Wissen schaffen: Evidenzlücken beim Clusterkopfschmerz schließen!
Beim Clusterkopfschmerz besteht aufgrund der Schwere der Kopfschmerzerkrankung und der bei einem Teil der Betroffenen unzureichend wirksamen oder mit erheblichen Nebenwirkungen verbundenen Therapien sowie der erheblichen Einschränkung der Lebensqualität Bedarf an weiteren nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapieoptionen.
CGRP-Antikörper zur Therapie des episodischen und des chronischen Clusterkopfschmerzes
Im Vortrag wird die Studienlage zu monoklonalen Antikörpern zur Therapie von episodischem und chronischem Clusterkopfschmerz kritisch diskutiert. Bislang konnte für keinen der Antikörper eine Zulassung erreicht werden, obwohl Hinweise auf eine Wirksamkeit aufgrund von Daten aus multizentrischen Studien und Fallserien sowie Einzelfallbeobachtungen bestehen.
Kortikosteroide zur Therapie des Clusterkopfschmerzes
Kortikosteroide werden zur Therapie des Clusterkopfschmerzes intravenös, oral und beim Occipitalisnervenblock eingesetzt. Evidenz aus plazebokontrollierten Studien und Fallserien liegt zur Wirksamkeit von Occipitalisblockaden vor. Mit der aktuell publizierten PredCH-Studie konnte die Wirksamkeit einer oralen Kortisonstossbehandlung zusätzlich zum Aufdosieren von Verapamil in einer plazebokontrollierten klinischen Studie in Deutschlang gezeigt werden.
Psychologische Therapie des Clusterkopfschmerzes
Die Beeinträchtigung der Lebensqualität und komorbide psychische Erkrankungen sind insbesondere beim chronischen Clusterkopfschmerz bis hin zur Suizidalität häufig anzutreffen. Krankheitsspezifische Instrumente zur Messung der Beeinträchtigung wurden aktuell entwickelt. Der psychologische Therapieansatz umfasst Edukation, Training zum Attackenmanagement, Umgang mit schmerzbezogenen Ängsten sowie die Therapie psychischer Komorbidität und die Krisenintervention.
Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) stellt einen zunehmend wichtigen Therapiebaustein in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen dar, insbesondere wenn es sich um komplexe Krankheitsprozesse im Sinne eines bio-psycho-sozialen Modells handelt. IMST-Programme werden immer wieder im Rahmen klinischer Studien untersucht; so liegen Studien u.a. zu diversen Schmerzsyndromen (z.B. Rücken- und Kopfschmerzen), unterschiedlichen Populationen (u.a. Kinder und Jugendliche, Senioren) vor. Darüber hinaus wird diese Therapieform in verschiedenen Versorgungsleitlinien (u.a. Kreuzschmerz) empfohlen. Dennoch liegt der Empfehlungsgrad der IMST in bisher publizierten Meta-Analysen oftmals nur im moderaten und z.T. auch nur niedrigen Bereich, was immer wieder zu kritischen Diskussionen über diese Therapieform führt.
In der Vortragsveranstaltung zum Thema der IMST wird zuerst Herr Prof. Kropp von der Univeriversitätsklinik in Rostock üer die Effektivität und Evidenz der IMST in der Behandlung unterschiedlicher Formen von Kopfschmerzen berichten. Im Anschluss wird Frau Wager aus dem Schmerzzentrum in Datteln Ergebnisse eines systematischen Reviews mit 38 Publikationen zur Wirksamkeit der intensiven interdisziplinären Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen vorstellen. Für unterschiedliche Therapie-Outcomes wie beispielsweise Schmerzbeeinträchtigung oder emotionale Beeinträchtigung werden kurz-, mittel- und langfristige Effektgrößen präsentiert. Neben einer quantitativen Analyse der Daten werden ebenfalls die Charakteristika der eingeschlossenen Behandlungsprogramme beschrieben (qualitative Analyse). Die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Behandlungsprogramme werden vorgestellt.
Danach wird Herr Elbers aus Utrecht Daten eines in der Analyse der IMST bisher nicht angewandten methodischen Ansatzes, des sogenannten “living systematic reviews” vorstellen. Ziel des “living systematic reviews” ist es, die Analysen kontinuierlich zu aktualisieren und neue Studien, sobald diese verfügbar sind, einzuschließen. In diesem Kontext wird er Daten aus 74 Kohorten mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten vorstellen. Darüber hinaus wird er die Heterorgenität der Therapieprogramme im Hinblick auf ein optimiertes Studiendesign von IMST-Interventionen diskutieren.
