Skalen zur Erfassung der Schmerzintensität sind in der Forschung und im klinischen Setting allgegenwärtig. Ihre häufige Verwendung wird durch eine einfache Anwendung sowie das scheinbar intuitive Verständnis durch Patienten (bzw. Probanden in experimentellen Studien) befördert. Nichtdestotrotz steht ihr Einsatz seit längerem in der Kritik (1,2). Alternativen gibt es allerdings derzeit keine. In diesem Workshop werden neue Erkenntnisse zur Schmerzerfassung und den gängigen Erfassungsinstrumenten im Kontext aktueller Befunde diskutiert und Ausblick auf Forschungsbedarf und klinischen Einsatz gegeben.
Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der Darstellung und der Erfassung von Schmerzen bei akuten postoperativen Schmerzen. In zwei ganz aktuellen Studien konnten wir zeigen, dass zwar die Schmerzintensität der am häufigsten erfasste Schmerzparameter bei Patienten nach Operationen ist, das Konstrukt aber unzureichend, sehr heterogen oder z.T. gar nicht beschrieben wird (3,4). Darüber hinaus bleibt oft nicht nur unklar, welche Art des Schmerzes (Ruheschmerz, Schmerz bei Bewegung) erfasst wurde, sondern auch, worauf sich die Schmerzbeurteilung beziehen soll. Ergebnisse zur Anwendung verschiedenster Instrumente zur Schmerzerfassung nach Operationen und deren psychometrischer Eigenschaften zeigen weitere Probleme auf.
Im zweiten Beitrag geht es um Herausforderungen der Schmerzerfassung im experimentellen Setting. Daten unserer Arbeitsgruppe zeigen z.B., dass das individuelle Verständnis der Skalenanker einen systematischen Effekt auf die Schmerzeinschätzung hat. Interessant ist, dass sich Patienten mit chronischem Schmerz und gesunden Kontrollprobanden in ihrer Interpretation von Skalenan-kern nicht unterscheiden. Allerdings zeigen qualitative Daten zum individuellen Verständnis der Skalenanker eine hohe Variabilität der mit den Ankern assoziierten Empfindungen (z.B. Assoziationen mit verschiedensten physischen Schmerzerfahrungen) sowie ineinander übergehende Ska-lenanker. Diese Daten unterstreichen die starke individuelle Variabilität, die bei der Verwendung solcher Skalen berücksichtigt werden sollte.
Ein Kritikpunkt an bestehenden Schmerzintensitätsskalen ist die fehlende Inhaltsvalidität, die si-cherstellt, dass ein Messinstrument das zu messende Konstrukt vollumfänglich abbildet. Dafür ist die Perspektive von Patienten bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses maßgeblich gefordert. Im Rahmen von EVaSIMST (DFG-Förderung) wird ein Messinstrument zur Erfassung von Schmerz entwickelt, dass das biopsychosoziale Modell berücksichtigt und damit der Individualität des Schmerzerlebens bei Patienten mit chronischen Schmerzen gerecht wird. Im Rahmen von Fokus-gruppen wurde ein konzeptuelles Rahmenmodell zum Verständnis von Schmerzerleben aus Sicht von Patienten mit chronischen Schmerzen entwickelt, das tatsächlich biopsychosoziale Aspekte umfasst; es wird ein Messinstrument vorbereitet, das in der Zielpopulation weiter evaluiert wird.