Für ein besseres Verständnis neuropathischer Schmerzen sind interdisziplinäre, translationale und vor allem patientenzentrierte Ansätze in der Schmerzforschung wichtig. In diesem Symposium möchten wir zwei neue Forschungsverbünde vorstellen, die Schmerzphenotyping und m-health am Patienten, Humangenetik, Stammzellforschung, künstliche Intelligenz bis hin zum Computational Modelling von Natriumkanälen interdisziplinär verbinden.
Im Rahmen des Sodium Channel Network Aachen (SCNAachen), das wir im ersten Vortrag vorstellen möchten, arbeiten wir daran (i) mutationsinduzierte patientenspezifische Funktionsänderungen in spannungsabhängigen Natriumkanälen (Nav) strukturell aufzuklären und (ii) systematisch nach zugelassenen Medikamenten zu suchen, die spezifisch mit mutationsveränderten Navs interagieren. Dazu nutzen wir ausführliche klinische und genetische Untersuchungen, 3D Computersimulationen, induzierte pluripotente Stammzellen von Patienten, heterologe Zelllinien in der manuellen und Hoch-Durchsatz (SyncroPatch) Patch-Clamp-Elektrophysiologie. Wir werden Ergebnisse aus diesem Ansatz präsentieren und als Grundlage zur Identifizierung personalisierter Behandlungsmöglichkeiten für Schmerzpatienten diskutieren.
Im zweiten Vortrag soll anhand eines Patientenfalls mit Funktionsverlust des Nav 1.7, welcher bei anderen Patienten einen kompletten Verlust der Schmerzempfindung (chronic insensitivity of pain, CIP) zur Folge hat, die Arbeitsweise des SCNAachen Verbundes demonstriert werden. Der Patient beschreibt trotz Knock-out-Mutation des Natriumkanals Nav1.7 manche Empfindungen als schmerzhaft. Wir stellen die Ergebnisse der klinischen Untersuchung inklusive Psychophysik, QST, Nervenfaserdichte der Haut und mikroneurographischer Untersuchung der Funktion einzelner C-Fasern vor.
Abschließend wird im dritten Teil das Projekt Bio2Treat vorgestellt, das einen Ansatz zur Patienten-zentrierten Diagnostik und Prognostik mit Hilfe von mHealth und KI darstellt. In diesem vom BMBF geförderten Projekt wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen einem Smartphone-basierten Aktivitätentagebuch und biometrischen Daten einer PainWatch im Alltag (Puls, Aktivität, Wetterdaten), QST, „Schmerz evozierten Potentialen“ (PREPS; pain-related evoked potentials) und weiteren klinischen Daten. Humangenetik mit whole exome sequencing ist ebenso Teil des Projektes wie induzierte pluripotente Stammzellen (iPSCs) aus Blutzellen, die zu peripheren sensorischen Neuronen differenziert und auf Multi-Elektroden-Arrays ausgesät und analog zu Patientendaten kultiviert und analysiert werden. Alle Ergebnisse werden in einer neu geschaffenen Software-Umgebung integriert, um mithilfe von Machine-Learning Ansätzen die Diagnostik und Prognose zum Krankheitsverlauf zu optimieren.
Das Symposium soll den Zuhörern sowohl Möglichkeiten und Ergebnisse aus patientenzentrierten interdisziplinären Forschungsansätzen vermitteln als auch die Rolle der Natriumkanäle beim neuropathischen Schmerz nahebringen.