Mit diesen Vorträgen (Kropp, Wager, Elbers) sollen die Zuhörer über den aktuellen Stand der Forschung zur Evidenz der IMST informiert werden.
In diesem Symposium soll dargestellt werden, welche edukative Funktion humane Modelle neuropathischer und muskuloskelettaler Schmerzen erfüllen können. Dabei soll ein Fokus auf dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn liegen, jedoch ebenso darauf, wie diese und ähnliche Schmerzmodelle uns im Alltag begegnen können, wie z.B. nach dem Genuss einer scharfen chillihaltigten Speise, bei einem Sonnenbrand oder nach exzessiver sportlicher Betätigung. Das bewusste Erleben und die Kenntnis zugrundeliegender Mechanismen, solcher im Gesunden reversiblen neurogenen bzw. muskuloskelettalen Schmerzustände, soll helfen, die Empfindungen, die für Patienten mit chronischen Schmerzen alltäglich sind, besser zu verstehen und nachempfinden zu können.
Im ersten Teil wird Herr Vollert Modelle peripherer Sensitivierung darstellen. Die zwei am weitesten verbreiteten Modelle – topische Applikation von Capsaicin und UV-B Strahlung – finden Entsprechung in den mehr oder minder alltäglichen Phänomenen des scharfen Essens und des Sonnenbrandes. Diese Modelle sind einfach und unkompliziert zu induzieren, und rufen starke Hyperalgesien hervor, durch die Probanden einfach erleben können wie z.B. Wärmeallodynie bereits durch warme Luft hervorgerufen werden kann. Da ein Großteil der gesunden Bevölkerung die alltäglichen Entsprechungen dieser Modelle bereits erlebt hat, können sie ein edukatives Beispiel zum Nachempfinden einzelner Symptome neuropathischer Schmerzen sein.
Im zweiten Vortrag wird Herr Schilder sich mit Modellen muskuloskelettaler Schmerzzustände beschäftigen. Hier wird insbesondere auf elektrische und chemische Reizung von Tiefengeweben eingegangen. Es werden Modelle zur Untersuchung der Physiologie subakuter bzw. chronischer Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, aus tiefen Geweben erläutert. Speziell wird hier auf den Beitrag des Muskels und der Faszie eingegangen. Erkenntnisse daraus haben unmittelbar therapeutische Konsequenzen zur Behandlung muskuloskelettaler Schmerzen, insbesondere für die physiotherapeutische Praxis, da die Behandlung individuell auf das entsprechend betroffene Gewebe ausgerichtet werden kann.
Im letzten Beitrag wird Frau Forstenpointner über ein reversibles Deafferenzierungsmodell im Sinne einer Nerveneinklemmung sprechen, dass oftmals unbewusst durch eine ungünstige Schlafposition ausgelöst werden kann und so eine unangenehme nächtliche Schmerzempfindung in Kombination mit reduzierter taktiler Sensitivität und Kraftverlust hervorruft. Experimentell kann dieses Schmerzmodell durch eine präferentielle A-Faser Blockade oder durch Hypoxie mittels Anlage einer Blutdruckmanschette induzierte werden.
Zielgruppe dieses Symposiums sind einerseits Schmerzforscher, die ein Update zur aktuellen Forschung zu humanen Surrogatmodellen suchen – ebenso aber durch den Fokus auf Empathie, angehende Schmerzmediziner sowie Freunde oder Angehörige von Schmerzpatienten die Wege suchen, Schmerz greifbarer für nicht Betroffene zu machen.
Bislang beeinflussten im Bereich der primären Kopfschmerzen die Begleiterkrankungen, die Komedikation und neben eigenen Erfahrungen und aktuellen Therapiealgorithmen auch die persönlichen Überzeugungen des Arztes sowie die Wünschen des Patienten die Auswahl der Präparate hoher Evidenz in der Behandlung von primären Kopfschmerzen. Für die neue Gruppe der monoklonalen Antikörper gegen CGRP bzw. den CGRP-Rezeptor (mAbs) in der Indikation Migräne bestimmen bei einer weit gefassten arzneimittelrechtlichen eurpäischen Zulassung sozialrechtliche und vergütungsrelevante Aspekte die Erstattung die Verschreibbarkeit im Alltag. Auf dem Weg hin zu einer personalisierterTherapie mit dem Ziel, jedem Patienten möglichst früh das bei ihm mutmaßlich wirksamste Medikament zukommen zu lassen, sind Prädiktoren für den klinischen Verlauf der Erkrankung und das therapeutische Ansprechen im Individuum entscheidend. Dieses Symposium soll die bislang verfügbaren klinischen Daten, paraklinischen Daten im Sinne von Biomarkern sowie die im wesentlichen über Migräneapps akkumulierten Daten aus großen Patientengruppen („Big Data“) darstellen und eine kritischer Würdigung unterziehen.
