Das seit März 2017 in Kraft getretene Cannabis-als-Medizin-Gesetz erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Verordnung von cannabisbasierten Arzneimitteln (CBA) zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen. Bisherige Zwischenauswertungen der damit verbundenen Begleiterhebung durch die Bundesopiumstelle zeigen, dass ca. 70% aller Verordnungen zur Behandlung chronischer Schmerzen erfolgen mit überwiegend guten Behandlungsergebnissen. Hierzu kontrastieren die geringer ausgeprägten Behandlungsergebnisse aus vielen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und den daraus abgeleiteten Metaanalysen. In der Diskussion hierzu ist deutlich geworden, dass die hohe klinische und methodische Heterogenität der RCTs verbunden mit individuell sehr unterschiedlichen Effekten von CBA das hierarchische Konzept der Erkenntnisgewinnung in Frage stellen. Alternativ könnten hier zyklische Prozesse der Erkenntnisgewinnung sinnvoll sein, die neben RCTs auch Daten aus Kohortenstudien und qualitativen Studien berücksichtigen, wodurch ein vollständigeres Bild für den klinischen Alltag entstehen kann.
Matthias Karst stellt in seinem Vortrag Ergebnisse aus einer Studie mit einem Mixed-Methods-Design vor, in der Patienten, die CBA seit mindestens einem Jahr erhalten, überwiegend qualitativ zu ihren Erfahrungen mit dieser Medikation befragt wurden. Es zeigen sich auf mehreren Ebenen interessante Aspekte. Z.B. wird deutlich, dass die klinischen Effekte der CBA nicht nur oder hauptsächlich die Schmerzintensität adressieren, sondern vor allem im Bereich des Schmerzaffekts und der Schmerzinterferenz Wirkung zeigen. Der sozialmedizinische Rahmen wird von den Befragten kritisch beurteilt.
Inzwischen liegen in der Begleiterhebung der Bundesopiumstelle mehr als 10.000 Datensätze zu Schmerzpatienten vor, die im Rahmen des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes ein CBA eingenommen haben. Peter Cremer-Schäffer stellt in seinem Vortrag den aktuellen Stand zu Wirksamkeit und Sicherheit der verordneten CBA in den unterschiedlichen Schmerzindikationen vor. Dabei können die Analyse von Subgruppen zu interessanten Ergebnissen führen.
Cannabidiol (CBD) ist in einigen Zubereitungen von CBA zusammen mit dem Tetrahydrocannabinol (THC) in einer relevanten Größenordnung enthalten. Da es nicht direkt mit den Cannabinoidrezeptoren interagiert, löst es auch nicht die typischen cannabimimetischen Effekte aus, sondern kann sogar einen Teil der psychotropen Effekte des THC mildern. Zusammen mit den ihm zugeschriebenen antiinflammatorischen und anxiolytischen Effekten hat CBD in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit gewonnen. CBD wird nicht durch das Betäubungsmittelgesetz geregelt und kann deshalb nicht im Rahmen des Cannabis-als Medizin-Gesetzes verordnet werden. Winfried Häuser wird in seinem Vortrag anhand aktueller Daten zeigen, in welchen Anwendungsbereichen der Einsatz von CBD potentiell sinnvoll sein könnte und was bei der Anwendung zu beachten ist.