Einführung: Im Rahmen des vom Innovationsfonds geförderten Projektes PAIN2020 (01NVF17049) wurden zwei ambulante Therapieformen zur Behandlung von Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko entwickelt (begleitende Therapie (B-IMST, 3h/Wo. über 10Wo., 8 Patienten) oder Edukation (E-IMST, einmalig 3h, 12 Patienten). Hierdurch soll die Versorgung von Patienten mit anhaltenden bzw. wiederkehrenden Schmerzen und Chronifizierungsrisiko durch ein auf den Versorgungsbedarf der Patientengruppe angepasstes Therapieprogramm verbessert werden.
Methodik: Im Wesentlichen wurden 7 Schritte durchgeführt: Im 1. Schritt wurden Zielstellungen für die betreffenden Patienten eruiert und durch die Ad-hoc-Kommission „IMST“ abgestimmt und validiert. Nach der Abstimmung wurden im 2. Schritt die Hauptinhalte festgelegt, die für die betreffende Patientengruppe für notwendig angesehen wurden. Im 3. Schritt (Workshop I) stand die Erarbeitung der einzelnen festgelegten Inhalte, deren Vermittlung und die dazugehörigen Übungen an, die in einem 4. Schritt in einen Ablaufplan überführt wurden. Im Anschluss daran erfolgte im 5. Schritt die Aufbereitung der Ergebnisse in Form von Manualen, Literatur, Präsentationen, Arbeits-blättern und Handbuch. Nach der einjährigen Umsetzungsphase der Therapiemodule zur Prüfung der Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit erfolgte im 6. Schritt (Workshop II) eine erste Evaluation des Manuals mit PhysiotherapeutInnen, ÄrztInnen und PsychologInnen aus PAIN2020-Zentren so-wie den vorher beteiligten Gremien. Im vorerst letzten Schritt (geplant September 2021) wird ein erneuter Workshop veranstaltet. Wie in den vorangegangenen Schritten werden neben dem Projektteamund Kollegen aus den PAIN2020-Zentren auch Vertreter der Schmerzgesellschaft und der IMST sowie Patienten und deren Rückmeldungen einbezogen. Zielstellung ist die eine erneute Überprüfung der strukturellen und inhaltlichen Aufbereitung und Ausgestaltung der Therapiemodule.
Ergebnis: Im Ergebnis erwarten wir zusätzlich zum Workshop II eine Adaptation des Therapiemoduls B-IMST sowie Rückmeldungen zur bisherigen Umsetzungsphase, die maßgeblich dazu beitragen können, Themen- und Übungsauswahl sowie Transfer- und Teamprozesse zu finalisieren.
Ausblick: Am Ende des Entwicklungsprozesses soll ein umfassendes Therapiemanual stehen, welches hinsichtlich der inhaltlichen und praktischen Ausgestaltung für Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko im ambulanten Therapiealltag Anwendung finden kann.
Vor allem die B-IMST soll die ambulante Versorgungssäule von Patienten mit Schmerzen perspektivisch mit interdisziplinären multimodalen Angeboten erweitern und so die Versorgung von Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko nachhaltig verbessern. Das finalisierte Therapiemanual wird dann im Rahmen des Folgeprojektes PAIN 2.0 klinisch – randomisiert auf Effektivität geprüft.
Einleitung: Zentrale neue Intervention von PAIN2020 (FNR 01NVF17049) ist ein frühzeitiges Interdisziplinäres Multimodales Assessment (IMA) für Patient*innen mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko, mit dem Ziel einer sektorenübergreifenden, bedarfsgerechten Empfehlung an die Patient*innen. Das IMA besteht aus einer interdisziplinären Befundung (berufsgruppenspezifisch und Teamsitzung) sowie einem gemeinsamen Abschlussgespräch mit den Patient*innen. Nach dem IMA stehen neben den Versorgungsleistungen der Regelversorgung (RV), inkl. der (teil)stationären interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST), zwei neue niedrigschwellige, ambulante Therapieoptionen, edukative IMST (E-IMST, 1x3Std) und begleitende IMST (B-IMST, 10x3Std), zur Verfügung. Ziel ist zum einen die Überprüfung der Bedeutung der schmerzbezogenen und psychometrischen Patientencharakteristika hinsichtlich der Einzel-Einschätzungen der Berufsgruppen und der Teamempfehlung und zum anderen, wie sich die diese auf die Therapieempfehlungen verteilen.
Methodik: Im Zeitraum von 04/19 bis 04/21 wurden in 29 teilnehmenden Zentren (universitäre Einrichtung, Krankenhaus oder ambulante Praxis) 593 Patient*innen (w 67,8%/55,1 J., m 32,2%/53,4 J.) mit einem IMA versorgt. Diese Patient*innen werden hinsichtlich ihrer schmerzbezogenen und psychometrischen Angaben aus dem Deutschen Schmerzfragebogen (DSF: u.a. FW7, DASS, VR-12) sowie der in PAIN2020 zusätzlich ergänzten Fragebögen (u.a. PCS) beschrieben und in Bezug zu den Einzel-Einschätzungen der Berufsgruppen (u.a. MPSS, ICD-Diagnosen) und der Teamempfehlung (Bestandteil des prozessbezogenen Monitorings), betrachtet.
Erste Ergebnisse: Im Gesamten zeigen sich bei einem Anteil der Patient*innen in allen psychometrischen Testbefunden auffällige Werte (z.B. FW7 23,6%; DASS Angst 21,1%, Depressivität 19,4%, Stress 31,9%, VR-12 körperl. 36,6%, VR-12 psych. 16,3%, PCS 24%). Im Durchschnitt weisen Patient*innen mit einer Empfehlung für eine E- oder B-IMST gegenüber Patient*innen mit einer Empfehlung für eine (teil)stationäre IMST oder alleinige Empfehlung der RV weniger auffällige psychometrische Testbefunde auf. Die Bedeutung der Patientencharakteristika hinsichtlich der Einzel-Einschätzungen und der Teamempfehlung in Bezug auf die Empfehlungen wird vorgestellt und kritisch diskutiert (Analyse läuft aktuell).
Diskussion: Die Empfehlung der neuen niederschwelligen Therapieangebote für in psychometrischen Testverfahren weniger stark betroffenen, jedoch bereits behandlungsbedürftigen Patient*innen zeigen unter anderem den Bedarf einer Entwicklung solcher Angebote für die Regelversorgung auf, um bedarfsgerechte Versorgung auch dieser Patientengruppe zu ermöglichen.
Hintergrund:
An der Universitätsmedizin Mainz wurden in 2019 n=43 Major- und n=2 Minor-Amputationen der unteren Extremitäten durchgeführt. Die analgetische Versorgung der Patienten war zu diesem Zeitpunkt nicht standardisiert. Über eine retrospektive Analyse wurde die Versorgungsqualität evaluiert und ein angepasstes Versorgungskonzept mit SOP (standard operating procedure) entwickelt. Hier wird eine Zwischenanalyse präsentiert.
Fragestellung:
Primäre Zielsetzung ist die Überprüfung der Umsetzbarkeit der Versorgungs-SOP. Sekundäre Zielsetzungen sind der Vergleich der postoperativen Schmerzen und Zufriedenheit vor und nach neuem Konzept.
Methoden:
Die neue Versorgungs-SOP wurde zum 01.10.2020 eingeführt und umfasst die Neuerungen: 1.) Anmeldung der Patienten beim innerklinischen Akutschmerzdienst 2 Tage vor OP zur prophylaktischen Eindosierung von Pregabalin bis zum OP-Tag (nach Ausschluss von Kontraindikationen Start mit 2x50mg p.o.), 2.) Durchführung des Eingriffs bevorzugt in Regionalanästhesie (RA), Fortsetzung der Analgesie via Regionalkatheter.
Vom 01.01.-31.12.2021 wird eine prospektive explorative Datenanalyse an allen erwachsenen Patienten mit Major- und Minor-Amputationen der unteren Extremitäten durchgeführt und mit einer retrospektiven Kontrollgruppe aller Patienten gleicher Eingriffe aus dem Jahr 2019 verglichen. Zur Schmerzerfassung wird seit 01.01.2021 zusätzlich QUIPS durchgeführt.
Ergebnisse:
In 2019 wurden von 43 Major-Amputationen 39 in Allgemeinanästhesie, 2 in kombinierter Allgemein-/RA, 1 in peripherer RA, 1 in Spinalanästhesie durchgeführt. Regionalkatheter wurden bei 28 Patienten (65%) angelegt. Ein prophylaktischer Einbezug des Akutschmerzdienstes fand bei 3 Patienten statt, bei 10 (23%) wurden prophylaktisch Ca-Modulatoren gegeben, 21 erhielten sie am 2. Post-OP-Tag. Von den 22 Minor-Amputationen wurden 9 in Allgemeinanästhesie, 3 in kombinierter Allgemein-/RA, 10 in peripherer RA durchgeführt; Regionalkatheter wurden nie angelegt, ebensowenig der Akutschmerzdienst einbezogen. Bei 2 Patienten wurden prophylaktisch Ca-Modulatoren gegeben (9%), 4 (18%) erhielten sie am 2. Post-OP-Tag.
In 2021 wurden bis zum 30.04.2021 12 Major- und 7 Minor-Amputationen durchgeführt. Alle Patienten mit Major-Amputation erhielten einen Regionalkatheter. 8 Patienten wurden der SOP entsprechend 3 Tage vor OP-Termin beim Akutschmerzdienst angemeldet und erhielten daraufhin eine prophylaktische Pregabalin-Gabe. Deren Zufriedenheit am 1. Post-OP-Tag war im QUIPS-Assessment hoch (Mittelwert 9,5/10) bei einem Ruheschmerz im Mittel 4,5/10.
Diskussion:
Durch die Einführung einer neuen SOP zur schmerztherapeutischen Versorgung von Amputationspatienten fanden in der Zwischenauswertung häufiger ein prophylaktischer Einsatz von Calcium-Modulatoren und Regionalkatheterverfahren statt. Die Zufriedenheit mit der schmerztherapeutischen Versorgung war hoch.
Background.
Acute postoperative pain delays recovery and increases morbidity and mortality. Opioid therapy is effective but is accompanied by adverse reactions. Patient-controlled analgesia (PCA) enables self-administration of analgesics. Oral-PCA is a safe and beneficial alternative to intravenous (IV) PCA. We have developed a novel Oral-PCA device, which enables self-administration of solid pills to the patient’s mouth. This is a retrospective study comparing the effectiveness and usability of this novel Oral-PCA with those of IV-PCA.
Methods.
Medical records of patients who received PCA following gynecology and orthopedic surgeries were analyzed. +e control cohort (n = 61) received oxycodone by IV-PCA. +e test cohort (n = 44) received oxycodone by Oral-PCA via the PCoA Acute device. Outcome measures include the Numeric Rating Scale (NRS) score at rest and movement, side effects, technical difficulties, bolus dose administered, and bolus dose requested.
Results.
Patient demographics, initial NRS, and PCA duration were comparable between cohorts. NRS reduction in rest and movement was stronger in the Oral-
PCA cohort (rest: 1.61 and 2.27, P = 0.077; movement: 2.05 and 2.84, P = 0.039), indicating better pain control and mobility for Oral-PCA. Side effect rates were comparable between cohorts (9% and 11% of patients who experienced side effects, P = 1.000). The rate of technological difficulties was higher in the Oral-PCoA cohort (19.7% and 36.4%, P = 0.056). +e mean total bolus dose administered to patients was comparable in both cohorts (18.32 mg and 21.14 mg oxycodone, P = 0.270). However, the mean total boluses requested by patients during lockout intervals were lower in the Oral-PCA cohort (12.8 mg and 6.82 mg oxycodone, P = 0.004), indicating better pain control.
Conclusions.
Oral-PCA by using PCoA® Acute provides pain control and usability which is noninferior to the IV-PCA, as well as superior to pain reduction in rest and movement. These results, along with the noninvasiveness, medication flexibility, and reduced cost, suggest the potential of Oral-PCA, by using PCoA Acute, to replace IVPCA for postoperative analgesia.
Hintergrund: In der ICD-11 Definition von CPSP (chronic postsurgical pain) wird der negative Einfluss der Schmerzen auf die Lebensqualität hervorgehoben [1,2]. Somit fließt auch die schmerzbedingte physische und affektive Beeinträchtigung im Alltag als diagnostisches Kriterium ein.
Fragestellung: Wie ist die Inzidenz bei Anwendung der CPSP ICD-11 Definition und welche Inzidenz berechnet sich bei Anwendung früher publizierter Definitionen? Was sind Risikofaktoren für CPSP definiert nach ICD-11?
Methodik: Analyse des Registers PAIN OUT (Ethikvotum 20-02699). Datenerhebung zu klinischen Variablen sowie dem schmerzrelevanten Outcome postoperativ (validierte Patientenfragebögen) am 1. Tag und 12 Monate nach OP (BPI). PROs (patient-reported outcomes) wurden als Composite Score (NRS 0-10) aus Schmerz + schmerzbedingter funktioneller Beeinträchtigung für Tag 1 (PRO-1) und 12 Monate nach OP (PRO-12) dargestellt. Abhängig von Schmerzscores und Funktioneller Beeinträchtigung wurden Patienten 3 CPSPF-Gruppen zugeordnet: «kein CPSPF», «Mixed» (leichte Schmerzen und/oder funktionelle Beeinträchtigung) und «CPSPF». Endpunkte CPSPF: 1. Vergleich der Raten abhängig von der verwendeten Definition (publizierte Cut-offs für Schmerzscores vs. CPSPF); 2. Welche prä- und perioperativ erfassbaren klinischen Variablen sind mit CPSPF assoziiert? Ordinale Regressionsanalyse für die 3-stufige abhängige Variable CPSPF.
Ergebnisse: 2319 Patienten mit vollständigem Datensatz wurden ausgewertet. Den Gruppen CPSPF, Mixed und kein CPSPF werden 8,6%, 32,5% und 58,9% der Patienten zugeordnet. Wird CPSP definiert mit Cut-offs von NRS >0, ≥3 bzw. ≥4 beträgt die Inzidenz hingegen 37,5%, 9,7% und 5,7%. Wird das Kriterium berücksichtigt, dass Patienten mit vorbestehenden chronischen Schmerzen im OP-Gebiet nach 12 Monate eine Schmerzzunahme im Vergleich zu präoperativ haben, sinkt die CPSPF-Inzidenz auf 3,3%. Orthopädische OPs (OR (95%CI):2,6 (2,0-3,4)), vorbestehende Opioideinnahme (1,3 (1,2-2,8)), vorbestehende chronische Schmerzen (1,6 (1,3-2,0)) und Rücken-OPs (1,7 (1,0-2,7)) sind mit CPSPF assoziiert. Werden perioperativ erhobene Variablen mit einbezogen, verbessert sich die Modellanpassung (R2=0,193). Eine postoperative Opioidgabe erhöht das Risiko, Nichtopioidanalgetika wirken präventiv. Ein Anstieg des PRO-1 Scores um einen Punkt erhöht das Risiko für eine höhere CPSPF Einstufung um 20%.
Schlussfolgerung: Abhängig von der verwendeten Definition für CPSP errechnen sich erhebliche Unterschiede für die Inzidenz von CPSP. Der neue ICD-11 Code berücksichtigt schmerzbedingte funktionelle Beeinträchtigungen, lässt allerdings Fragen offen hinsichtlich Intensität und Qualität der Schmerzen bei Patienten mit vorbestehenden chronischen Schmerzen. Neben bekannten Risikofaktoren sind auch einige perioperative Faktoren wie Analgetikagabe und PROs der ersten 24 Stunden mit CPSPF assoziiert. Eine differenziertere Betrachtung von CPSP hat auch Implikationen für Prophylaxe und Therapie.
Einleitung: Die körperliche Aktivität zeigt bekanntlich positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit, insbesondere nach operativen Eingriffen ist eine frühzeitige Mobilisation wichtig. Jedoch bringen die multidimensionalen Eigenschaften von körperlicher Aktivität große Herausforderungen mit sich. Subjektive Erhebungen machen aktuell einen Großteil der Aktivitätseinschätzungen aus, obwohl objektive Ergebnisse vorteilhafter sein können. Aus diesem Grund werden valide und umsetzbare Alternativen benötigt, welche objektive Bewertungen ermöglichen. Wir haben uns zum Ziel gemacht die Praktikabilität des Einsatzes von Activity Trackern zur postoperativen Aktivitätsmessung im klinischen Setting zu untersuchen.