Tim Jürgens (Rostock/Güstrow) stellt den aktuellen Wissensstand zu Prädiktoren des klinischen Verlaufs und des therapeutischen Ansprechens auf Akut- und vorbeugende Pharmaka dar. Hier konnten neben des für viele Kopfschmerzerkrankungen nachgewiesenen Einflusses von Depression auf klinischen Verlauf und therapeutisches Ansprechen diverse klinische Prädiktoren für eine gute Wirksamkeit von Onabotulinumtoxin bei chronischer Migräne gefunden werden.
Katharina Kamm (München) stellt die aktuellen Daten zur prädiktiven Rolle von paraklinischen Verfahren und Biomarkern dar. So konnte ein Einfluss des CGRP-Spiegels im venösen Blut auf den klinischen Phänotyp der Kopfschmerzerkrankung nachgewiesen werden. Zudem deuten Studien aus Dänemark auf den prädiktiven Wert eines positiven CGRP-Provokationstestes für eine exzellente Response auf den CGRP-Antikörper Erenumab hin.
Markus Dahlem (Berlin) wird eine Übersicht zu aktuellen (auch eigenen) Daten aus dem Bereich „Big Data“ vorstellen.
Die S3- Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ wird am 12.09.2021 als grundlegend aktualisierte Leitlinie wiedererscheinen. Sie wird damit die alte Leitlinie aus dem Jahr 2007 ersetzen, die seit mehreren Jahren nicht mehr gültig ist, und damit eine Lücke in der Versorgung von Patienten mit akuten postoperativen und posttraumatischen Schmerzen schließen. Der zunehmende Wandel hinsichtlich Strukturierung des Gesundheitssystems, eine fortlaufende Anpassung von operativen und medizinischen Möglichkeiten sowie eine rasant wachsende Evidenz bezüglich Effektivität (oder auch Nicht-Effektivität) von Therapiemaßnahmen machen es notwendig aber auch möglich, dass Empfehlungen evidenzbasiert erarbeitet und im Konsensus zwischen vielen Fachgesellschaften abgestimmt werden. Nicht zuletzt kommt diese Leitlinie auch zeitlich gerade richtig, da vor 2 Monaten der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) beschlossen hat, zukünftig das Akutschmerz-Management nach Operationen zu verbessern und damit dieses Thema nach Prioritäts- und Grundsatzprüfung nunmehr auf die konkreten G-BA-Arbeitsplanung gelangt. Mit der S3-Leitlinie kann es gelingen, sowohl politisch als auch klinisch den Prozess zu unterstützen und mit Inhalten zu füllen.
Welche Neuerung bring nun aber genau die Aktualisierung der S3-LL Akutschmerz. Ein wichtiger Aspekt der Aktualisierung der Leitlinie war natürlich die Beurteilung der Gültigkeit der alten Empfehlungen nach neuer Evidenz. Haben sich dadurch alte Empfehlungen geändert und gibt es (ganz) neue Empfehlungen? Wurde die Struktur beibehalten und konnte das S3 - Niveau erhalten bleiben? In diesem Symposium wollen wir, die beiden Koordinatoren der Aktualisierung der S3-Leitlinie (WM und EPZ) zusammen mit einem Chirurgen (SF) und einer Pflegewissenschaftlerin (NN), die beide als Delegierte von Fachgesellschaften aktiv an der Aktualisierung der LL mitarbeiten, Inhalte dieser Leitlinie vorstellen und diskutieren.
Im ersten Vortrag wird die Methodik der Aktualisierung der LL kurz vorgestellt und auf Besonderheiten bezüglich der Evidenzermittlung eingegangen. Anschließend werden Änderungen von alten und neue Empfehlungen bezüglich der Organisation der Akutschmerztherapie, systemisch-medikamentöser Maßnahmen und Aspekte zur Regionalanalgesie, vorgestellt.
