Psychische Faktoren können sowohl Chronifizierung, Krankheitsschwere wie auch migränebedingte Einschränkungen der Lebensqualität maßgeblich beeinflussen und sollten diagnostisch wie therapeu-tisch berücksichtigt werden. Im Vergleich zu muskuloskelettalen Schmerzen findet eine mögliche Rolle von Traumatisierungen im Kindes-, aber auch Jugend- und Erwachsenenalter speziell bei Migräne noch vergleichsweise wenig Beachtung. Handelt es sich hierbei möglicherweise um einen eher migräneun-spezifischen psychischen Faktor, so kann speziell bei der Migräne die Angst vor der nächsten Migräneat-tacke (Attackenangst) prognostisch bedeutsam ein. Attackenangst bezieht sich dabei nicht nur auf die Angst vor der Migräneattacke und dem Schmerz, sondern umfasst auch die Angst vor entsprechenden Konsequenzen (z.B. Funktionsausfall). Als Folge können Vermeidungsverhalten, verzerrte Aufmerksam-keit dem eigenen Körper gegenüber und dysfunktionale Copingstrategien (z.B. Medikamentenüberge-brauch) entstehen. Für die Therapieplanung ist eine valide Erfassung von Attackenangst essentiell. Der Relevanz von psychischen Faktoren sollte gemäß aktueller Leitlinien durch die Integration von psycho-logischen Verfahren in die Behandlung Rechnung getragen werden. Neben bereits gut etablierten und nicht unbedingt migränespezifischen Interventionen sind in den letzten Jahren migränespezifische Ver-fahren konzipiert und evaluiert worden.
C. Hermann gibt einen Überblick über die Evidenz zur Relevanz von Traumatisierungen als Risikofaktor bei der Migräne und deren Einfluss auf Chronifzierung, Krankheitsschwere und den Behandlungsprozess. Speziell werden Ergebnisse einer Studie vorgestellt, in der der Zusammenhang von Traumatisierungen, traumabezogener Symptomatik und Schmerzsymptomatik transdiagnostisch untersucht wurde.
In ihrem Beitrag berichtet A. Bräscher über die Validierung eines neu entwickelten Fragebogens, dem „Fragebo-gen zur Attackenangst bei Migräne“, der zur Diagnostik dieses migränespezifischen psychologischen Faktors eingesetzt werden kann. Die 6 Subskalen (Funktionsbezogene Attackenangst, Vorhersage der Migräneattacke, Medikamentenübergebrauch, Triggerbezogene Attackenangst, Allgemeine Attacken-angst, Beziehungsbezogene Attackenangst) besitzen eine gute psychometrische Qualität. Es wird aufge-zeigt, wie der Fragebogen zur differentiellen Therapieplanung und -evaluation eingesetzt werden kann.
E. Liesering-Latta gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über eine leitliniengerechte Migräneprophylaxe, die die Integration evidenzbasierter psychologischer Verfahren vorsieht. Neben etablierten Verfahren wie Entspannungstraining werden auch neuere störungsspezifische Interventionen wie das Triggerma-nagement erläutert und die empirische Evidenz eingeordnet. Außerdem werden die Implikationen für die Therapieplanung aufgrund der wechselseitigen Verstärkung von Kopfschmerz und psychischen Er-krankungen (z.B. Angststörungen, Depression) erläutert.