Material/Methoden: Den zustimmenden Teilnehmern der IMI-PainCare- PROMPT-Studie wurde zusätzlich zu den Befragungen bis zum achten postoperativen Tag ein Aktivitätsmesser am Handgelenk angelegt. Wir betrachten die Teilnahmebereitschaft inklusive aufgetretener Ablehnungsgründe, die durchschnittliche Tragedauer, sowie die Rückgabemodalitäten und Geräteverluste.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 154 Patienten in die Auswertung zur Teilnahmebereitschaft eingeschlossen. Für weitere Analysen standen uns von 73 Patienten (47,4%) Aktivitätsdaten zur Verfügung. Diese erreichten im Schnitt 4,6 valide Tage (≥ 18 Stunden) mit einer durchschnittlichen Tragezeit von 22,9 Stunden/Tag. Die Rückgabe der Geräte erfolgte ebenfalls zuverlässig auch ohne zusätzliche Erinnerungen. Wir verzeichneten nur einen Geräteverlust.
Schlussfolgerung: Die zufriedenstellende Anzahl an validen Tagen machen Aussagen hinsichtlich der körperlichen Aktivität möglich. Im Zusammenhang mit unseren positiven Erfahrungen können wir sagen, dass Aktivitätsmesser eine gute Alternative sein können und das Potential besitzen subjektive Erhebungen im klinischen Alltag zu ergänzen. Beachtet man populationsspezifische Gegebenheiten kann die Compliance positiv beeinflusst werden und in einer guten Datenerhebung resultieren.
Einleitung: Postoperative Schmerzen können nicht nur ein akutes, sondern im Verlauf auch ein chronisches Problem werden - daher ist es von hohem Stellenwert das postoperative Schmerzmanagement und das damit verbundene Outcome der Patienten zu optimieren. Die Qualitätssicherung kann durch Change-Management Konzepte erfolgen, wofür das QUIPS (Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie) Projekt die Grundlage ist. Mithilfe von Patient reported outcomes (PROMs) erfolgt dabei zunächst eine Erhebung des Ist-Zustands, gefolgt von einer Defizitanalyse, konkreten Verbesserungsmaßnahmen und einer erneuten Erhebung zur Überprüfung des Interventionserfolgs.
Material/Methoden: Von April bis November 2018 wurden 184 Patienten, sowie von Februar bis November 2020 223 Patienten nach stationärem kardio- bzw. thoraxchirurgischem Eingriff eingeschlossen. Die Befragung erfolgte am 1. - 5. postoperativen Tag auf den Normalstationen der Herz- und Thoraxchirurgie (HTC) des Universitätsklinikums Jena. Mithilfe des QUIPS Fragebogens wurden PROMS zur Schmerzintensität, Patientenzufriedenheit und -Aufklärung erfasst. Nach Defizitanalyse der ersten Befragung erfolgten verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Patienteninformation und Erhöhung der Verfügbarkeit von Bedarfsmedikation. Dabei wurden neben Schulungen des ärztlichen und pflegerischen Personals auch Poster und Flyer zur Patienteninformation entwickelt.
Ergebnisse: Auf der Station mit Patienten nach überwiegend thoraxchirurgischen Eingriffen lag der Maximalschmerz auf der numerischen Ratingskala (NRS) 2018 bei 6,4±2,5 und verbesserte sich 2020 auf 6,1±2,9. Die Patientenzufriedenheit (NRS) veränderte sich von 7,6±2,6 auf 7,7±2,2. 2018 gaben 73% der Patienten an über die Möglichkeiten der Schmerztherapie informiert zu sein, 2020 dann 83%.
Die ausgewählten Parameter wurden für die andere Station der HTC mit überwiegend Patienten nach herzchirurgischem Eingriff betrachtet. Dort veränderte sich der Maximalschmerz (NRS) von 6,4±2,4 auf 6,0±2,7. Die Patientenzufriedenheit (NRS) lag durchschnittlich 2018 bei 7,5±2,4 und 2020 bei 7,1±2,6. Die Patientenaufklärung verschlechterte sich von 74% auf 54%.
Schlussfolgerung: Die Untersuchung der Qualität der postoperativen Schmerztherapie mithilfe des QUIPS Projekts ermöglichte uns Defizite in der Patientenversorgung zu erkennen. Durch gezielte Maßnahmen in der Patientenaufklärung, sowie durch Schulung des ärztlichen und pflegerischen Personals gelang uns teilweise eine Verbesserung des Schmerzmanagements, sowie der Maximalschmerzen. Dabei gibt es weiterhin Unterschiede zwischen den Stationen.
Einleitung
Die Messung der Schmerzintensität ist eine Herausforderung bei Patient*innen, die ihr Schmerzniveau nicht direkt kommunizieren können. Entsprechende Fremdbeobachtungsskalen wurden bisher vor allem auf Intensivstationen etabliert. Eine Validierung solcher Messsysteme wie dem BESD [Bewertung von Schmerz bei Demenz] und dem BPS-NI [Behavioral painscale-nicht-Intubiert] für normalstationäre Patient*innen ohne kognitive Einschränkungen steht bislang aus.
Methoden
Die Studie erfolgte auf Normalstationen der Charité-Universitätsmedizin-Berlin. Patient*innen erhielten sequentiell Schmerzmessungen durch unabhängige Behandler anhand des BESD und des BPS-NI sowie der numericratingscale (NRS) als Goldstandard. Die Interrater-Reliabilität wurde mittels Cohens-Kappa ermittelt und eine ROC-Analyse zur Identifikation von Cut-Off Werten für BESD und BPS-NI für therapeutische Interventionen durchgeführt.
Ergebnisse
Insgesamt 126 Patienten konnten in die Analyse eingeschlossen werden. Der BPS-NI zeigte eine substantielle Übereinstimmung der Interrater-Reliabilität [Cohens-Kappa: 0,698], der BESD moderate Übereinstimmung [Kappa: 0.484]. Die AUC-ROC betrug 0,927 [BPS-NI] beziehungsweise 0,922 [BESD]. Basierend auf der ROC-Analyse konnten Cut-Off Werte etabliert werden: BESD≤2 und BPS-NI≤4 markieren niedrige Schmerzniveaus entsprechend einem NRS ≤ 3. Ab einem BESD≥3 beziehungsweise BPS-NI≥5 bestanden demnach interventionsbedürftigen Schmerzen entsprechend einem NRS ≥ 7. Die Cut-Off Werte der Fremdbeobachtungsskalen zeigen gute Übereinstimmungen mit der Selbsteinschätzung anhand der NRS (>80%).
Zusammenfassung und Diskussion
Der BPS-NI erscheint als valides Werkzeug zur Identifikation von therapiebedürftigen Schmerzen von kognitiv nicht-eingeschränkten Patienten auch auf der Normalstation. Für den BESD besteht eine lediglich moderate Interrater-Reliabilität. Die hohe AUC der ROC-Analyse bestätigen gute Klassifizierungseigenschaften beider Messsysteme. Anhand der Cut-off Werte können klinische Schmerzsituationen anhand von verhaltensbasierten Schmerzsscores im BESD und BPS-NI zuverlässig erkannt werden. Eine weitere Validierung der Cut-off-Werte gegebenenfalls auch in anderen Patientenpopulation wäre wünschenswert.
Hypnose statt Narkose – Ein Fallbericht zum erfolgreichen Einsatz bei einem „schwierigen Patienten“
Nach einer partiellen, traumatischen Ruptur der Subscapularissehne links, operativer Refixation und Anlage eines KISS-Katheters, entwickelte ein Patient eine Affektion des Plexus cervicobrachialis mit neuropathischen Schmerzen im Arm und ausgeprägter Allodynie des Zeigefingers. Alle Massnahmen, u. a. eine MMST zeigten keinen Effekt auf die Allodynie. Nur durch die lokale Infiltration von Botulinumtoxin A (off-label-use) am Zeigefinger kann eine vorübergehende Schmerzfreiheit, bzw. – reduktion über Wochen bewirkt werden. Wegen der ausgeprägten Allodynie verbunden mit starker vor einer Schmerzverstärkung während der Behandlung und begleitender Multimorbidität, war diese nur unter Narkose im kurzstationären Setting möglich. Da die Therapie alle 12 Wochen wiederholt werden muss, bedeutete dies jeweils einen hohen organisatorischen Aufwand, anästhesiologisches Risiko und Kosten. Deshalb wurde als Alternative die Behandlung unter Hypnose erwogen. Nach einem Vorgespräch und einer vorbereitenden hypnotherapeutischen Sitzung mit Einführung des Protokolls der „Handschuhanästhesie“ (Stenzel, A.) konnte die Behandlung unter Hypnose wiederholt problemlos durchgeführt werden. Ergänzend wird der Patient zur Selbsthypnose angeleitet mit dem Ziel einen anderen Umgang mit den Schmerzen zu erarbeiten.
Die Hypnose zählt zu den Entspannungsverfahren, besitzt aber die Besonderheit, durch den posthypnotischen Auftrag eine Wirkung über die Interventionszeit hinaus erzeugen zu können. Hypnotische Anwendungen wurden bereits im Altertum („Traumtempel“ in Ägypten und „Schlaftempel“ in Griechenland) zur Reduktion von körperlichen und psychischen Problemen genutzt und seit Ende des 18. Jahrhunderts erneut gezielt eingesetzt. Insbesondere in den 50/60-ger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde Hypnotherapie u. a. durch Milton Erickson auch zur Schmerztherapie weiter entwickelt. Die Wirksamkeit des Verfahrens zur Reduktion sowohl chronischer, wie auch akuter Schmerzen konnte in kontrollierten Studien nachgewiesen werden. Für das Verfahren bestehen kaum Kontraindikationen oder Nebenwirkungen. Durch Erlernen der Selbsthypnose kann Selbstwirksamkeit, als wichtiges Tool für Schmerzpatienten erzielt werden.
Dieser Fallbericht zeigt eindrucksvoll, dass sogar bei einem „schwierigem“ Patienten mit ausgeprägter Angst und Allodynie mit Notwendigkeit einer Botox-Behandlung unter Narkose bereits wenige, einführende Sitzungen genügen um mittels Hypnotherapie eine Analgesie zu erzeugen. Der breitere Einsatz und mehr klinische Studien sollen angeregt werden.
Einleitung: Die weltweit zunehmende Zulassung von medizinischen Cannabisprodukten führt zu wachsendem Interesse an der Anwendung von Cannabinoiden bei chronischer Schmerzsymptomatik. Aktuell wird eine globale prospektive Beobachtungsstudie durchgeführt, um medizinische Praxisdaten zur Verwendung von Cannabisprodukten von Spectrum Therapeutics (ST) bei Probanden mit nicht-malignen chronischen Schmerzindikationen aus Kanada, Deutschland und Australien zu sammeln. Diese Studie wird Informationen zur Dosierung von Cannabisprodukten, zur langfristigen Produktsicherheit, zur Wirksamkeit und zu Änderungen bei der Begleitmedikation liefern.
Methoden: Diese Beobachtungsstudie soll von März 2021 bis März 2023 an etwa 100 Standorten 1000 Probanden rekrutieren. In Deutschland werden Erwachsene zur Teilnahme eingeladen, denen ein Cannabis-Blüten-Produkt von ST für nicht-maligne chronische Schmerzindikationen verschrieben wird. Die Patienten werden ein Jahr lang beobachtet und es werden Daten zu demografischen Variablen, der Klassifizierung chronischer Schmerzen, früherem Cannabiskonsum, Behandlungszielen, Begleitmedikation(en), dem ST-Behandlungsschema, von Ärzten und Patienten berichteten Ergebnissen und zur Sicherheit erhoben. Die Studie umfasst fünf Arztbesuche (Einschlussuntersuchung und Folgeuntersuchungen nach 2, 4, 8 und 12 Monaten), sowie vier Erhebungen zu patientenbezogenen Endpunkten (Monate 1, 3, 6 und 10). Zur Untersuchung der Wirksamkeit werden die folgenden Skalen einbezogen: ‚Brief Pain Inventory‘ - Kurzform, ‚Euro Quality of Life Assessment‘, ‚Clinician Global Impression of Improvement‘ und ‚Patient Global Impression of Improvement‘. Unerwünschte Nebenwirkungen werden während der Studie kontinuierlich überwacht.
Zusammenfassung: Die Ergebnisse dieser Studie werden dazu beitragen, Gesundheitsbehörden und Ärzte darüber zu informieren, wie Cannabis zur Behandlung von nicht-malignen chronischen Schmerzindikationen eingeführt und sicher eingesetzt werden kann.
Hintergrund.
Da chronische Schmerzen und deren Behandlung eine große ökonomische Herausforderung darstellen und zu einer vermehrten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen führen, gewinnt eine wirksame und kosteneffektive Schmerzbehandlung immer mehr an Bedeutung. Zur Therapie chronischer Schmerzzustände hat sich die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) etabliert, deren Kosten-Nutzen-Verhältnis jedoch kontrovers diskutiert wird.
Zielsetzung / Fragestellung.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Veränderung der Inanspruchnahme von Leistungen und Kosten aus Sicht der Krankenkasse von chronischen Schmerzpatienten, die an einer vierwöchigen teilstationären IMST teilnahmen, vier Quartale vor und nach einer IMST zu untersuchen.
Material und Methoden.
Die Studie umfasst Leistungsabrechnungsdaten von 83 chronischen Schmerzpatienten der AOK Plus, die im Zeitraum von 2013 bis 2018 an einer IMST in der Schmerztagesklinik am Universitätsklinikum Jena teilgenommen haben. Anhand der Abrechnungsdaten wurden Häufigkeit und Kosten der in Anspruch genommenen vertragsärztlichen Behandlungen, Krankhausbehandlungen (ohne Kosten/Dauer der IMST), Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln und Rehabilitationsmaßnahmen sowie die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage (AU) vier Quartale vor und nach einer IMST verglichen. Die Studie betrachtet Ergebnisse, die sowohl die Inanspruchnahme von krankenkassenfinanzierten Gesundheitsleistungen im Allgemeinen widerspiegeln als auch Ergebnisse, die im Zusammenhang mit einer Schmerzdiagnose stehen.
Ergebnisse.
Es zeigte sich eine signifikante Reduktion der Ausgaben für Opioide, nicht jedoch der medikamentösen Gesamtkosten, eine signifikante Reduktion der Kosten für ambulante Arztbesuche, sowie ein signifikanter Anstieg der Krankenhauskosten bei hoher Streubreite. Die Summe der Kosten aller erfassten Leistungsbereiche lag vor der IMST im Median bei 2391,60 € (1. und 3. Quartil: 885,20 € - 4745,90 €) und betrug im Jahr nach der IMST 2208,30 € (1. und 3. Quartil: 877,90 € – 5888,30 €), nicht signifikant. Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage reduzierte sich im Median von 11 auf 9,5 Tage nach Absolvieren der IMST.
Schlussfolgerung.
Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich bei chronischen Schmerzpatienten vier Quartale nach einer IMST aus Sicht der Krankenkasse in einzelnen Leistungsbereichen Kostenreduktionen ergeben. Mögliche Einsparungen durch die Verringerung der AU-Tage sind dabei noch nicht berücksichtigt. Aufgrund des kleinen verfügbaren Studienkollektivs von 83 Patienten ist nicht auszuschließen, dass die Effekte durch die hohe Streubreite der Änderungen der individuellen Krankheitskosten verzerrt bzw. maskiert werden. Eine Differenzierung zwischen schmerzbezogenen Leistungen und Kosten für andere Indikationen ist, bis auf den Bereich der Analgetika (Opioide), nicht immer zuverlässig möglich.
Hintergrund:
Im VAPAIN-Projekt zur Erhebung der Effektivität der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie empfiehlt die VAPAIN-Initiative ein Core Outcome Set mit 8 Domänen, u.a. Wahrnehmung der Erreichung der Therapieziele aus Sicht der Patient:innen (Kaiser et al., 2018). Für die Domäne konnte kein entsprechendes Konzept konsentiert werden, sodass hierfür im Rahmen der Concept Elicitation ein neues Conceptual Model als Grundlage zur Erstellung eines Patient Reported Outcome Measure, unter Berücksichtigung der Perspektive der Patient:innen erstellt werden soll.