Im zweiten Vortrag wird aufgezeigt, welche Neuerungen auf Basis der Evidenz in das Kapitel Patienteninformation und –aufklärung aufgenommen wurden. Des Weiteren werden Aspekte zu den Empfehlungen der Schmerzerfassung beleuchtet, die im Rahmen der Aktualisierung zu veränderten Empfehlungen geführt haben.
Im Dritten Vortrag wird der Prozeduren-spezifische Teil der S3 LL in den Blickwinkel der Aufmerksamkeit gerückt werden. Hier hat sich die LL Gruppe für einen sehr speziellen Weg der Aktualisierung entschieden, der aufgezeigt und inhaltlich an Beispielen dargestellt wird.
Was macht eigentlich gute Forschung aus? Welche Messinstrumente stehen hierbei zur Verfügung? Zur Optimierung der medizinischen Versorgung sind Behandler*innen aller Fachrichtungen angehalten, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse in die tägliche Praxis zu integrieren und individuell abzustimmen.
Im diesjährigen Symposium des Arbeitskreises Junge Schmerzgesellschaft der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. gehen wir der Frage nach, wie diese idealisierte Verknüpfung von klinischer Erfahrung mit den aktuellen Forschungsergebnissen im Sinne evidenzbasierter Medizin bereits auf Forschungsebene gestärkt werden kann. Ein wichtiger Baustein für die Evidenzbasis sind hierbei (systematische) Reviews. Im ersten Vortrag wird hierzu ein Beispiel aus der Placebo-Forschung präsentiert, worin bei dem neben aktuellen Erkenntnissen auch auf die Operationalisierung von sozialem Lernen näher eingegangen wird. Ein weiterer Punkt bezüglich der Konzepterstellung und Relevanz von Studien ist die Frage, wie Patient*innen aktiv in die Planung und Durchführung von Studien eingebunden werden können mit dem Ziel, die Perspektive der Betroffenen zu stärken. Diese sind in Studien oft nur als „passive“ Teilnehmer*innen involviert. Dies birgt das Risiko einer Einengung der wissenschaftlichen Perspektive und damit die Gefahr, die eigentlichen Interessen und Bedürfnisse von Patient*innen ungenügend abzubilden. Eine aktive Beteiligung von Patient*innen in der Forschung wird in den letzten Jahren zudem als Voraussetzung für eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung erkannt und eingefordert und im zweiten Vortrag beleuchtet. Im dritten Vortrag wollen wir uns daran anknüpfend mit der Frage beschäftigen, welche Rolle die jeweilige Forschungsgruppe selbst in der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fragestellungen spielt. Hierbei werden u.a. die Fragen nach einem sinnvollen Aufbau einer Arbeitsgruppe, nach erfolgsversprechenden Strategien eines Teams und der Bedeutung der Interdisziplinarität und der Jungforscher*innen oder -kliniker*innen diskutiert.
Psychische Faktoren können sowohl Chronifizierung, Krankheitsschwere wie auch migränebedingte Einschränkungen der Lebensqualität maßgeblich beeinflussen und sollten diagnostisch wie therapeu-tisch berücksichtigt werden. Im Vergleich zu muskuloskelettalen Schmerzen findet eine mögliche Rolle von Traumatisierungen im Kindes-, aber auch Jugend- und Erwachsenenalter speziell bei Migräne noch vergleichsweise wenig Beachtung. Handelt es sich hierbei möglicherweise um einen eher migräneun-spezifischen psychischen Faktor, so kann speziell bei der Migräne die Angst vor der nächsten Migräneat-tacke (Attackenangst) prognostisch bedeutsam ein. Attackenangst bezieht sich dabei nicht nur auf die Angst vor der Migräneattacke und dem Schmerz, sondern umfasst auch die Angst vor entsprechenden Konsequenzen (z.B. Funktionsausfall). Als Folge können Vermeidungsverhalten, verzerrte Aufmerksam-keit dem eigenen Körper gegenüber und dysfunktionale Copingstrategien (z.B. Medikamentenüberge-brauch) entstehen. Für die Therapieplanung ist eine valide Erfassung von Attackenangst essentiell. Der Relevanz von psychischen Faktoren sollte gemäß aktueller Leitlinien durch die Integration von psycho-logischen Verfahren in die Behandlung Rechnung getragen werden. Neben bereits gut etablierten und nicht unbedingt migränespezifischen Interventionen sind in den letzten Jahren migränespezifische Ver-fahren konzipiert und evaluiert worden.
