereich freigehalten werden, um eventuell somatische Einrichtungen zu entlasten. In den ersten Wochen wurden tagesklinische Plätze aus Gründen des Infektionsschutzes weitgehend geschlossen. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass Psychiatrie und Psychotherapie nach der intensivmedizinischen (internistischen und anästhesietheologischen) Versorgung wahrscheinlich am stärksten von den Auswirkungen der Pandemie betroffen waren und dadurch teilweise gravierende zusätzliche Kosten entstanden sind. Die Politik hat sehr schnell versucht, finanzielle Entlastungen für die Krankenhäuser zu schaffen. Dabei wurden die Psychiatrie und Psychotherapie jedoch nicht gesondert betrachtet, sondern zunächst mit den gleichen Erstattungsbeträgen wie die somatischen Fächer bedacht. Dadurch sind nicht nur finanzielle Ausgleiche geschaffen, sondern teilweise auch gravierende Fehlanreize gesetzt worden. Insbesondere die psychiatrische Versorgung wurde dadurch in einigen Regionen gefährdet. Es ist von großer Bedeutung, aus den Erfahrungen für das weitere Vorgehen konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen, um die psychiatrische Versorgung zu stabilisieren.