Methodik:
Die für die Domäne verwendete Methode Concept-Mapping stellt eine Kombination von qualitativen, datengenerierenden Verfahren (Fokusgruppen), sowie quantitativen Methoden (Ratings, Clusteranalyse etc.) dar (Trochim & Kane, 2005). Dabei entsteht zuerst ein Conceptual Model, aus dem heraus die erforderlichen Items gebildet werden. Im ersten Teilsegment des Gesamtprozesses formulierten Patient:innen in Kleingruppen (12/2019-07/2020; n=30; 90 min.; Alter: MW=51,67/SD=7,13; 43% weiblich) in einem Brainstorming subjektiv relevante Therapieziele. Anschließend wurden die Aussagen mittels eines OnlineSurveys (Sosci) von Patientenvertreter:innen aus dem gesamten Bundesgebiet ergänzt und auf Verständlichkeit geprüft (12/2020-01/2021; n=15; Alter: MW= 63,71/SD=13,33; 85% weiblich) . Im zweiten Schritt wurden die Ergebnisse des Brainstorming-Prozesses innerhalb neuer Fokusgruppen (02/2021-05/2021; n=31; 120 min.; Alter: MW=47,35/ SD=8,6; 48% weiblich) nach Ähnlichkeit sortiert und in einem weiterführenden Rating-Fragebogen nach Wichtigkeit (1 gar nicht wichtig/5 völlig wichtig) bewertet. In einer multidimensionalen Skalierung mit der darauffolgenden Auswertung innerhalb einer hierarchischen Clusteranalyse (n=30 Patient:innendaten aus Schritt 2) wurde die Concept-Map (Conceptual Model) für die finale Benennung der Cluster erstellt, welche im vierten und letzten Schritt mit den Auswertungsergebnissen der Statistik sowie den Resultaten des Wichtigkeitsratings im Forschungsteam benannt werden.
Ergebnisse:
Derzeit liegen 3 verschiedene Konzeptlösungen (10; 12; 15-Clusterlösung) für die finale Benennung vor. Hierin sind, gemäß dem bio-psycho-sozialen Gesamtkonstruktes, 53 somatisch funktionelle; 112 psychische und 21 soziale Items enthalten.
Diskussion:
Durch die bisherige Auseinandersetzung mit den Therapiezielen unter Einschluss der Sichtweisen aus den Fokusgruppen und den quantitativen Analyseverfahren ergibt sich ein tieferes Verständnis der Domäne in Form eines Conceptual Models und damit die Inhaltsvalidität begründen soll. Nach der Cluster-Benennung sollen die finalen Items von Patient:innen mittels Online Survey zur Itemkonstruktion hinsichtlich Verständlichkeit und Relevanz für das Konstruktverständnis bewertet werden.
Hintergrund
Eine Vielzahl von Befunden weist darauf hin, dass die Behandlungserwartung zu Beginn einer Psychotherapie Einfluss auf die Wirksamkeit einer psychotherapeutischen Intervention hat. Auch bei Patienten mit chronischen Schmerzen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit positiven Behandlungserwartungen nach KVT über mehr Bewältigungsstrategien, eine höhere Selbstwirksamkeit und ein höheres Wohlbefinden berichteten. Obwohl die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) als Goldstandard für die Therapie chronischer Schmerzen gilt, wurde die Bedeutung der Behandlungserwartung für die IMST bisher vernachlässigt.
Fragestellung
Ziel dieser Studie ist es, den prädiktiven Wert der Behandlungserwartung vor Behandlungsbeginn für die Wirksamkeit einer zweiwöchigen stationären IMST in einem naturalistischen Setting (IMST einer Universitätsklinik) zu untersuchen. Da die Daten noch nicht vollständig vorliegen, sollen im Folgenden das geplante Vorgehen für die statistische Auswertung sowie mögliche Implikationen der Studie beschrieben werden.
Methodik
367 Patienten mit chronischen Schmerzen (ICD-10 Diagnose F45.41, F45.40 oder mit Schmerz einhergehender somatischer Erkrankung, 70% weiblich, Alter 19 – 82 Jahre, M = 51 Jahre) nahmen an einer zweiwöchigen stationären IMST teil. Per Fragebogen wurden die Core-Outcome-Maße für chronische Schmerzen (in Anlehnung an IMMPACT Empfehlungen) vor Beginn der stationären Therapie (T0), 2 Wochen nach der stationären Therapie (T1) sowie nach 6 Monaten (T2) erfasst. Die Behandlungserwartung wurde ebenfalls mittels Fragebogen (FMP, Skala: allgemeine Behandlungserwartung und Behandlungseinstellung) erfasst.
Statistische Auswertung
Die Wirksamkeit der IMST soll mittels ANOVA mit Messwiederholung untersucht werden. Der Zusammenhang der Behandlungserwartung mit der Wirksamkeit soll mittels graphischer Kettenmodelle (SEM) untersucht werden. Als Zielgrößen (ZG) wird die Schmerzintensität, schmerzbedingte Beeinträchtigung sowie gesundheitsbezogene Lebensqualität zu T1 und T2 definiert. Als vermittelnde Variable (VV) definieren wir die Behandlungserwartung zu T0 sowie deren Veränderung im Behandlungsverlauf. Als Einflussgröße (EFG) definieren wir die Schmerzchronifizierung, Geschlecht, Alter und Depressivität. Zusammenhänge zwischen ZG, VV und EFG werden mittels multipler (für numerische) bzw. logistischer Regression (für kategoriale Variablen) untersucht.
Diskussion
Obwohl die Wirksamkeit der IMST wiederholt belegt werden konnte, gibt es weiterhin eine Vielzahl von Patienten, die von den stationären Therapieangeboten nicht profitieren. Ein besseres Verständnis für die Rolle der Behandlungserwartung könnte künftig genauere Therapieprognosen (für wen wirkt IMST) ermöglichen. Auch könnte die Wirksamkeit von Interventionen künftig gezielt durch das Induzieren positiver Behandlungserwartungen optimiert werden. Weitere Implikationen der Ergebnisse sowie Limitationen der Studie werden diskutiert.
Hintergrund
Im VAPAIN-Projekt wurden 8 Outcome-Domänen zur Erfassung der Wirksamkeit der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) konsentiert (Core Outcome Domain Set). Für diese Domänen soll im Rahmen des EVaSIMST-Projektes (DFG-Fördernr.:KO 5540/1-1) ein Core-Outcome-Measurement Instrument Set (COS-MI) für die IMST entwickelt und evaluiert werden.
Schmerz wird als ein biopsychosoziales Phänomen mit somatischen, kognitiven, emotionalen und Verhaltensaspekten verstanden. In früheren Schritten wurde mit Patienten und klinischen sowie wissenschaftlichen Vertretern der IMST als auch in Fokusgruppen mit Betroffenen das conceptual model (patient reported outcome) erarbeitet, das Grundlage für die Sicherstellung der Inhaltsvalidität eines späteren patient reported outcome measurement (PROM) sein wird.
Ziel der hier vorgestellten Arbeit ist die Erstellung eines Pilotinstruments als Vorversion eines inhaltsvaliden PROMs.
Methoden
Aufgrund der Ergebnisse aus der vorhergehenden Inhaltsanalyse von Patientenbeschreibungen der Farbbereiche grün, gelb und rot ergaben sich 9 Kategorien, anhand derer sich die Farbbereiche sprachlich tatsächlich trennen lassen. Instruktionen für die Skalenbearbeitung wurden in einem Teamprozess erarbeitet und werden aktuell in einem Online-Survey (via Sosci) sowie mit einer Papierversion durch Patienten aus Selbsthilfegruppen und aus IMST-Einrichtungen hinsichtlich ihrer Verständlichkeit und Konstruktrepräsentativität bewertet. Die Befragung läuft zwischen 05 und 06/2021 und wird mindestens 20 Patienten einschließen. Items müssen von mindestens 70% der Patienten als verständlich eingeschätzt, um in die weiteren Schritte aufgenommen zu werden. Die Einschätzungen zur Konstruktrepräsentativität werden deskriptiv ausgewertet und dienen als Grundlage für die Anpassung und Finalisierung der Instruktionen der Schmerzskala.
Ergebnisse
Es wird das Pilotinstrument sowie die Ergebnisse der Befragung zur Verständlichkeit und Konstruktrepräsentanz vorgestellt und kritisch diskutiert.
Ausblick
Das Pilotinstrument wird abschließend vor der Validierung durch kognitive Interviews noch einmal auf Verständlichkeit geprüft. Dieser Schritt befindet sich derzeit in Vorbereitung und wird im Herbst 2021 abgeschlossen sein. Dann steht die neue Schmerzskala für eine Validierung in einer breiten Patientenpopulation und in Einrichtungen mit IMST für chronische Schmerzen zur Verfügung.
Hintergrund
Aktuelle Behandlungskonzepte chronischer nichttumorbedingter Schmerzen empfehlen einen differenzierten Schmerztherapie unter Berücksichtigung pathophysiologischer Ursachen. Moderne stark wirksame Analgetika – wie z.B. das dual-wirksame Tapentadol (TAP) – zeigen aufgrund ihres spezifisch(er)en Wirkmechanismus in kontrollierten Studien im Vergleich zu typischen oral retardierten Opioiden (sog. long-acting opioids, LAO) eine vergleichbare analgetische Wirkung bei signifikant besserer Verträglichkeit, deren klinische Relevanz für den Praxisalltag bislang jedoch weitestgehend unerforscht blieb.
Methodik
Explorative retrospektive Längsschnittanalyse depersonalisierter Daten des DGS-PraxisRegister Schmerz zum 12-wöchigen (W12) Behandlungsverlauf von – via Propensity Score Matching (PSM, NN/WOR, Caliper 0,15) bzgl. Alter, Geschlecht, Erkrankungsdauer, Schmerzintensität, Bowel Function Index (BFI), Begleiterkrankungen und analgetischen Vortherapien – bei Baseline (BL) vergleichbaren Kohorten erwachsener Patienten mit Kreuz-/Rückenschmerzen (M40-M54), die nach unzureichender Wirkung/Verträglichkeit von WHO-1/2 Analgetika entweder auf TAP oder LAO (Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon±Naloxon) umgestellt wurden. Primärer Endpunkt in Form einer kombinierten Responderanalyse unter Berücksichtigung von Darmfunktion (BFI), 24-Std. Schmerzintensität (PIX), schmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigungen (mPDI), körperlicher/seelischer Lebensqualität und UAW-bedingtem Behandlungsabbruch.
Ergebnisse
Von den bis zum Stichtag der Analyse (31.12.2019) dokumentierten 260.013 PRS-Patienten erhielten 72.391 (27,8%) eine Therapie mit WHO-3 Analgetika, davon 15.506/28.542 (6,0/11,0%) mit TAP/LAO. 8.606/13.957 Fälle erfüllten die Ein-/Ausschlusskriterien, von denen nach PSM jeweils 2.331 (275/2056 nach WHO1/2) in die Analyse einbezogen werden konnten.
Insgesamt erfüllten unter TAP/LAO 1531/331 Patienten (65,7/14,2%) die Kriterien der primären Endpunktanalyse [p<0,001; Odds Ratio: 11,6 (95%-KI: 10,0-13,4), relatives Risiko: 2,9 (95%-KI: 2,6-3,2); NNT: 2] und dokumentierten damit eine signifikant bessere Wirkung/Verträglichkeit von TAP vs. LAO. TAP zeigte vs. LAO nicht nur in allen Endpunkten der Wirksamkeitsanalyse signifikant höhere Responseraten [BFI: 98,7/33,5% (NNT=2), VR12PCS: 50,1/36,6% (NNT=7), VR12MCS: 24,9/18,3% (NNT=15), mPDI: 58,0/38,6% (NNT=5) und PIX: 61,5/38,9% (NNT=4; p < 0,001 für alle)], sondern auch eine signifikant geringere Häufigkeit an UAW (430 vs. 1091), Patienten mit UAW (13,0 vs. 36,9%) UAW-bedingten Behandlungsabbrüchen (7,4 vs. 22,9%; p < 0,001 für alle).
Schlussfolgerungen
TAP zeigt im Vergleich mit LAO bei Patienten mit Kreuz-/Rückenschmerzen und einem bzgl. WHO-1/2-Analgetika unzureichendem Behandlungserfolg eine signifikant bessere analgetische Wirkung und Verträglichkeit sowie signifikant geringere UAW-bedingte Abbruchrate.
Ein Versorgungsforschungsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) unterstützt durch einen „unrestricted scientific grant“ der Firma Grünenthal.
Hintergrund
Die Obstipation durch Opioidanalgetika (opioid induced constipation, OIC) interferiert mit der analgetischen Wirkung, ist häufig Anlass für medikamentöse Zusatztherapien mit Laxanzien und/oder eine Unterdosierung der Opioidtherapien und führt nicht selten zu einem vorzeitigen Behandlungsabbruch. Das dual-wirksame Tapentadol (TAP) zeigt in Studien aufgrund seiner geringeren Opioidrezeptoraktivität ein im Vergleich zu typischen oral retardierten Opioidanalgetika (long-acting opioids, LAO) günstigeres gastrointestinales Verträglichkeitsprofil, dessen klinische Relevanz für den Praxisalltag bislang weitestgehend unerforscht blieb.
Methodik
Explorative retrospektive Längsschnittanalyse depersonalisierter Daten des DGS-PraxisRegister Schmerz zum 12-wöchigen (W12) Behandlungsverlauf von – via Propensity Score Matching (PSM, NN/WOR, Caliper 0,15) bzgl. Alter, Geschlecht, Erkrankungsdauer, Schmerzintensität, Bowel Function Index (BFI), Begleiterkrankungen und analgetischen Vortherapien – bei Baseline (BL) biometrisch vergleichbarer Kohorten erwachsener Patienten mit Kreuz-/Rückenschmerzen (M40-M54), die nach unzureichender Wirkung/Verträglichkeit von WHO-1/2 Analgetika entweder auf TAP oder LAO (Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon±Naloxon) umgestellt wurden. Sekundäre Verträglichkeitsendpunkte waren das Ausmaß der BFI-Änderung unter Therapie, der Anteil Patienten mit einem unauffälligen Stuhlverhalten (BFI ≤ 28,8), sowie der Einsatz frei verkäuflicher (OTC) bzw. rezeptierter (RX) Laxanzien (LAX).
Ergebnisse
Von den bis zum Stichtag der Analyse (31.12.2019) dokumentierten 260.013 Patienten erhielten 72.391 (27,8%) eine Therapie mit WHO-3 Analgetika, davon 15.506/28.542 (6,0/11,0%) mit TAP/LAO. 8.606/13.957 Fälle erfüllten die Ein-/Ausschlusskriterien, von denen nach PSM jeweils 2.331 (275/2056 nach WHO1/2) in die Analyse einbezogen werden konnten.
Ausgehend von identischen BFI-Werten bei BL (25,3±18,1 mm VAS, 95%-KI: 24,5-26,1) zeigte sich bei W12 unter LAO ein BFI-Anstieg auf 55,5±32,1 (54,0-57,0) und unter TAP ein Rückgang auf 19,9±17,0 (19,1-20,7) mm VAS (jeweils p < 0,001 vs. BL und für Zwischengruppenunterschied), entsprechend einer BFI-Änderung von 30,2/-5,4 mm VAS bzw. 40,4/-7,2 % vs. BL (jeweils p < 0,001). Einen Anstieg ≥ 12mmVAS (MCID für BFI) bei W12 vs. BL dokumentierten unter LAO/TAP 66,5/1,3%, einen BFI-Wert im Referenzbereich 26,3/76,4% (jeweils p < 0,001). Bei vergleichbarem Bedarf an OTC/RX LAX bei BL unter LAO vs. TAP (36,3/27,5 vs. 36,2/27,6%; p = 0,926) zeigte sich bis W12 unter LAO ein Anstieg auf 53,7/66,8% (p < 0,001 vs. BL) und für TAP ein Rückgang auf 28,3/11,9% (p < 0,001 vs. LAO). Insgesamt dokumentierten unter LAO/TAP bei BL 46,1/46,2% (p=0,901) und bei W12 75,3/31,7% aller Patienten den Einsatz von Laxanzien (OTC±RX; p < 0,001).
Schlussfolgerungen
Die 12-Wochentherapie mit TAP führt im Vergleich zu LAO zu einer signifikant geringeren OIC und einem signifikant geringeren Bedarf an OTC/RX-Laxanzien.
Ein Versorgungsforschungsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) unterstützt durch einen „unrestricted scientific grant“ der Firma Grünenthal.
Hintergrund: Das Dehnen von Muskulatur ist in Physiotherapie und Sport zur Verbesserung der Beweglichkeit, zur Verletzungsprophylaxe und der Leistungssteigerung weitverbreitet. Die Effekte des Dehnens sind jedoch nur von kurzer Dauer und vorrangig werden eine erhöhte Dehntoleranz sowie viskoelastische Veränderungen der Muskulatur verantwortlich gemacht. Ähnliche Effekte auf das Nervensystem und die Muskulatur konnten ebenfalls durch Entspannungstechniken nachgewiesen werden, welche sich zusätzlich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken. Zusammenhänge zwischen psychischem Stress und der Dehnfähigkeit sind bisher jedoch kaum untersucht.