C. Hermann gibt einen Überblick über die Evidenz zur Relevanz von Traumatisierungen als Risikofaktor bei der Migräne und deren Einfluss auf Chronifzierung, Krankheitsschwere und den Behandlungsprozess. Speziell werden Ergebnisse einer Studie vorgestellt, in der der Zusammenhang von Traumatisierungen, traumabezogener Symptomatik und Schmerzsymptomatik transdiagnostisch untersucht wurde.
In ihrem Beitrag berichtet A. Bräscher über die Validierung eines neu entwickelten Fragebogens, dem „Fragebo-gen zur Attackenangst bei Migräne“, der zur Diagnostik dieses migränespezifischen psychologischen Faktors eingesetzt werden kann. Die 6 Subskalen (Funktionsbezogene Attackenangst, Vorhersage der Migräneattacke, Medikamentenübergebrauch, Triggerbezogene Attackenangst, Allgemeine Attacken-angst, Beziehungsbezogene Attackenangst) besitzen eine gute psychometrische Qualität. Es wird aufge-zeigt, wie der Fragebogen zur differentiellen Therapieplanung und -evaluation eingesetzt werden kann.
E. Liesering-Latta gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über eine leitliniengerechte Migräneprophylaxe, die die Integration evidenzbasierter psychologischer Verfahren vorsieht. Neben etablierten Verfahren wie Entspannungstraining werden auch neuere störungsspezifische Interventionen wie das Triggerma-nagement erläutert und die empirische Evidenz eingeordnet. Außerdem werden die Implikationen für die Therapieplanung aufgrund der wechselseitigen Verstärkung von Kopfschmerz und psychischen Er-krankungen (z.B. Angststörungen, Depression) erläutert.
Viele Schmerzpatienten sprechen nicht zufriedenstellend auf Schmerzmedikamente oder andere Formen der Schmerztherapie an und leiden unter therapielimitierenden Nebenwirkungen. Neben biologischen Faktoren spielen auch psychosoziale bzw. patientenimmanente Faktoren eine große Rolle, ob und wie Patienten eine Therapie abschließen. Die Berücksichtigung dieser Faktoren in der Gestaltung von Diagnostik und Therapie ist hochrelevant. Ziel einer individualisierten Schmerztherapie ist es, eine Patientengruppe der „Responder“ oder Patienten mit gutem Wirkungs- Nebenwirkungsprofil zu identifizieren und gezielt zu behandeln.
Bezogen auf neuropathische Schmerzen, können Patienten mit der gleichen Schmerzerkrankung unterschiedliche klinische Präsentationen mit einer Vielzahl verschiedener somatosensorischen Symptome zeigen. Diese sensorischen Profile können die zugrunde liegenden Pathomechanismen reflektieren. Die sensorische Testung kann genutzt werden, um Patienten in Subgruppen einzuteilen, um so potenzielle Therapieresponder zu identifizieren. Bei der Durchführung einer prädiktiven Studie können verschiedene statistische Modelle Anwendung finden. Neben post-hoc Responderanalysen eignen sich vor allem Studien mit einer prospektiven Stratifizierung, um die Wirksamkeit von Medikamenten in Subgruppen zu bestimmen,
Personeninterne Faktoren wie Depressivität oder Angst wurden bereits als Prädiktoren für einen Therapieerfolg einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) identifiziert. Selbstwirksamkeit und Akzeptanz bzw. psychologische Flexibilität stellen weitere zentrale psychologische Variablen dar, die einen Zusammenhang zur Anpassung an chronischen Schmerz zeigen. Die Veränderung dieser psychologischen Faktoren im therapeutischen Prozess kann zu Veränderungen des Schmerzerlebens führen. Ebenso spielen diese Variablen eine Rolle in der Vorhersage von Therapieerfolg bzw. Therapieresponse. Ihre Berücksichtigung in der Gestaltung einer individualisierten Schmerztherapie sind daher von hoher Bedeutung.
Manche Patienten bringen starke Emotionen wie Wut in die Interaktion ein. Besonders im Gruppensetting können daraus dynamische, manchmal schwer zu lösende Situationen entstehen. Wut, in ihrer unbewältigten Form, kann dabei maßgeblich den Prozess sowohl physiologisch-funktionell als auch psychologisch-interaktionell behindern. Ziel des Workshops ist, das an sich tabuisierte Gefühl der Wut als Kraftquelle zu begreifen und in der Therapie gezielt zu adressieren. Es werden physiologisch-funktionelle Grundlagen zur Notwendigkeit der Berücksichtigung von Wut aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie die Grundvoraussetzungen in der psychotherapeutischen Arbeit vorgestellt. Anhand praktischer Übungen im Anschluss an diese kurze theoretische Einführung soll den Teilnehmern Mut gemacht werden, sich dem erst einmal bedrohlich wirkenden Gefühl Wut anzunähern. Einer einfachen Struktur folgend (Wahrnehmen und Anerkennen, Regulieren, Bewältigen) werden Ansätze vorgestellt, die in der engen Zusammenarbeit zwischen Physio- und Psychotherapie Zugang zum Erleben sowie zu dessen Bewältigung im Sinne eines verbesserten Selbstmanagements beim Patienten hinsichtlich seiner Wut ermöglichen. Dabei soll deutlich werden, dass zwei Dinge wesentlich sind: Interdisziplinarität in der Arbeit mit Patienten und Wut bei Schmerzen sowie die Bedeutung des Zusammenhanges zwischen funktionellen und psychischen Prozessen für einen zufriedenstellenden Therapieverlauf bzw. -erfolg.
Dieser Workshop richtet sich an Pflegende, Therapeuten und Ärzte, die im Alltag immer wieder Erfahrungen mit Patienten und chronischen Schmerzen gemacht haben und sich gern dazu auseinandersetzen wollen. Darüber hinaus gibt der Workshop Anregungen für eine noch engere interdisziplinäre Zusammenarbeit physiotherapeutischer und psychotherapeutischer Professionen.
Feedback und Diskussion von den Teilnehmern sowie Einbringen eigener Erfahrungen und Fälle ist ausdrücklich erwünscht.
Materialien werden von den Referenten gestellt.
Inhalt:
Das Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat mit seinem Beschluss vom 17. September 2020 die Anforderungen an das Akutschmerzmanagement von Krankenhäusern und ambulant operierenden Praxen deutlich
erhöht. Diese sind zukünftig verpflichtet, ein Konzept zum Akutschmerzmanagement als Bestandteil ihres internen Qualitätsmanagements einzuführen, weiterzuentwickeln und darüber konkret Rechenschaft abzulegen.
Ziele:
Das Ziel des Workshops ist es ,eine Übersicht über die gesundheitspolitische Entwicklung hin zur aktuellen Beschlusslage zu geben sowie darzustellen, was nun in den Kliniken erfolgen sollte um die Anforderungen umzusetzen.
Zielgruppe:
Alle in der Akutschmerztherapie und in der Patientenversorgung im Akut- und Fachkrankenhaus tätigen Berufsgruppen.
Seit vielen Jahren ist die Rolle des Calcitonin Gene related Peptide (CGRP) in der Pathophysiologie der Migräne bekannt. Die erste Zulassung einer CGRP-basierten Therapie erfolgte im Jahre 2018. Über die Daten der klinischen Studien inklusive der Post-hoc- sowie Sub-Gruppen-Analysen wurden in den letzten Jahren immer wieder ausführlich berichtet. Da CGRP aber eben kein Migräne-spezifisches Molekül ist, sondern in der Physiologie und Pathophysiologie anderer Systeme seine Rolle hat lohnt auch der Blick nach rechts und links. CGRP-Antikörper spielen mittlerweile eine prominente Rolle in der prophylaktischen Therapie der Migräne. Die umfangreichen Real-World Daten belegen die Wirksamkeit dieser Substanzen auch über die Ergebnisse der klinischen Studien hinaus. Der erste Vortrag des Symposiums trägt die wichtigsten Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Substanzgruppe in der konkreten Behandlungssituation zusammen und analysiert, welche Konsequenzen sich hieraus für die tägliche Praxis ergeben. Allerdings spielt CGRP auch in der Pathophysiologie anderer Schmerzerkrankungen eine relevante Rolle und der Einsatz von AK gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor muss hier diskutiert werden. Im zweiten Vortrag werden die pathophysiologischen Hintergründe der Wirksamkeit sowie der Einsatz der Substanzen bei anderen Schmerzerkrankungen, wie z.B. bei neuropathischem Schmerz, posttraumatischem Kopfschmerz oder der idiopathischen intrakraniellen Hypertension dargestellt und entsprechend eingeordnet. Im täglichen Einsatz der Substanzen kann es Konstellationen geben zurückhaltend mit den neuen Therapieoptionen zu sein. Relevante Beispiele sind hier kardiovaskuläre oder Autoimmun-entzündliche Erkrankungen. Der dritte Vortrag beleuchtet einige dieser Problemkonstellationen, deren Physiologie und berichtet über konkreten Erfahrungen. Die Rolle des Immunsystems in der Pathophysiologie der Migräne ist bislang nur wenig erforscht. Erste Untersuchungen zeigen, dass CGRP einen direkten und indirekten Einfluss auf Immunzellen hat. Die aktuellsten Erkenntnisse über die Verbindung zwischen CGRP und dem adaptiven Immunsystem und inwieweit diese auch in der Pathophysiologie der Migräne relevant sein könnten sind Thema des letzten Vortrags.