Fragstellung: Kann Autogenes Training einen Einfluss auf die funktionelle Dehnfähigkeit, die Muskelaktivität und -steifigkeit der ischiokruralen Muskulatur sowie den wahrgenommenen Stress gesunder Frauen haben?
Material und Methoden: Eine Stichprobe von 12 Probandinnen (Alter: 22,9 ± 1,88) wurde randomisiert in eine Experimental- (n=6) und eine Kontrollgruppe (n=6) eingeteilt. Die Experimentalgruppe führte „Autogenes Training“ durch, während die Kontrollgruppe die „Montreal Imaging Stress Task“, ein Stress-Induktions-Protokoll, durchführte. Beide Gruppen unterzogen sich, vor und nach der jeweiligen Intervention, derselben Testung. Diese bestand aus dem „Perceived Stress Questionnaire“, dem „Toe Touch Test“ und „Passive Straight Leg Raise Test“ sowie Messungen mit Oberflächen-Elektromyografie und Ultraschall Scherwellen-Elastografie.
Ergebnisse: Die Experimentalgruppe konnte den wahrgenommenen Stress statistisch signifikant verringern (p=0,027), während die Kontrollgruppe hier eine signifikante Steigerung zeigte (p=0,028). Die Kontrollgruppe zeigte in allen anderen Messungen keine Veränderungen, die Experimentalgruppe verbesserte jedoch die funktionelle Dehnfähigkeit im „Toe Touch Test“ statistisch signifikant (p=0,046).
Schlussfolgerung: Autogenes Training scheint eine geeignete und schnell zu erlernende Intervention zu sein, um kurzfristig den wahrgenommenen Stress zu verringern sowie die funktionelle Dehnfähigkeit in Bewegungen wie beispielsweise dem Berühren der Zehen zu verbessern. Da keine physiologischen Veränderungen der ischiokruralen Muskulatur festgestellt werden konnten, liegt die Annahme nahe, dass Autogenes Training die Toleranz gegenüber dem Dehnschmerz beeinflussen kann.
Hintergrund: Die klinische Präsentation von nackenbedingten Armschmerzen ist heterogen hinsichtlich der unterschiedlichen zugrundeliegenden Schmerztypen (nozizeptiv/neuropathisch/gemischt) und Schmerzmechanismen (periphere/zentrale Sensibilisierung) (1). Hierzu wurde eine mechanismusbasierte klinische Klassifikation vorgeschlagen, welche in (A) somatische Schmerzen, (B) erhöhte neurale Mechanosensitivität, (C) radikuläre Schmerzen, (D) Radikulopathie und gemischte Schmerzpräsentationen klassifiziert (2). Ziel dieser Studie ist es, (i) die Anwendung der Klassifikation bei Patient:innen mit nackenbedingten Armschmerzen zu evaluieren (ii) sowie das somatosensorische, klinische und psychosoziale Profil zu bestimmen.
Fragestellung: Gibt es Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der somatosensorischen und psychosozialen Profile?
Material und Methode: Die Studie befindet sich in der Durchführungsphase. Eine Rekrutierung von 180 Proband:innen mit einseitigen nackenbedingten Armschmerzen ist geplant. Die Proband:innen werden nach der vorgeschlagenen klinischen Klassifikation in die passende Subgruppe eingeteilt. Standardisierte Messungen mit der Quantitativ Sensorischen Testung (QST) werden im Hauptschmerzbereich und auf der kontralateralen Seite durchgeführt (3). Fragebögen zur Ermittlung, der Funktion (Neck Disability Index), der psychosozialen Faktoren (Tampa Scale of Kinesiophobia, Pain Catastrophizing Scale, Depression, Angst- und Stress-Skala), der neuropathischen Schmerzen (Douleur Neuropathique 4 Questions, PainDETECT Questionnaire) und der zentralen Sensibilisierung (Central Sensitization Inventory) werden erhoben. Die Unterschiede der QST-Daten sowie der Fragebogenergebnisse zwischen den Gruppen werden mittels (M)AN(C)OVA und/oder Regressionsmodellen analysiert.
Ergebnisse: Bisher nahmen 62 Proband:innen an der Studie teil. Zwischenergebnisse werden auf dem Deutschen Schmerzkongress präsentiert.
Das Poster stellt als Fallbeispiel den Behandlungsverlauf einer 20 jährigen Patientin dar, die 3/2021 zur stationären multimodalen Schmerztherapie aufgenommen wurde. Vordiagnostisch bestand CRPS Typ I beider Füße, einseitig nach Tendinitis, auf der anderen Seite nach Sturz im Krankenhaus mit MFK-5-Fraktur, somit gesetzlich unfallversichert. Im Verlauf erfolgte auswärts eine operative, schmerztherapeutische und psychosomatische Behandlung zu Lasten der BG. Die psychosomatische Rehabilitation wurde nach nur einwöchiger Behandlung bei fraglicher Indikation zur orthopädischen Rehabilitation abgebrochen. Es folgte eine ca. 8-monatige orthopädische Rehabilitationsbehandlung mit Verschlechterung. Die Patientin war seit der Fraktur 11/19 fast ausnahmslos im Rollstuhl mobil, auch im Verhalten zeigte sie sich pseudoquerschnittsgelähmt.
Verlauf:
Die Patientin wurde bei uns medizinisch, ergotherapeutisch, physiotherapeutisch und psychotherapeutisch behandelt. Medizinisch konnte die CRPS Diagnose nur einseitig als mögliches Residuum bestätigt werden. BG-lich bestand somatisch objektivierbar lediglich eine Narbenneuralgie sowie die fraglich iatrogene Dekonditionierung.
Schmerzmedikamentös hatten sich bei der Patientin vor Aufnahme alle erdenklichen Schmerzmedikamente bis hin zu Schmerzkathetern während der vorangegangenen Reha als nicht wirklich wirksam erwiesen. Daher wurden alle nicht wirksam lindernden Medikamente abgesetzt (Wambach et. al., 2001). Von Anfang an zeigte die Patientin einen psychosomatischen Umgang mit Stressbelastungen und unfallunabhängige Belastungsfaktoren, so dass besonderes Augenmerk auf die psychotherapeutische Behandlung gelegt wurde. So nahm die Patientin nicht nur an Schmerzpsychotherapie teil, sondern erhielt zusätzlich Traumatherapie (Schmelzer-Schmied et.al., 2006). Im interdisziplinären Zusammenspiel aller Disziplinen führte dies zu einem beachtlichen Erfolg bei der Patientin, so dass sie bis hin zu Unterarmgehstützen, weg vom Rollstuhl mobilisiert werden konnte. Jedoch zeigte sich im gesamten Verlauf ein strukturell dissoziativer Umgang mit Konflikten und belastenden Lebensereignissen, der weitere Psychotherapie notwendig erscheinen lässt und auf eine mögliche ungünstige Langzeitprognose hinweist.
Diskussionswürdig bei diesem Fall ist zum einen die fraglich iatrogene Verschlechterung durch unzureichende Berücksichtigung psychischer Faktoren und passive Therapie. Zudem zeigt der Fall, dass innerhalb der multimodalen Schmerzmedizin der hier unfallunabhängige psychische Beschwerdeanteil eine klare Zuteilung von chronischen Schmerzen zu Lasten eines singulären Unfallereignisses bzw. der DGUV verhindert.
Hintergrund: Der „Douleur Neuropatique en 4 Questions“ (DN4)-Fragebogen [1] ist ein Screening-Tool zur Identifikation neuropathischer Schmerzen (NeP). Er enthält sieben Fragen über spezifische Schmerzdeskriptoren, die mit ‚ja‘ oder ‚nein‘ beantwortet werden können. Die validierte französische Version des DN4-Fragebogens wurde in Englisch übersetzt, aber die Gütekriterien der englischen Version wurden bisher nicht untersucht.
Fragestellung: Ist die englische „self report“-Version des DN4-Fragebogens bezüglich wiederholter Messungen in einem kurzen Zeitabstand von vor und nach der klinischen Untersuchung sowie bei einem längeren Zeitabstand von einer Woche reliabel?
Material und Methoden: Die Probandenrekrutierung fand im „Department of Pain Management“ und der „Neurosurgery Spinal Clinic“ am „Sir Charles Gairdner Hospital“ in Perth (Australien) statt. Zur Ermittlung der Kurzzeitreliabilität füllten Teilnehmer*innen den DN4 unmittelbar vor (T0) sowie nach (T1) der klinischen Untersuchung aus, für die Langzeitreliabilität nochmals eine Woche später (T2). Dazu wurde der DN4 gemeinsam mit der „Patient Global Impression of Change (PGIC) Scale“ [2] per Post zugeschickt. Durch diese Skala wurden mögliche Veränderungen der Symptome erfasst. Die PGIC-Skala enthält sieben Antwortmöglichkeiten von „very much improved“ (1) über „no change“ (4) bis „very much worse“ (7). Proband*innen, dessen Symptome sich wesentlich verändert hatten (Antwort < 3 oder > 5) wurden von der Langzeitanalyse ausgeschlossen.
Ergebnisse: Insgesamt nahmen 222 Proband*innen (Durchschnittsalter 56,3±15,8 Jahre, 56% weiblich) teil. Für die Kurzzeitanalyse (T0-T1) konnten Daten von 215, für die Langzeitanalyse Daten von 103 Teilnehmer*innen eingeschlossen werden. Die Übereinstimmung der Gesamtpunktzahlen des DN4 wurde mithilfe des „weighted“ Cohen’s Kappa analysiert. Dieser belief sich im Messzeitraum T0-T1 auf 0.891 (95%-KI: 0.758-1.024) und T0-T2 auf 0.850 (95%-KI: 0.657-1.043). Für die einzelnen sieben Fragen wurde der „unweighted“ Kappa berechnet. Für T0-T1 ergaben sich die Werte 0.835 („burning“), 0.767 („painful cold“), 0.795 („electric shocks“), 0.798 („tingling“), 0.809 („pins and needles“), 0.811 („numbness”) und 0.807 („itching”), für T0-T2 die Werte 0.714, 0.651, 0.784, 0.657, 0.582, 0.722, 0.706 und 0.733. Die Einordnung in „NeP“ und „kein NeP“ mit einem Cut off-Wert von drei ergab für das Messintervall T0-T1 einen Kappawert von 0.835 (95%-KI: 0.755-0.915), für T0-T2 lag dieser bei 0.733 (95%-KI: 0.598-0.868).
Schlussfolgerung: Die englische „self report“-Version des DN4-Fragebogens zeigt gute bis sehr gute Ergebnisse für die Kurzzeitreliabilität sowie moderate bis sehr gute Ergebnisse für die Langzeitreliabilität [3]. Damit ist der Fragebogen sowohl für ein kurzes als auch längeres Zeitintervall reliabel. Die Validität muss im weiteren Verlauf untersucht werden.
Hintergrund: Schmerz ist ein Phänomen mit hoher Prävalenz in der stationären Altenhilfe [1-4]. Auswirkungen zeigen sich im Sinne des biopsychosozialen Modells auf die körperliche Funktionsfähigkeit, die Psyche und die soziale Teilhabe. Höchst relevant ist in diesem Kontext die Stabilität der erlebten Schmerzsituation. Darunter wird eine für den Betroffenen akzeptable Situation ohne weiteren therapeutischen Veränderungsbedarf verstanden. Im pflegerischen Schmerzassessment werden relevante Kriterien für eine (in)stabile Schmerzsituation erfasst und sind Grundlage zur Erstellung des Behandlungsplans [5]. Im Rahmen der c-RCT PIASMA (Projekt zur Implementierung eines adäquaten Schmerzmanagements in der Altenhilfe; 2016-2018) wurde neben der Untersuchung von Bewohner*innen (BW) mit Schmerzen eine standardisierte Befragung von Pflegefachkräften (PF) zum Schmerzmanagement, die u.a. auch die Erfassung der Schmerz(in)stabilität berücksichtigt, durchgeführt [5].
Fragestellung: Welche Kriterien werden von PF zur Entscheidung zwischen einer stabilen und instabilen Schmerzsituation herangezogen?
Methode: PF aus 15 zufällig ausgewählten Einrichtungen eines Altenheimbetreibers in Bayern wurden mittels standardisierter Online-Befragung zum pflegerischen Schmerzmanagement befragt. Das Poster zeigt die Einschätzung von PF zur Schmerz(in)stabilität bei (nicht-) auskunftsfähigen BW nach Umsetzung der Edukationsmaßnahmen (Interventionsphase) der PF zum Zweiterhebungszeitpunkt (t1) der c-RCT.
Ergebnisse: Insgesamt nahmen zu t1 n=129 PF an der Erhebung teil. Beinahe alle PF (98,4%) unterscheiden bei auskunftsfähigen BW zwischen akuten und chronischen Schmerzen (Leitkriterium: Schmerzdauer über 3 Monate). Diese Gruppe wurde weiter befragt, welche Kriterien sie zur Einschätzung der Schmerzstabilität heranziehen. Dabei finden PF es am wichtigsten, dass die BW mit ihrer Schmerzsituation zufrieden sind. Bei nicht-auskunftsfähigen BW unterscheiden 86,8% zwischen akuten und chronischen Schmerzen und nennen als wichtigstes Kriterium zur Einschätzung der Schmerzstabilität, dass BW einen ruhigen und ausgeglichenen Eindruck machen. Ein Kriterium, das u.a. unabhängig von der kognitiven Leistung der BW als wichtig erachtet wird, umfasst die Orientierung der Zielkriterien an der Lebenswelt der BW. Kriterien bei auskunftsfähigen BW wurde im Vergleich zu nicht-auskunftsfähigen BW eine höhere Wichtigkeit beigemessen.
Diskussion und Schlussfolgerung: Im Zuge des ersten Schritts im Prozess des pflegerischen Schmerzmanagements folgt bei vorhandenen Schmerzen (akut/chronisch) auch die Differenzierung der Schmerzsituation (stabil/instabil). Diese pflegediagnostische Festlegung ist essenziell für die weitere Zielformulierung und die Erstellung des Behandlungsplans. Die von den PF mit hoher Wichtigkeit eingeschätzten Kriterien zur Schmerzstabilität nehmen auch in den Ausführungen des Expertenstandards „Schmerzmanagement in der Pflege“ einen wesentlichen Stellenwert ein [6].
Fragestellung:
Vor dem Hintergrund des Einflusses von Emotionen auf das chronische Schmerzerleben soll mit dieser Untersuchung erfasst werden, wie sich Patient*innen mit chronischen Schmerzen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten zur Wahrnehmung, Expression und Regulation von Emotionen selbst einschätzen. Gleichzeitig soll der Abgleich mit der psychologischen Fremdbeurteilung erfolgen: Stimmt die Selbstbeurteilung mit der Fremdbeurteilung überein?
Methoden:
Die Studie fand im Rahmen einer interdisziplinären tagesklinischen Schmerztherapie an n=184 Proband*innen (72.8% weiblich, MW=50.06 Jahre) statt. Die emotionale Kompetenz wurde mittels der Selbst- und Fremdbeurteilungsskalen des Emotionalen-Kompetenz- Fragebogens (Rindermann, 2009) ermittelt. Die Fremdbeurteilung der Patient*innen erfolgte, im Sinne eines methodischen within-Designs, durch die behandelnden psychologischen Bezugstherapeut*innen. Die Items hierzu waren analog zu denen der Selbstbeurteilung. Die daraus resultierenden normenbasierten z-standardisierten Werte wurden deskriptiv analysiert. Die einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung dienten der Erfassung relevanter Unterschiede.
Ergebnisse:
Die Patient*innen mit chronischen Schmerzen beurteilen sich selbst hinsichtlich ihrer emotionalen Kompetenz als durchschnittlich (Selbstbeurteilung: z=99.52). Die psychologische Fremdbeurteilung fällt im Mittel deutlich niedriger aus (Fremdbeurteilung: z=94.69). Tatsächlich unterscheidet sich die Fremdbeurteilung auf Gesamtskalenebene signifikant von der Selbstbeurteilung (p=.000; η2=.18). Bei der detaillierten Aufschlüsselung auf Subskalenebene wiederholt sich der Effekt für die Subskalen Wahrnehmung von Emotionen bei sich selbst, Expression und Regulation; nicht jedoch für die Subskala Wahrnehmung von Emotionen bei anderen, diesbezüglich decken sich Selbst- und Fremdeinschätzung.