Im Jahr 1998 legte der AK Pflege der Deutschen Schmerzgesellschaft erstmals ein Curriculum für die Weiterbildung zur „Algesiologischen Fachassistenz“ vor, auf dessen Grundlage seitdem zahlreiche Pflegefachpersonen für die besonderen Anforderungen der Arbeit mit Schmerzpatient*innen qualifiziert wurden. Das Curriculum, das inzwischen in der sechsten Auflage vorliegt, hat damit entscheidend zur Professionalisierung der Pflege im multiprofessionellen Schmerzmanagement und zur Qualität der schmerzbezogenen Versorgung beigetragen.
Im Jahr 2019 richtete der Vorstand der Deutschen Schmerzgesellschaft die Ad-hoc-Kommission „Curriculum Pflege“ ein und beauftragte sie mit der Weiterentwicklung des Curriculums. Auf der Grundlage des „Core Curriculum for the European Diploma in Pain Nursing“ der EFIC und unter Berücksichtigung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) wurden sowohl eine neue Struktur als auch überarbeitete Inhalte definiert. Nach der Abstimmung mit den Gremien der Deutschen Schmerzgesellschaft und einer Konsultierungsphase, werden das neue Curriculum und seine Umsetzung in diesem Symposium vorgestellt.
Im ersten Vortrag wird eine Zwischenbilanz zu den Erfolgen des bisherigen Curriculums gezogen. Die Weiterentwicklung des Schmerzmanagements macht eine Überarbeitung notwendig. Die gesetzlich erfolgte Festlegung von pflegerischen Vorbehaltsaufgaben muss ebenso berücksichtigt werden wie die curriculare Ausgestaltung der Anforderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung, dass Pflegende „den Pflegeprozess bei Menschen aller Altersstufen mit akuten und chronischen Schmerzen [steuern, verantworten und gestalten]“. Zusätzlich ist die Bildung von Pflegeberufekammern und eine veränderte Bildungsstruktur in der Pflege zu berücksichtigen.
Im zweiten Vortrag wird das Vorgehen bei der Erarbeitung des neuen Curriculums vorgestellt. Dabei orientierte sich die Kommission an den Strukturen des EFIC-Curriculums und nahm inhaltliche Anpassungen für die deutsche Situation vor. Bisherige Themen werden nun mit erforderlichen Kompetenzen definiert. Neben der Ebene der pflegerischen Schmerzexpert*innen, werden erstmals auch die schmerzbezogenen Kompetenzen definiert, die in der Ausbildung zur / zum Pflegefachfrau / -mann bzw. auf Bachelor- und Masterebene erreicht werden sollen.
Der dritte Vortrag stellt die inhaltlichen Weiterentwicklungen des Curriculums für die pflegerischen Schmerzexpert*innen vor. Dabei wird Bewährtes erhalten, weiterentwickelt und ergänzt. Für Anbieter*innen der Fortbildungen ergeben sich veränderte Anforderungen an die Durchführung und Zertifizierung.
Der abschließende Vortrag gibt einen Ausblick auf die zukünftige Qualifizierung von Schmerzexpert*innen im Rahmen eines Masterstudiums, die die bisherige Fortbildung ergänzen kann. Hier vertritt die Kommission ein gestuftes Modell, das auch den heute tätigen Schmerzexpert*innen zusätzliche Optionen eröffnet und die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team stärkt.