Diskussion:
Die Patient*innen mit chronischen Schmerzen bewerten sich selbst als nicht eingeschränkt hinsichtlich ihrer alltäglichen Fähigkeiten zur emotionalen Wahrnehmung, Expression und Regulation. Gleichzeitig schätzen die behandelnden Psycholog*innen dieselben Patient*innen als deutlich weniger emotional kompetent ein. Offen bleibt die Frage, inwiefern die divergierende Beurteilung, beispielsweise mit einer verminderten Introspektionsfähigkeit auf Seiten der Patient*innen, erklärt werden kann. Mit Blick auf die in der Forschung vermehrt sichtbar werdenden Bedeutsamkeit emotionsassoziierter Besonderheiten für das Verständnis chronischer Schmerzen (Aaron et al., 2020; Lumley et al., 2021) und entsprechend emotionsfokussierte Therapieansätze (Yams et al, 2020) ist es interessant, dass Patient*innen und Behandler*innen die emotionalen Kompetenzen der Patient*innen überwiegend unterschiedlich beurteilen. Die Reflexion und Bewusstwerdung emotionaler Kompetenzen könnte folglich ein hilfreicher Fokus der therapeutischen Arbeit sein.
Hintergrund: Um die Effektivität von Schmerzpsychotherapie zu erhöhen werden individualisierte Therapieangebote gefordert. Eine aktuelle klinische Studie betont die Rolle von psychischer Flexibilität als Prädiktor für eine erfolgreiche Behandlung (Åkerblom et al., 2021). Achtsamkeitsbasierte Verfahren wie ACT zielen auf die Erhöhung psychischer Flexibilität, unter anderem durch die Reduktion von Erlebensvermeidung. Mit dem AAQ-II-P steht ein validiertes Messverfahren für Erlebensvermeidung speziell im Kontext von Schmerz zur Verfügung.
Fragestellung: Experimentell wird untersucht, (1) ob sich ein Zusammenhang zwischen dispositioneller schmerzbezogener Erlebensvermeidung und der Reaktion auf einen akuten Hitzereiz bei Patienten mit chronischen Schmerzen zeigt und (2) ob achtsamkeitsbasierte Schmerzregulation diesen Zusammenhang verändert.
Methode: N=60 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (≥ 3 Monaten und bedeutsame Beeinträchtigung) nahmen an einem Experiment teil, u.a. füllten sie den AAQ-II-P aus. Die Patienten erhielten über eine 3x3cm große Thermode an der Wade einen 1-minütigen individuell kalibrierten mäßig schmerzhaften Hitzereiz. Abhängige Variablen waren Schmerzintensität (NRS0-10) und negativer Affekt (PANAS), bewertet vor und nach dem Hitzereiz. Zudem wurde die Herzfrequenz während einer 1-minütigen Ruhephase (BL) sowie während des Hitzereizes (MZP1) erfasst (mittleres Inter-Beat-Intervall, IBI). Eine randomisierte Teilstichprobe von n=40 Patienten erhielt im Anschluss weitere Hitzereize, dabei wurden n=20 Patienten von achtsamkeitsbasierten Instruktionen begleitet (Achtsamkeitsgruppe; 12 Instruktionen, jeweils 30s pro Instruktion). Schmerzintensität und negativer Affekt wurden nach dem letzten Schmerzreiz erhoben, die Herzfrequenz wurde über die gesamte Phase der Schmerzinduktion bestimmt (mittleres IBI, MZP2). Für die statistische Auswertung wurden Spearman-Rangkorrelationen der abhängigen Variablen mit den AAQ-II-P Summenwerten gebildet.
Ergebnisse: Es wurde kein Zusammenhang von schmerzbezogener Erlebensvermeidung (AAQ-II-P) und dem subjektiven Erleben des Schmerzreizes gefunden (alle p>.05). Positive Zusammenhänge des AAQ-II-P mit dem mittleren IBI ergaben sich in Ruhe (BL: r=.375, p=.004, n=58), sowie während des ersten Schmerzreizes (MZP1: r=.285, p=.030, n=58). Bei weiterer Hitzestimulation zeigte sich ebenfalls ein positiver Zusammenhang (MZP2: r=.511, p=.021, n=20), jedoch nicht in der Achtsamkeitsgruppe (r=.179, p=.450, n=20).
Diskussion: Der Zusammenhang zwischen hoher schmerzbezogener Erlebensvermeidung und niedriger Herzfrequenz, der sowohl unter Ruhe als auch unter Schmerz gefunden wurde, scheint durch achtsamkeitsbasierte Schmerzregulation aufgehoben zu werden. Die therapeutische Relevanz dieses Befundes wird diskutiert. Limitationen der Untersuchung werden aufgezeigt.
Hintergrund: Chronische Rückenschmerzen sind Schmerzen, die länger als 12 Wochen anhalten. Die Chronifizierung ist ein multidimensionaler Prozess mit Einschränkungen der Teilhabe. Die Behandlung sollte den multidimensionalen Entstehungsprozess berücksichtigen. Hinsichtlich einer Rückkehr an den Arbeitsplatz und der Nachsorge von Rehaprogrammen besteht im langfristigen Management eine Unterversorgung, die einen Verbleib der Betroffenen im kurativ orientierten Gesundheitssystem nach sich zieht. Eine mögliche Nachsorge könnten Selbsthilfegruppen (SHG) darstellen, die Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz der Betroffenen im ressourcenorientierten Umgang mit der Erkrankung fördern.
Fragestellung: Vor dem Hintergrund der Modelle der transtheoretischen Verhaltensänderung nach Prochaska und DiClemente (1982), dem Salutogenese- Modell nach Antonovsky (1979) und dem „behavioral model of health service use“ nach Andersen (1995) wurde die Frage verfolgt welche Erwartungen und Bedürfnisse es aus Sicht von chronischen Rückenschmerzpatient*innen bezüglich einer Nutzung von SHG im Anschluss an eine interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie (IMST) gibt.
Methodik: Die als qualitative Untersuchung angelegte Studie wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der Jade Hochschule mit dem Rückenzentrum durchgeführt. Leitfadengestützte, qualitative Interviews wurden mit acht chronischen Rückenschmerzpatient*innen (w=5; m= 3) im Anschluss der IMST geführt. Mittels strukturierter Inhaltsanalyse wurden die deduktiv und induktiv gewonnenen Oberkategorien mit Hilfe von MaxQDA ausgewertet.
Ergebnisse: Das Alter und die Ausprägung und Wahrnehmung eigener Bewältigungsstrategien haben Einfluss auf Erwartungen und Bedürfnisse der Patient*innen. Junge Patient*innen oder jene mit hoher Ausprägung von Bewältigungsstrategien äußern Bedarf an gegenseitiger Motivation und Unterstützung. Ältere Patient*innen oder jene mit geringen Bewältigungsstrategien äußern Bedürfnisse sozialer Art und weiterer professionelle Unterstützung. Hinsichtlich der Unterstützung und Motivation auf sozialer Ebene können SHG diesen Erwartungen gerecht werden. Weitere professionelle, medizinische Betreuung ist im Rahmen von SHG nicht zu gewährleisten. Erwartungen der Befragten sind geprägt von Erfahrungen und Assoziationen. Diese können eine befähigende Ressource für eine Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen darstellen, die Einfluss auf den subjektiven Bedarf hat. SHG sind assoziiert mit stigmatisierten Krankheiten oder kamen im Rahmen eines bio-medizinischen Krankheitsverständniss der Befragten nicht in Frage.
Diskussion: Aufklärung und Edukation für das bio-psycho-soziale Modell und die Wirkung von SHG könnten einen begünstigenden Faktor zur Teilnahme darstellen. Die Edukation könnte im Rahmen der ärztlichen Versorgung erfolgen, um den mangelnden Angeboten von SHG für Rückenschmerzpatient*innen entgegenzuwirken und diese ressourcenorientierte Möglichkeit der Nachsorge bewusst zu machen.
Hintergrund: Muskeltonusverändernde Wirkstoffe erfreuen sich im praktischen Versorgungsalltag aufgrund ihres ursächlichen Wirkansatzes zunehmender Beliebtheit, obwohl ihr Einsatz (z.B. für nichtspezifische Kreuz-/Rückenschmerzen) aufgrund unzureichender Evidenz in aktuellen Leitlinien nicht empfohlen wird.
Zielsetzung: Evaluation der verfügbaren Evidenz zur analgetischen Wirksamkeit von Pridinol bei muskulär bedingten Schmerzen.
Methodik: Systematische Literaturrecherche bzgl. randomisierter (aktiv-/placebo-) kontrollierter (RKS) und nichtinterventioneller klinischer Studien (NIS). Prüfung der Studienqualität entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Cochrane Report Zentrums und methodologischen Vorgaben der Good Clinical Practice (GCP). Definition eines primären Wirksamkeitsendpunkte (PE) unter Berücksichtigung von Alltagsrelevanz und verfügbarer Datenstruktur. Korrektur des NIS-Response zur Risikoreduktion möglicher Effektüberbewertung durch Berücksichtigung eines RKS-adjustierten, konservativ gewichteten Placeboresponse (GPR) zur Vermeidung möglicher Wirksamkeitsüberschätzungen.
Ergebnisse: Im Rahmen der Literaturrecherche konnten 9 RKS sowie 26 NIS identifiziert werden, von denen 6/3 aufgrund methodischer Mängel von der Metaanalyse ausgeschlossen werden mussten. Festlegung des PE unter Bezugnahme auf eine 4-stufige Likert-Skale bzgl. des „clinical global impression of change“ (CGIC) bei Studienende dichotomisiert nach dem dokumentierten Response („exzellent/gut/ausreichend“) vs. Nonresponse („unzureichend“). In den RKS zeigte sich bzgl. des primären Endpunktes eine signifikante Überlegenheit von Pridinol (74,6%, 95%-KI: 68,5-80,8%, Spannweite: 72,1-81,1%) gegenüber Placebo (49,7%, 95%-KI: 42,6-56,7, Spannweite: 45,7-50,8%; p < 0,001, Odds-Ration [OR]: 2,97 [1,93-4,57], relatives Risiko [RR]: 1,50 [1,30-1,73], NNT: 4). In allen in die Analyse einbezogenen RKS war der Response für Pridinol signifikant besser als der für Placebo (p < 0,001). Für die NIS lagen die Responseraten im Mittel bei 91,5 (95%-KI: 90,7-92,3%, Spannweite: 38,7-97,1%) und der GPR bei 60,5 (95%-KI: 59,1-61,9%, Spannweite: 53,1-63,2; p < 0,001), woraus sich für den RKS-korrigierten PE unter Pridinol in den NIS vs. GPR eine OR von 6,89 (95%-KI: 6,08-7,80), ein RR von 1,50 (95%-KI: 1,45-1,55) und eine NNT von 3 errechnet. In 17/23 NIS (69,6%) erwies sich Pridinol gegenüber dem GPR signifikant überlegen wirksam.
Zusammenfassung: Im Rahmen der vorliegenden konservativen Metaanalyse von Studiendaten zur Wirksamkeit bei 4.607 Patienten mit muskulär bedingten Schmerzen zeigt Pridinol sowohl in den kontrollierten klinischen Studien wie auch in den GPR-adjustierten nichtinterventionellen Studien eine Placebo signifikant überlegene analgetische Wirkung.
Hintergrund: Muskeltonusverändernde Wirkstoffe erfreuen sich im praktischen Versorgungsalltag aufgrund ihres ursächlichen Wirkansatzes zunehmender Beliebtheit, obwohl ihr Einsatz (z.B. für nichtspezifische Kreuz-/Rückenschmerzen) aufgrund unzureichender Evidenz in aktuellen Leitlinien nicht empfohlen wird.
Zielsetzung: Evaluation der analgetischen Wirksamkeit von Pridinol bei muskulär bedingten Schmerzen unter Alltagsbedingungen.
Methodik: Retrospektive Längsschnittanalyse des Verlaufs einer Behandlung mit Pridinol bei Patienten mit muskulär bedingten Schmerzen unter Verwendung depersonalisierter Daten des PraxisRegister Schmerz (Dokumentationszeitraum: 01.01.2018 bis 31.12.2020) in Form einer explorativen nichtinterventionellen Kohortenstudie. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war der Anteil Patienten mit einem vollständigen Response definiert als 1.) klinisch relevante absolute (≥minimal clinical important difference, MCID) und/oder relative (≥50%) Verbesserung gegenüber dem Ausgangsbefund bzgl. a) Schmerzintensität, b) schmerzbedingten (Funktions-)Beeinträchtigungen im Alltag und c) allgemeinem Wohlbefinden und 2) Fehlen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW). Sekundäre Endpunkte evaluierten das Ausmaß absoluter/relativer Beschwerdeänderungen vs. Baseline (BL) und UAW-Häufigkeit.
Ergebnisse: Im Evaluationszeitraum wurden im PraxisRegister Schmerz bei 1.133 Patienten im Alter von 53,9±11,8 (Spannweite 18‐85) Jahren (davon 54,5% [n=617] weiblich) eine Behandlung muskulär bedingter und in 90,0% akuter bzw. subakuter Schmerzen mit Pridinol (über einen Zeitraum von bis zu 9 Wochen) dokumentiert. Die Behandlung erfolgte mit 2,6±0,6 (Median 3, Spannweite 0,5‐4,5) Tabletten pro Tag und die Behandlungsdauer lag bei 12,0±10,2 (Median 7, Spannweite 3‐63) Tagen. Unter der Therapie dokumentierten 94,4/79,8% eine klinisch relevante Schmerzlinderung, 88,1/66,8% eine Verbesserung schmerzbedingter Alltagsbeeinträchtigungen und 32,0/4,5% eine Verbesserung ihres allgemeinen Wohlbefindens ≥MCID/50% vs. BL. 70 Patienten (6,2%) dokumentierten eine UAW, neun Patienten (0,8%) beendeten deswegen die Therapie. Nach Kombination der für den primären Endpunkt relevanten Wirksamkeits‐/Verträglichkeitsparameter dokumentierten 293 Patienten (25,9%) einen vollständigen und 764 (67,4%) einen partiellen Response ohne UAW. Über alle Behandlungszeiträume hinweg zeigte sich unter Pridinol eine statistisch signifikante Reduktion der Einnahme sonstiger analgetisch wirksamer Medikamente, bei 349 (30,8%) sogar die vollständige Beendigung aller anderen Analgetikatherapien. Diesbezüglich deutlichste Rückgänge zeigten sich bzgl. Nichtopioidanalgetika (‐37,1%), NSAR (‐34,4%) und niederpotenten Opioidanalgetika (‐24,1%).
Zusammenfassung: Im Rahmen der vorliegenden Analyse von Routinedaten der Regelversorgung zu 1.133 Patienten aus dem PraxisRegister Schmerz erweist sich Pridinol als wirksame und gut verträgliche Alternative für die Behandlung muskulär bedingter Schmerzen.
Ziel:
Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen führen zu erhöhten Kosten im Gesundheitssystem. Eine erfolgreiche Behandlung kann vermutlich die Kosten reduzieren. Ziel dieser Studie war es zu ermitteln, inwiefern sich die Inanspruchnahme sowie die entsprechenden Kosten nach einer stationären 3-4-wöchigen interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen, verändern. Drei Zeiträume wurden miteinander verglichen: Ein Jahr vor der IMST (Prä), das erste Jahr nach der IMST (Post 1) sowie das zweite Jahr nach der IMST (Post 2).
Methode:
Routinedaten einer gesetzlichen Krankenversicherung von N = 119 Versicherten, die in den Jahren 2015 und 2016 eine Behandlung in einer tertiären pädiatrischen schmerztherapeutischen Einrichtung erhielten, wurden analysiert (Alter: x̅ = 15,3 Jahre; 68,9% weiblich). Verglichen wurden die Inanspruchnahme und die Kosten für stationäre Behandlung, ambulante Behandlung, Medikamente, Heil- und Hilfsmittel sowie die Gesamtkosten vor der Behandlung und zwei Jahre nach der Entlassung.
Die Inanspruchnahme wurde anhand des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests analysiert und die Kosten mit getrimmten Mittelwerten und dem robusten Yuen t-Test.
Ergebnisse:
Die Gesamtkosten waren in den zwei Jahren nach der IMST signifikant niedriger im Vergleich zu vor der Therapie (Prä: 3543€, Post 1: 2681€, Post 2: 1937€ (getrimmte Mittelwerte)). Zudem zeigt sich eine signifikante Veränderung der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Stationäre Behandlungen reduzierten sich nach der Behandlung und die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Leistungen blieb im ersten Jahr nach IMST stabil, sank aber im zweiten Jahr nach IMST.
Hintergrund:
Chronische Kopfschmerzen stellen schon im Kindes- und Jugendalter ein häufiges und zunehmendes Gesundheitsproblem dar, das zahlreiche unterschiedliche Lebensbereiche negativ beeinflusst. Für viele Betroffene ist es aufgrund der Schmerzen nicht möglich, regelmäßig den Schulunterricht zu besuchen, ihre Noten verschlechtern sich und bei einigen zeigen sich eine Reduktion der Lebensqualität sowie eine starke emotionale Belastung. Außerdem bestehen die chronischen Kopfschmerzen häufig bis ins Erwachsenenalter fort. Um die Therapiechancen bei dieser Zielgruppe zu erhöhen, das Selbstmanagement zu stärken und die Jugendlichen zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit den Schmerzen zu befähigen, wurde eine edukative Website für Kinder und Jugendliche zu primären Kopfschmerzen entwickelt. Ihre Wirksamkeit als additives Therapieelement wird aktuell in der Schmerzambulanz des Deutschen Kinderschmerzzentrums evaluiert.
Methodik:
Im Rahmen einer longitudinalen randomisiert- kontrollierten Studie werden Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren eingeschlossen, die zum Erstgespräch in die Schmerzambulanz kommen und die Einschlusskriterien der Migräne- und / oder Spannungskopfschmerzdiagnose sowie der ambulanten Therapieempfehlung erfüllen. Die angestrebte Stichprobengröße beträgt N = 78. Daten werden vor dem Therapiegespräch und zu drei weiteren Messzeitpunkten mit je einem Monat Abstand erhoben. Der Fragebogen besteht aus standardisierten Fragen, u.a. zu Kopfschmerzeigenschaften, der schmerzbezogenen Beeinträchtigung, dem Umgang mit Schmerzen und der Schmerzselbstwirksamkeit. Außerdem wird das kopfschmerzbezogene Wissen erfasst. Der Edukationsgewinn und die Veränderungen der Kopfschmerzen sowie der Vergleich der Gruppen werden mit einer Varianzanalyse mit Messwiederholungen analysiert.
Der Studienbeginn war im April 2021. Im September 2021 soll die Rekrutierung abgeschlossen sein.
Ausblick:
Kann ein positiver additiver Effekt der Edukationswebsite nachgewiesen werden, soll die Webseite langfristig als begleitender Bestandteil der Therapie von Kindern und Jugendlichen mit primären Kopfschmerzen implementiert werden. Ebenso ist eine Ausweitung um primär- und sekundärpräventive Aspekte denkbar, sodass die Intervention im Setting Schule und in der pädiatrischen Grundversorgung genutzt werden kann. So kann nicht nur das Fortschreiten und die Komplikation einer bestehenden Kopfschmerzproblematik verhindert, sondern schon ihrer Entstehung vorgebeugt werden.
Hintergrund
Bislang liegen wenige Erkenntnisse darüber vor, ob das Functional Disability Inventory (FDI) die funktionelle Beeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen mit und ohne chronische Schmerzen in einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe adäquat erfassen kann.
Fragestellung
Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung des FDI in einer Schulstichprobe, um zu überprüfen, ob sich der Fragebogen zur Messung der Beeinträchtigung in alltagstypischen Tätigkeiten eignet.
Material und Methode
In einer prospektiven Studie wurde die funktionelle Beeinträchtigung mit Daten von N = 1348 Schulkindern im Alter von 9 - 18 Jahren erhoben (47,6 % weiblich). Mit Hilfe standardisierter Fragebögen wurden zudem Schmerzeigenschaften (Schmerzintensität, schmerzbedingte Schulfehltage), die emotionale Beeinträchtigung in Form von Depressivität und Ängstlichkeit sowie die Lebensqualität erfasst. N = 419 (31,1 %) der Studienteilnehmer berichteten chronische Schmerzen, d.h. ihr Hauptschmerz vor mehr als drei Monaten begann, innerhalb der letzten vier Wochen auftrat und mindestens wöchentlich wiederkehrten.
Ergebnisse
Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen wiesen signifikant höhere Mittelwerte beim FDI auf (M = 12,73, SD = 9,57) als die ohne chronische Schmerzen (M = 6,13, SD = 7,19; t(639,36) = -12,61, p < 0,001). In der Gruppe mit chronischen Schmerzen korrelierten die Schmerzintensität (τ = 0,30, p < 0,001) und die schmerzbedingten Schulfehltage (τ = 0,22, p < 0,001) signifikant mit dem FDI-Summenscore. Sowohl in der Gruppe der Schulkinder ohne chronische Schmerzen als auch bei denen mit chronischen Schmerzen zeigten sich schwache bis mittlere signifikante Korrelationen mit der emotionalen Beeinträchtigung in Form von Depressivität und Ängstlichkeit (ohne chronische Schmerzen: τ = 0,47 bzw. 0,38, p < 0,001; mit chronischen Schmerzen: τ = 0,41 bzw. 0,37, p < 0,001) und der Lebensqualität (ohne chronische Schmerzen: τ = -0,36, p < 0,001; mit chronische Schmerzen: τ = -0,30, p < 0,001). Die zwei Subgruppen unterschieden sich signifikant in den Mittelwerten dieser Skalen, wobei Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen mit Ausnahme der Lebensqualität höhere Werte zeigten als die ohne chronische Schmerzen.
Diskussion
Das FDI scheint als Messinstrument geeignet zu sein, die (schmerzbedingte) Beeinträchtigung im Alltag in einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe von Kindern und Jugendlichen zu erheben. Da dieses Messinstrument international stark verbreitet ist, ermöglicht der Einsatz den Vergleich internationaler Studienergebnisse.
Hintergrund
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist eine Schmerzerkrankung unklarer Ätiologie, die üblicherweise eine Extremität betrifft. CRPS tritt meist nach einem Trauma auf, kann jedoch, vor allem bei Kindern, auch spontan auftreten. Hauptsymptom ist ein außergewöhnlich starker Schmerz. Es kommt zu Veränderungen in Sensorik, Vaso- und Sudomotorik, Trophik und Motorik. Körperwahrnehmungsstörungen und die Ablehnung des betroffenen Körperteils können folgen.
Betroffene haben oft starke Berührungsängste und vermeiden zunehmend, die Extremität anzuschauen, anzufassen oder zu berühren.
Am Zentrum für Schmerztherapie junger Menschen werden in der Behandlung zwei Konzepte eingesetzt, welche je nach Persönlichkeit und therapeutischer Zielsetzung gemeinsam mit den PatientInnen erarbeitet und durchgeführt werden (Garmischer Therapiekonzept mit aktivierenden und desensibilisierenden Schwerpunkten; Graded Motor Imagery mit imaginativen Anteilen und Spiegeltherapie).
Desensibilisierungsmaßnahmen durch den Pflege- und Erziehungsdienst
Der Pflege- und Erziehungsdienst (PED) nimmt im Garmischer Therapiekonzept eine zentrale Rolle ein. Mehrmals täglich werden desensibilisierende Maßnahmen durchgeführt (z.B. mit dem Handtuch „rubbeln“, Igelballmassage, Eincremen, Wechseldusche, kühlende/wärmende Öle). Diese Herangehensweise erfordert primär einen Vertrauensaufbau, damit sich die Kinder und Jugendlichen darauf einlassen können. Nur auf der Grundlage einer stabilen Beziehung kann die Therapie durchgeführt werden. Die Desensibilisierung ist in unterschiedliche Stufen eingeteilt (1: leichte; 2: mittlere; 3: normale Berührung; Einteilung in ½ Stufen). Sollte Stufe 1 noch nicht möglich sein, wird auf Stufe 0,5 begonnen, welche lediglich kurzes Tupfen beinhaltet.
Fragestellung und Methodik
Von Interesse ist, ob die Berührungsempfindlichkeit über einen Zeitraum von 3-4 Wochen stationärer interdisziplinär-multimodaler Schmerztherapie abnimmt.
Verglichen wurde der Desensibilisierungsscore zu Beginn und am Ende des Aufenthalts von 38 PatientInnen (Mittel 13,3 J.; Spanne 6,3 – 17,9; 4 ♂; 8 obere, 30 untere Extremität), die im Jahr 2020 mit dem Garmischer Therapiekonzept behandelt wurden.
Ergebnisse
Die Desensibilisierungsmaßnahmen als Maß für abnehmende Berührungsempfindlichkeit konnten deutlich gesteigert werden (p < .00001), die Schmerzstärke nahm signifikant ab (p = .02).
Diskussion
Aufgrund der räumlichen Nähe, der Alltagsbegleitung und ständigen Präsenz des geschulten PEDs ist die wertvolle therapeutische Aufgabe der Desensibilisierung in dieser Berufsgruppe am besten verortet. Basierend auf einer stabilen und vertrauensvollen Beziehung ist es möglich, mithilfe von desensibilisierenden Maßnahmen die Berührungsempfindlichkeit bei CRPS zu reduzieren, was einen großen Beitrag zur Abnahme der Schmerzstärke und dem Zulassen weiterer Therapien leistet.
Hintergrund:
Die Nutzung digitaler Medien hat sich besonders bei jungen Menschen über die letzten Jahrzehnte deutlich verstärkt. Die Vielfalt an internetbasierten Spielen und sozialen Medien eröffnet verschiedene Möglichkeiten, ständig mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben und sich über geteilte Interessen auszutauschen. Studien haben jedoch gezeigt, dass viele Kinder und Jugendliche den täglich empfohlenen Richtwert von maximal zwei Stunden zur Mediennutzung in der Freizeit übersteigen. Gleichzeitig leiden etwa 20% der Jugendlichen unter chronischen Kopfschmerzen. Studien, die einen möglichen Zusammenhang dieser beiden Faktoren (Medienkonsum und Kopfschmerz) untersuchten, zeigten widersprüchliche Resultate. Bislang wurde dieser Zusammenhang jedoch nicht über einen längeren Zeitraum betrachtet.
Daher fokussiert diese Studie in einem longitudinalen Design den Zusammenhang von Medienkonsum mit Kopfschmerzhäufigkeit und -intensität bei Jugendlichen.
Methodik:
Im Rahmen einer großen Schulstudie wurden N = 2280 Schüler:innen (10-18 Jahre) zu ihrer Kopfschmerzhäufigkeit und -intensität, sowie zu ihrem täglichen Medienkonsum befragt. Der erfasste Medienkonsum beinhaltet die durchschnittliche tägliche Nutzung von Fernsehen, elektronischen Spielen und sozialen Medien. Die Daten wurden über fünf Messzeitpunkte im Abstand von jeweils drei Monaten erhoben. Anhand eines mehrstufigen linearen Modells wurden die Auswirkungen von Medienkonsum auf Kopfschmerzhäufigkeit und -intensität über die Zeit analysiert. In diesem Modell wurde sowohl die individuelle Variabilität (zufällige Effekte) der einzelnen Schüler:innen als auch die Faktoren Zeit, Alter, Geschlecht und Medienkonsum als mögliche Haupteffekte (feste Effekte) berücksichtigt.
Ergebnisse:
Es wurden keine signifikanten Interaktionen zwischen Medienkonsum und Zeit in Bezug auf die Kopfschmerzhäufigkeit oder -intensität gefunden. Somit scheint kein Zusammenhang zwischen dem temporalen Verlauf von Medienkonsum und dem Verlauf von Kopfschmerzhäufigkeit oder -intensität bei Schüler:innen zu bestehen. Allerdings zeigten sich Haupteffekte für Geschlecht, Alter und Medienkonsum sowohl in Bezug auf die Kopfschmerzhäufigkeit als auch auf die Kopfschmerzintensität. Somit scheint sich bei Jugendlichen im Mittel die Kopfschmerzhäufigkeit und -intensität bei gesteigertem Medienkonsum zu erhöhen.
Diskussion:
Diese Studie liefert weitere Erkenntnisse mit Einbezug des zeitlichen Verlaufs zu den bisher uneindeutigen Ergebnissen zum Einfluss von Medienkonsum auf Kopfschmerzen bei Jugendlichen. Dennoch sind weitere Langzeitstudien in diesem Bereich notwendig, um die hier erzielten Resultate zu bestätigen und entsprechende Empfehlungen für die pädiatrische Versorgung zu formulieren.
Hintergrund: In der Versorgung chronischer Schmerz(erkrankung)en spielen standardisierte Selbstauskunftsinstrumente eine entscheidende Rolle um die biopsychosozialen Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalles beurteilen und individuelle Therapiekonzepte entwickeln zu können. Neben dem konkreten Nutzen für die Behandlung Betroffener eröffnen sich durch die Möglichkeit der anonymisierten Datenteilung und deren Analyse auch Perspektiven für neue Versorgungsforschungsprojekte, die jedoch die grundsätzliche Bereitschaft Betroffener zur datenschutzkonformen Teilung ihrer Daten voraussetzen und Fragen aufwerfen wie diese alltagsnah gewährleistet werden kann.
Methode: Untersuchungsgegenstand der vorliegend vorgestellten Bachelorarbeit aus dem Bereich der Sozialökonomik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) war die Rolle des Geschlechts Studierender auf ihre Teilungsbereitschaft von persönlichen Daten mit einem fiktiven universitären Online-Tool. Dieses bot je nach Umfang der geteilten Daten eine individuelle Unterstützungsleistung an. Den theoretischen Rahmen bildete die Rational-Choice Theorie. Anhand des aktuellen Forschungsstandes wurden Kosten- (Fragebogenlänge & -inhalt, Systemtransparenz, Datenzugang & -kontrolle) und Nutzengrößen (Funktionen des Tools, Funktionsverbesserung) identifiziert, bei denen eine Beeinflussung der Teilungsbereitschaft vermutet wurde. Insgesamt wurden 69 Studierende des Fachbereichs Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der FAU per Faktoriellem Survey befragt.
Ergebnisse: Die Analyse der Daten aus dieser Stichprobe zeigte: 1) es existierte kein Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Bereitschaft zur Datenteilung; 2) erwarteter Nutzen hatte einen positiven Einfluss und 3) erwartete Kosten hatten einen negativen Einfluss auf die Bereitschaft der Datenteilung; 4) die Einflüsse von Kosten- und Nutzengrößen waren bei Männern höher als bei Frauen; 5) wenige der vermuteten Kostengrößen zeigten statistische Signifikanz.
Limitation: Die Fallzahl der vorliegenden Untersuchung ist überschaubar. Männer waren in der Stichprobe stark unterrepräsentiert. Personen über 36 Jahre, Nicht-Studierende und Menschen mit einer Schmerzerkrankung waren in der Stichprobe nicht enthalten.
Schlussfolgerung: Patientinnen und Patienten sind grundsätzlich dann bereit ihre persönlichen Daten datenschutzkonform zu Versorgungsforschungszwecken zu teilen, wenn ihnen der Individualnutzen ihrer Datendokumentation für die Behandlung der eigenen Gesundheitsstörung nachvollziehbar erklärt wird. Aus diesem Grund sollten Betroffene bereits vor Beginn der Behandlung über die Wichtigkeit einer möglichst vollständigen und genauen Selbstauskunft für ihre eigene Schmerzbehandlung informiert und über die damit verbundene Datenteilung aufgeklärt werden. Diesem Umstand sollte bzgl. der Gestaltung der Routineabläufe in entsprechenden schmerzmedizinischen Einrichtungen ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Hintergrund: Schmerzen bei M. Parkinson zählen zu den nicht-motorischen Symptomen und sind nicht nur durch ein gehäuftes Auftreten mit einer Prävalenz von 40% bis 85% klinisch relevant, sondern führen zudem zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Dennoch werden Parkinson-assoziierte Schmerzen im Rahmen des klinischen Alltags sehr häufig nicht angemessen oder kaum wahrgenommen und therapiert.
Fragestellung: Wir führen eine detaillierte Charakterisierung von Parkinson-Schmerzen durch, was zum einen die Diagnostik der Schmerzsymptomatik erleichtern, aber auch eine adäquate Analgesie ermöglichen soll.
Material und Methoden: Dafür werden im Rahmen einer prospektiven Querschnittsstudie 150 Patienten/-innen rekrutiert und die Charakterisierung der Schmerzen mithilfe von insgesamt sieben Fragebögen sowie eines Anamnesegespräches erhoben. Einen Teil der Fragebögen bilden der „Non-Motor-Symptom-Questionnaire“ (NMS-Questionnaire) sowie die „Unified Parkinson´s Disease Rating Scale“ (UPDRS), die ihr Augenmerk auf die motorischen und nicht-motorischen Symptome, die im Verlauf der Parkinson-Erkrankung auftreten können, legen. Der zweite Teil setzt sich aus den Fragebögen „Neuropathic Pain Symptom Inventory“, „King´s Parkinson´s Pain Scale“, „Graded Chronic Pain Scale“ und der „Pain Catastrophizing Scale“ zusammen, die gemeinsam mit dem Anamnesegespräch die Schmerzen u.a. nach Frequenz, Qualität, Lokalisation, Intensität und nach ihrem Einschränkungsausmaß im alltäglichen Leben erfassen. Zusätzlich wird die „Allgemeine Depressionsskala“ verwendet, um eine klinisch relevante Depression einordnen zu können.
Ergebnisse: In der bisherigen Kohorte von insgesamt 30 Patienten/-innen waren Schmerzen bei 28 Patienten/-innen vorhanden. Diese waren v.a. muskuloskelettal und im Lendenwirbelsäulenbereich (75%), sowie in den Füßen (61%) lokalisiert, wovon das Großzehengrundgelenk am häufigsten betroffen war, und ebenfalls im Schulterbereich (37%). Zu 50% wurden diese Schmerzen als „drückend“ und zu 39% als „stechend“ beschrieben. In der Kohorte wurde zudem die maximale Schmerzintensität auf der numerischen Rating-Skala auf 7 von 10 im Mittel (über die letzten sechs Monate) angegeben. Trotz Erreichen hoher Intensitätswerte erhielten nur 43% der Patienten eine analgetische Behandlung, die überwiegend mit nicht-steroidalen Antirheumatika erfolgte. Durch den Einsatz dieser konnte die Schmerzintensität auf ca. die Hälfte reduziert werden.
Schlussfolgerung: Es zeigt sich, dass der Schmerz bei M. Parkinson aufgrund seiner hohen Prävalenz und Intensität als nicht-motorisches Symptom nicht zu unterschätzen ist. Entsprechend sollten Schmerzen in der Diagnostik, sowie im Follow-up während der Behandlung des M. Parkinson nicht unberücksichtigt bleiben. Die geeignete analgetische Therapie sollte unter Berücksichtigung des Schmerztyps und der Komorbiditäten der Patienten/-innen etabliert werden.
Hintergrund:
Soziodemographische Veränderungen und die hohe Anzahl älterer, chronisch erkrankter und multimorbider Patient*innen stellen erhöhte Anforderungen an das deutsche Gesundheitssystem [1, 2]. Der Wissenschaftsrat [4] fordert daher eine intensivere und nachhaltigere Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe, um der komplexen Versorgungssituation vieler Patient*innen gerecht zu werden. Mit dem Fokus auf die Verbesserung der interprofessionellen Kommunikation und Kooperation bei subakuten und chronischen Schmerzpatient*innen hat sich im Oktober 2019 in Göttingen das „Interprofessionelle Kompetenznetzwerk Schmerztherapie“ (IKoS) gegründet.
Zielsetzung:
IKoS ist ein Zusammenschluss von Ärzt*innen, Psycholog*innen/Psychotherapeut*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen aus dem Raum Göttingen, die sich in unterschiedlichen Praxisfeldern mit dem Thema Schmerz befassen. Die Förderung von persönlicher Begegnung, gegenseitiger Wertschätzung und interprofessionellem Austausch zielt darauf ab, persönliche und strukturelle Barrieren einer interprofessionellen Zusammenarbeit im ambulanten und stationären Sektor abzubauen.
Methode:
Die Organisation und Moderation der vierteljährig stattfindenden Netzwerk-Veranstaltungen wird durch die Abteilung für Schmerzmedizin der Universitätsmedizin Göttingen übernommen. Im Sinne eines partizipativen Vorgehens [3, 5] werden organisatorische und inhaltliche Fragestellungen, die die setting- und fachgruppenübergreifende Versorgung von Schmerzpatient*innen betreffen, gemeinsam erarbeitet. Es finden dabei interaktive Methoden Verwendung, die einen kommunikativen Raum eröffnen und zur Perspektivübernahme anregen (z.B. World-Café).
Ergebnisse:
Bisher fanden sechs Netzwerk-Veranstaltungen unter Beteiligung verschiedener Berufsgruppen statt. Als übergeordnetes Ziel wurde die Entwicklung eines interprofessionellen und multimodalen Behandlungskonzeptes von Schmerzen im ambulanten Setting sowie dessen Übergang aus dem (teil-)stationären Setting ausgearbeitet. Dieses Vorhaben setzt voraus, dass Therapeuten mit spezialisiertem fachlichen Hintergrund ein Bewusstsein dafür entwickeln, in welcher Weise auch Faktoren, die in der eigenen therapeutischen Herangehensweise nicht im Fokus stehen, auf die Schmerzsymptomatik einwirken. Getragen durch die Vermittlung grundlegender theoretischer Konzepte im Rahmen von Impulsvorträgen, steht die Entwicklung eines geteilten bio-psycho-sozialen Ursachenmodells in 2021 im Vordergrund.
Diskussion/Schlussfolgerung:
IKoS schafft einen offenen Raum der zielorientierten Interaktion von Vertretern verschiedener Berufsgruppen, die Patient*innen mit subakuten und chronischen Schmerzen behandeln. Das Wachstum des Netzwerks zeugt von einem hohen Bedarf an interprofessionellem Austausch. Als besondere Herausforderung für IKoS erwiesen sich die heterogenen Kenntnisstände und unterschiedlichen Fachkulturen der Teilnehmer*innen, die die Erarbeitung eines gemeinsamen Schmerzverständnisses erschweren.
Hintergrund
Voraussetzung für eine aktive Mitarbeit der PatientInnen in der interdisziplinär-multimodalen Schmerztherapie ist das Verständnis für ihre Erkrankung. Um das Interesse an theoretischen Inhalten zu wecken, ist es nötig, ansprechendes Material, attraktive Methoden und aktivierende Elemente in die Edukation einzubinden.
Ziel ist, Wissen über Entstehung und Aufrechterhaltung von akuten und chronischen Schmerzen zu vermitteln. Am Zentrum für Schmerztherapie junger Menschen werden sowohl medizinische Faktoren als auch psychologische Einflüsse wie Aufmerksamkeit, Gedanken, Gefühle und Verhalten im Rahmen des bio-psycho-sozialen Garmischer Schmerzverarbeitungsmodells anschaulich und einprägsam interaktiv gemeinsam erarbeitet.
Sketchnotes in der Edukation
Bei Sketchnotes handelt es sich um Skizzen und Notizen, die aus Text, Bild und Strukturen bestehen. In der zeichnerischen Umsetzung werden nur Striche, Kreise, Dreiecke, Vierecke und Punkte genutzt, weshalb sie schnell zu erlernen sind. Sketchnotes regen auf humorvolle Art zur kreativen Gestaltung an. Die Wort-Bild Kombinationen sind aufgrund mnemotechnischer Mentalfaktoren wie Fantasie, Visualisierung und Emotionen nachhaltig einprägsam.
Erfahrungen
Durch den Austausch mit den PatientInnen und die Evaluation verschiedener Herangehensweisen in der Edukation zeigt sich, dass Sketchnotes von den TeilnehmerInnen als hilfreich angesehen werden, um Inhalte schnell zusammenzufassen. Durch die Überlegungen, wie man Inhalte auf diese einfache Weise bildlich darstellen könnte, werden die Themen reflektiert und memoriert. Die PatientInnen tauschen sich über edukative Inhalte häufiger aus, wenn sie diese mithilfe von Sketchnotes erlernt haben.
Die Scheu, „nicht schön“ zu zeichnen, lässt innerhalb von 15 Minuten nach – nach durchschnittlich 30 Minuten werden eigenständig erste Zeichnungen angefertigt.
Ausblick
Nach ersten Erfahrungen bereitet die Edukation mit Sketchnotes mehr Freude im Vergleich zu anderen (u.a. ebenfalls kreativen) Methoden. Fokus zukünftiger Evaluation wird sein, ob relevante Inhalte besser behalten werden. Die Einbeziehung von Sketchnotes in das Entlassmanagement ist geplant (Heimübungspläne selbstwirksam um Sketchnotes ergänzen). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die einfache Wort-Bild Kombination bei Sketchnotes dazu anregt, sich mit theoretischen Inhalten auf einprägsame und unterhaltsame Art auseinanderzusetzen.
Hintergrund und Fragestellung:
Der Conditioned Pain Modulation (CPM) Effekt ist ein Maß für die endogene Schmerzhemmung beim Menschen. Zugrunde liegt das Konzept “Schmerz inhibiert Schmerz”: Es wird die Reduktion der Schmerzhaftigkeit eines Testreizes durch zeitgleiche Applikation eines konditionierenden Schmerzreizes an einer anderen Körperstelle gemessen. Trotz der weiten Verbreitung ist das Paradigma wenig standardisiert. Insbesondere wird immer wieder diskutiert, ob die Größe des CPM Effekts abhängig von der Intensität bzw. Schmerzhaftigkeit des konditionierenden Reizes ist. Unsere Hypothese ist, dass intraindividuell eine solche Abhängigkeit vorliegt, die aber aufgrund der großen interindividuellen Unterschiede im CPM Effekt in Querschnittsuntersuchungen kaum zum Tragen kommt. Dies haben wir anhand von vorhandenen Daten und zusätzlich in einer randomisierten, einfach verblindeten cross-over Studie untersucht.
Material und Methoden:
Vorhandene Querschnittsdaten von gesunden Probanden mit Messung des CPM-Effekts aus mehreren Studien wurden gepoolt (n = 127) und vorhandene Daten aus einer cross-over Studie auf diese Fragestellung hin analysiert (n = 16). Zusätzlich wurde speziell für diese Fragestellung bei bisher 25 Probanden die intraindividuelle Abhängigkeit des CPM Effekts von der Schmerzhaftigkeit des konditionierenden Reizes untersucht. Hierzu werden cross-over drei konditionierende Reize (120 s Kaltwasserbad der Hand) mit einer durchschnittlichen Schmerzintensität von 3, 5, und 7 auf der NRS (0-10) angewendet und der CPM Effekt auf zwei verschiedene Testreize (Hitzereiz für 30 s und Druckschmerzschwellen an den Fingerendgliedern, jeweils am kontralateralen Arm) gemessen.
Ergebnisse und Diskussion:
In der Querschnittsanalyse findet sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Schmerzhaftigkeit des konditionierenden Reizes und der Größe des CPM Effekts (R2 = 0.014, p = 0.184, n = 127). Die vorhandenen cross-over Daten zeigen einen signifikanten Effekt des konditionierenden Reizes auf den CPM Effekt, ein größerer Teil der Varianz wird aber durch interindividuelle Unterschiede erklärt (R2kond. Reiz = 0.13, R2Proband = 0.55, p = 0.0005, n = 16). In den bisher erhobenen neuen cross-over Daten (n = 25) findet sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Temperatur des konditionierenden Reizes und dem CPM Effekt auf die Druckschmerzschwellen (p = 0.027). Die Dekomposition der Varianz zeigt, dass hierbei der interindividuelle Effekt wiederum im Vergleich zur Temperatur des konditionierenden Reizes einen Großteil der Varianz aufklärt (R2kond. Reiz = 0.062, R2Proband = 0.35).
Zusammenfassend bestätigen die Ergebnisse die Hypothese, dass der CPM-Effekt abhängig von der Intensität des konditionierenden Reizes ist, dieser Zusammenhang aber gegenüber interindividuellen Unterschieden gering ist.
Einleitung
Die Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein (APC) war das erste rezeptfreie Medikament, das 1998 in den USA zur Behandlung der Migräne zugelassen wurde [1]. Die Kombination wird von den amerikanischen, deutschen, schweizerischen und österreichischen Kopfschmerz-Fachgesellschaften als ein Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Migräneattacken empfohlen [2, 3]. APC ist in vielen Ländern verfügbar.
Dies ist der erste systematische Review und die erste Meta-Analyse zur Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von APC für die Behandlung akuter Migräne-Attacken.
Methoden
Die Embase Datenbank, sowie klinische Studienregister in den USA, Europa, China, Indien und Afrika wurden nach randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien durchsucht, die APC und Placebo (PLA) bei der Behandlung akuter Migräne-Attacken untersuchten.
Hauptzielgrößen: Anteil der Patienten, die nach 2 h schmerzfrei waren, bzw. bei denen der Schmerz nach 2 h gelindert war (Definitionen: „schmerzfrei“: Schmerz reduziert von „schwer“ oder „mäßig stark“ auf „kein Schmerz“ (4-Punkt Likert Skala), bzw. reduziert um 90% (bezogen auf den Ausgangswert auf einer 100 mm visuellen Analogskala (VAS))); „Schmerz reduziert“: von „schwer“ oder „mäßig stark“ auf „mild“ oder „kein Schmerz“, bzw. Schmerz reduziert um 50% (VAS)).
Zusätzliche Endpunkte: Anteil Patienten, die zu anderen Zeitpunkten (0,5-6h) schmerzgelindert oder schmerzfrei waren, Linderung von Nausea, Photophobie und Phonophobie, sowie Erreichen des üblichen Funktionsniveaus und unerwünschte Ereignisse (UE). Es wurden Meta-Analysen für die relativen Raten (RR) mit dem Random-Effect-Model durchgeführt.
Ergebnisse
Sieben randomisierte, kontrollierte Studien (mit 3306 Patienten) wurden identifiziert. Es wurden immer 2 APC, bzw. PLA Tabletten untersucht (500/400/100 mg [4], bzw. 500/500/130 mg [5-8]).
Bezüglich der Hauptzielgröße Schmerzfreiheit nach 2 h war APC Placebo überlegen (19.6% vs. 9.0%, und RR = 2.2; 95%-Konfidenzinterval (KI): 1.4–3.3).
Dies galt auch für die Schmerzlinderung nach 2h (54.3% vs. 31.2%, and RR = 1.7; 95%- KI: 1.6–1.9). Auch für die anderen Zielgrößen war APC gegenüber PLA überlegen. Keine Überlegenheit gegenüber PLA bestand beim sekundären Endpunkt Schmerzfreiheit nach 0,5 Stunden.
UE traten etwas häufiger bei APC als bei PLA auf (10.9% vs. 7.8%, and RR = 1.7 (95%-KI: 1.3–2.2). Es wurde kein schwerwiegendes UE berichtet.
Schlußfolgerungen
APC erwies sich als wirksam und verträglich für die Behandlung akuter Migräneattacken. RR für z. B. die Schmerzfreiheit nach 2 h waren höher im Vergleich zu Acetylsalicylsäure (900-1000 mg; RR = 2.08, 95%-CI: 1.70-2.55 [9]), Paracetamol (1000 mg; RR = 1.80, 95%-CI: 1.24-2.62[10]), oder Ibuprofen (400 mg; RR = 1.91, 95%-CI: 1.60-2.28 [11]).
Background: CGRP pathway targeted monoclonal antibodies (aCGRPs) have a favorable safety profile and are effective for the preventive treatment of episodic (EM) and chronic migraine (CM) in adults. According to the German federal joint committee (G-BA) and German guidelines for the treatment and prevention of migraine, aCGRPs can be administered to patients after preventive treatments failure and/or if contra-indications or intolerance to those have been documented. However, data on duration and reason for therapy termination of previous preventive treatments in clinical routine is scarce in Germany/ Austria.
Objective: The non-interventional study (NIS) FINESSE evaluates effectiveness and tolerability of fremanezumab in adults with EM and CM in clinical practice. Medical history of patients is documented at baseline including past preventive treatment classes (PPT) and their distribution amongst EM and CM patients, duration of treatment per class and reason for termination.
Methods: FINESSE is a multicenter, two-country (Austria, Germany) prospective NIS. This analysis focused on prophylactic migraine treatments including other aCGRPs prior to initiation of fremanezumab and within 10 years prior to study enrollment (cut-off date 09.05.21). Previous treatments were documented in 6 PPT. Distribution of PPT amongst patients including subgroups of EM and CM patients, duration of PPT and reason for termination were analysed.
Results: 706 patients were documented (86.4% female, 45.8 ± 12.3 years of age) of which 654 with PPT (55.5% EM, 44.5% CM). From those, 85.0% received beta-blockers (BB) (56.1% EM, 43.7% CM), 51.4% calcium antagonists (CA) (58.9% EM, 41.1% CM), 85.3% anticonvulsants (AC) (56.8% EM, 43.0% CM), 85.8% antidepressants (AD) (57.0% EM, 43.0% CM), 41.3% OnabotulinumtoxinA (ONA) (25.9% EM, 74.1% CM) and 17.6% aCGRPs (galcanezumab, erenumab) (53.9% EM, 46.1% CM). Median duration of PPT in months was: 3 for CA, AC and AD, 6 for BB, ONA and galcanezumab and 8 for erenumab. Main reasons for PPT termination were intolerability (I) and lack of efficacy (LoE) with following distribution respectively: BB 29.9% I, 62.2% LoE, CA 35.4% I, 55.4% LoE, AC 44.4% I, 47.8% LoE, AD 39% I, 53.7% LoE, ONA 13% I, 80% LoE, galcanezumab 25% I, 50% LoE, erenumab 6.5% I, 87.1% LoE. Other reasons (not further specified) for PPT termination were documented in a range from 6 to 25%.
Discussion: In this interim data of the FINESSE NIS, 93% of migraine patients had received past preventive migraine therapy prior to fremanezumab in line with G-BA and German guidelines for treatment and prevention of migraine. BB, AC and AD were the most administered PPT while ONA and aCGRPs the least according to indication for CM only and novelty of treatment, respectively. Interestingly, median duration between 3 and 6 months for most PPT was short. PPT termination was mainly due to lack of efficacy for all PPT with the exception of AC for which intolerability was similarly relevant.
Einleitung
Migräne gehört weltweit zu den am meisten behindernden neurologischen Erkrankungen. Monoklonale Antikörper, die auf das CGRP-Protein oder seinen Rezeptor abzielen, sind die neuesten verfügbaren prophylaktischen Behandlungsoptionen. Erenumab, ein CGRP-Rezeptor-Antagonist, war der erste monoklonale Antikörper, der für die präventive Migränebehandlung zugelassen wurde. Es besteht immer noch die Notwendigkeit, die Behandlung mit Erenumab in der klinischen Routinepraxis durch Kopfschmerzspezialisten außerhalb von randomisierten kontrollierten Studien besser zu verstehen.
Zielsetzung
Die SPECTRE-Studie (CharacteriSation of Prescription patterns in Episodic and Chronic migraine patients starting Treatment in a Reallife setting with Erenumab in Germany) zielt darauf ab, das Patientenprofil und die Behandlungsmuster für Erenumab in Deutschland basierend auf Migränemerkmalen und Komorbiditäten besser zu verstehen.
Methoden
SPECTRE ist eine nicht-interventionelle, multizentrische, offene, einarmige Studie, die Migränepatienten beobachtet, die mit Erenumab behandelt werden. An 139 Zentren in Deutschland werden 572 Migränepatienten beobachtet. Die Patienten konnten die Behandlung entweder neu oder innerhalb von 3 Monaten vor Eintritt in die Studie begonnen haben. Neben einem Kopfschmerztagebuch werden die patient-reported-outcome (PRO) Fragebögen HIT-6 und TSQM eingesetzt, um die Auswirkungen der Kopfschmerzen auf das normale tägliche Leben und die Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung zu erfassen.
Ergebnisse
Eine frühere Baseline-Analyse eines kleinen Teils der Patienten zeigte, dass die Mehrheit der Erenumab-Patienten in dieser Untergruppe Frauen mit chronischer Migräne waren, mit einem hohen Anteil an psychiatrischen Komorbiditäten. Hier erweitern wir diese Analyse auf etwa 400 Erenumab-Patienten. Es werden Baseline-Charakteristika, einschließlich monatlicher Migränetage, prophylaktischer Vorbehandlungen und Komorbiditäten, sowie 6-Monats-Follow-up-Daten, einschließlich Informationen aus einem App-basierten Migränetagebuch und PRO-Daten, vorgestellt.
Schlussfolgerung
SPECTRE wird wertvolle Einblicke in den Einsatz von Erenumab in der klinischen Praxis in Deutschland liefern, Verordnungsmuster und Patientenprofile charakterisieren helfen und das jeweilige Therapieansprechen analysieren. Dies wird möglicherweise die Entwicklung von individuellen Behandlungsstrategien für jeden Patienten ermöglichen.
Hintergrund
Bei einer Migräneprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern (mAk) gegen Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) oder dessen Rezeptor (CGRP-R) wird nach 6-12 Monaten ein Auslassversuch empfohlen. Die Auswirkungen eines solchen Auslassversuches auf die Lebensqualität sind jedoch bisher nicht bekannt.
Fragestellung
Diese Studie untersucht mit einem breiten Spektrum an validierten Fragebögen die Lebensqualität von Patient*innen mit Migräne unter Therapie mit CGRP(-R) mAk und während eines dreimonatigen Auslassversuches.
Material und Methoden
Wir schlossen Migränepatient*innen nach 8-12 Monaten Therapie mit einem CGRP(-R) mAk und vor einem geplanten Auslassversuch ein. Die Lebensqualität wurde mit folgenden Fragebögen im letzten Behandlungsmonat (V1) sowie in den Wochen 5-8 (V2) und 13-16 (V3) nach der letzten mAk-Injektion erfasst: Headache Impact Test (HIT-6), Short-Form (SF-12) mit Physical Component Summary (PCS-12) und Mental Component Summary (MCS-12), Depression Anxiety and Stress Scale (DASS-21), Euroquol-Form EQ-5D-5L und Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS-29). Endpunkte der Studie waren die Änderungen der Fragebögen-Scores zwischen den drei Zeitpunkten. Die statistische Analyse erfolgte mittels Friedman-Test und post-hoc paarweisen Vergleichen mit Bonferroni-Korrektur.
Ergebnisse
Es lagen vollständige Daten von 61 Patient*innen vor, diese waren 49,97 ± 11,28 Jahre alt und zu 96,7% weiblich. N=29 erhielten den CGRP-R-mAk Erenumab und n=32 die CGRP-mAk Galcanezumab oder Fremanezumab.
Die HIT-6-Werte zeigten eine signifikante Verschlechterung im Auslassversuch (p < 0,001). Sie betrugen 59,7 ± 6,90 im letzten Behandlungsmonat, 62,13 ± 6,68 bei V2 und 63,38 ± 6,16 bei V3.
Die PCS-12 Werte verschlechterten sich ebenso allmählich von 39,18 ± 9,70 bei V1 zu 35,14 ± 8,98 bei V3 (p=0,005). Ebenfalls zeigten die MCS-12-Werte eine signifikante Abnahme von 43,95 ± 10,95 auf 41,22 ± 11,21 (p=0,003).
Der EQ-5D-5L Index Score sank von 0,85 ± 0,17 bei V1 auf 0,77 ± 0,20 bei V3 (p=0.003).
Weder die Depressionsskala noch die Angst-Skala des DASS-21 veränderte sich im Auslassversuch. Die Stressskala des DASS-21 betrug 14,16 ± 8,09 bei V1 und verschlechterte sich signifikant bis 16,37 ± 9,39 bei V3 (p=0,014).
Die PROMIS Schmerzintensität-Skala zeigte ebenfalls eine Verschlechterung (p < 0,001). Sie maß 4,79 ± 2,07 bei V1 und stieg um 1,03 ± 1,82 Punkte bis V3. Die anderen Domänen des PROMIS-29 (Körperliche Funktionsfähigkeit, Depressivität, Angst, Erschöpfung, Schlafbeeinträchtigung, Teilhabe an sozialen Rollen und Beeinträchtigung durch Schmerzen) zeigten keine signifikante Veränderung.
Schlussfolgerung
Unsere Ergebnisse zeigen eine deutliche Verschlechterung der Lebensqualität von Migränepatient*innen nach Absetzen der Behandlung mit einem CGRP(-R) mAk. Veränderungen der Lebensqualität sollten in die Entscheidung mit einbezogen werden, ob und wann eine prophylaktische Migränetherapie wieder begonnen wird.
Für mehr als 80 % aller Rückenschmerzen sind so genannte Funktionsstörungen verantwortlich (vgl. Raspe R. 2012), die durch bio-psycho-sozialen Dauerstress verursacht werden. Stress ist ein begünstigender Faktor bei vielen Arten von chron. Schmerzen.
Unter den Entspannungstechniken ist nach bisherigem Kenntnisstand Meditation eine der vielversprechendsten Methoden in der medizinischen Anwendung (Astin, Shapiro, 2003).
Klangtherapie ist ein achtsamkeitsbasiertes ganzheitliches Entspannungsverfahren, welches neben dem vibrotaktilen und auditiven Reiz der Mechanorezeptoren (erzeugt durch Schallwellen der Klangschalen), Techniken aus der psychologischen Schmerztherapie wie Imaginationen, hypnotherapeutische Anteile und Meditation umfasst und spricht somit die Schmerzverarbeitung sowie die Schmerzwahrnehmung an.
Studien einzeln belegter Therapieeinheiten die die Klangtherapie umfasst (Hypnose, Imaginationen, vibrotaktiler Reiz der Mechanorezeptoren etc.) belegen, dass sie in ihrer Gesamtheit zur Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit, Abbau von Disstress, Entspannung der Muskulatur, Abbau von innerer Anspannung, Angst etc. führen kann.
Die Stressstudie – Klangmassage als Methode der Stressverarbeitung und Auswirkungen auf das Körperbild belegt Besserung in Bezug auf eine Stressverarbeitung. (vgl. Koller M. et al, 2010). Mittels EEG und MRT konnten sowohl Effekte von Meditation auf Gehirnstrukturen als auch die Gehirnprozesse nachgewiesen werden (vgl. Sedlmeier P, 2016). Ebenso konnten positive Effekte von vibroakustischen Methoden (Klangtherapie) bei Para- und Tetraplegikern in Bezug auf Schmerzen nachgewiesen werden (vgl. Kern M., 2009).In einer Studie an älteren Patienten mit chronischen Schmerzen zeigt sich im Vergleich zu einer Wartekontrollgruppe eine signifikante Schmerzreduktion durch Imaginationen (Baird, Sands, 2004).
Ein tiefer Entspannungszustand ist im Bezug auf die kortikale Aktivität mit dem Zustand kurz vor dem Einschlafen vergleichbar. Bei längerer regelmäßiger Anwendung von Entspannungsverfahren zeigen sich langfristige Effekte im Sinne einer Verminderung der sympathoadrenergen Erregungsbereitschaft und Modulation zentralnervöser Prozesse. (vgl. Lüking M., Martin a., 2017). Die Entspannungsreaktion als physiologisches Reaktionsmuster (somatotropes Wirkprofil) ist nur ein Aspekt, der für die Behandlung der Schmerzerkrankten spricht. Ebenso wichtig ist das psychotrope Wirkprofil der Entspannungsreaktion, welches bei der kognitiven Restrukturierung besteht (vgl. Vaitl 2009). Man versteht darunter sehr verschiedene Prozesse, die durch Entspannungs-/Meditationsverfahren angestoßen werden können und die zu neuen Erfahrungen führen, z.B. das plötzliche Auftauchen innerer Bilder. Längerfristig ergeben sich aus der Entspannungsreaktion Effekte wie die Förderung der Selbstkontrolle, Verbesserung der Selbstfürsorge und des Bewusstseins des eigenen Selbst, sowie eine Steigerung des Wohlbefindens. (vgl. Husmann B., Nass o., 2015).
Hintergrund
Fragen nach primärer und sekundärer Fehlbelegung bei Durchführung interdisziplinärer multimodaler (und vergleichbarer) Schmerztherapieprozeduren (IMST – Prozedur 8-918 sowie 8-91c, 8-975, 8-977 des OPS) sind häufiger Anlass von Überprüfungen durch den MDK. Kommt es zu Rechtssachen vor Sozialgerichten, werden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt. Der Ausgang der Verfahren ist stark von solchen ärztlichen Beurteilungen abhängig. Eine wissenschaftliche Auswertung solcher Gutachten ist bislang nicht erfolgt.
Fragestellung
Ziel der Studie ist die Identifikation primärer Fehlbelegung bei IMST durch Sachverständigengutachten nach Erfassung der dokumentierten Indikations- und der Prozedurkriterien.
Material und Methoden
Es handelt sich um eine retrospektive Auswertung von 44 ärztlichen Sachverständigengutachten, die für 10 deutsche Sozialgerichte verfasst wurden. Die Auswertung umfasst Gutachten zu IMST nach OPS-Ziffer 8-918 (vollstationär) und 8-91c (teilstationär). 26 weitere Auswertungen stehen noch aus.
Es wurde ausgewertet, ob die Vorgaben des OPS-Codes zu Indikation und Durchführung erfüllt waren und die Notwendigkeit vollstationärer Versorgung gegeben war. Die Beurteilung orientierte sich an den Prozedurbeschreibungen und den Begutachtungsempfehlungen der Sozialmedizinischen Expertengruppe 4 der MDK-Gemeinschaft unter Einbeziehung des BVSD.
Die in den Gutachten vorgetragenen Gründe für eine Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Indikationskriterien des OPS wurden in der Auswertung abgebildet, indem die für die gutachterliche Entscheidung relevanten Faktoren der Krankheitsgeschichte (z.B. Dauer und Auswirkungen der Beschwerden, Umfang der ambulanten Vortherapie) erhoben wurden.
Ergebnisse
Von 44 Gutachten zu 8-918 (n=20) und 8-91c (n=24) wurde bei 45% (n=20) eine Fehlbelegung festgestellt. Bei 14% (n=6) bestand keine Notwendigkeit für eine IMST, bei 31% (n=14) war zwar die grundsätzliche Therapieindikation gegeben, allerdings ohne Notwendigkeit vollstationärer Durchführung. Bei 14 der 20 Prozeduren 8-918 fehlte die Notwendigkeit vollstationärer Durchführung, bei 2 dieser Prozeduren lag überhaupt keine Therapieindikation vor. 4 der 24 Prozeduren 8-91c waren ohne Therapienotwendigkeit.
Dabei war der Hauptgrund für die fehlende Indikation, dass fehlgeschlagene ambulante Therapie nicht ausreichend dokumentiert war.
Schlussfolgerung
In einem Großteil der untersuchten Rechtssachen war die Indikation einer IMST grundsätzlich gegeben, nicht jedoch für die vollstationäre Therapiedurchführung. Bei dieser Durchführungsart ist häufiger mit primärer Fehlbelegung zu rechnen als in der teilstationären Versorgung.
Hintergrund: Seit der offiziellen Erklärung der SARS-CoV-2-Pandemie zur globalen Pandemie im März 2020 durch die WHO gibt es massive Einschränkungen des alltäglichen Lebens.
Fragestellung: Diese Studie soll die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf Patienten mit Migräne aufzeigen. Untersucht werden soll insbesondere deren Lebensqualität, Depressivität, Ängstlichkeit und Stress sowie kopfschmerzbedingte Alltagseinschränkungen und Kopfschmerzhäufigkeit im Verlauf der aktuellen Pandemie.
Methoden: In einer prospektiven Kohortenstudie wurden 76 Patienten mit episodischer oder chronischer Migräne mit und ohne Aura mittels Fragebögen analysiert: Kopfschmerztagebuch, HIT-6 für die Auswirkungen von Kopfschmerzen auf das tägliche Leben, DASS für Depressionen, Angst und Stress sowie MSQL v2. 1 für die migränespezifische Lebensqualität. Nach der Ersterhebung der Daten im März 2020 (T0) folgten weitere Datenerhebungen nach 3 (T1), 6 (T2), 9 (T3) und 12 (T4) Monaten.
Ergebnisse: Die migräne-spezifische Lebensqualität, erfasst mit dem MSQL v2.1, sank im Verlauf der Erhebung. Zur Ersterhebung im März 2020 betrug der Median 59,29. Er stieg nach 3 Monaten auf 64,29 und nach 6 Monaten auf 65,00. Nach 9 Monaten betrug der Median zur Lebensqualität 63,57. Der höchste Median von 68,57 wurde im März 2021 erreicht, korrespondierend zu einer höheren Einschränkung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Veränderungen waren besonders im Bereich der Rollenfunktionspräventive und der Emotionalen Funktion ausgeprägt.
Der DASS begann im März 2020 mit einem Median von 17,50, der im Juni und September 2020 auf 15 und 13,5 sank. Im Dezember 2020 stieg der DASS erneut auf 19 an und sank im März 2021 wieder auf 16,5. Die Depressionssubskala wies dabei die größten Schwankungen auf: Beginn mit einem Median von 5 im März 2020, sank der Depressivitätsscore im Juni und September 2020 auf 4 und 3, stieg im Dezember 2020 auf 6 an und sank im März 2021 erneut auf 5 ab.
Insgesamt zeigte der HIT-6 als Indikator des Einflusses der Kopfschmerzen auf das tägliche Leben über die Zeit kaum eine Änderung (HIT-6 T0, T1, T2, T3 und T4 Median 62, 61, 61, 62, 61).
Die Datenerhebung zur Kopfschmerzhäufigkeit ist noch nicht abgeschlossen.
Schlussfolgerung: Während die Einschränkungen durch die Kopfschmerzen auf das tägliche Leben weitestgehend konstant blieben, zeigen unsere Daten eine dynamische Entwicklung der migränespezifischen Lebensqualität und depressiver Symptomatik bei Patienten mit Migräne zwischen März 2020 und 2021. Die größten negativen Auswirkungen konnten dabei im März 2021 bzw. Dezember 2020 gemessen werden.
Hintergrund:
Kopfschmerzen, Geruchs und Geschmacksverlust sind initiale Symptome der Covid-19 Infektion. Der Geruchsverlust bleibt häufig auch nach ausgestandener Infektion bestehen. Wir haben im klinischen Kontext Patienten mit einer bestehenden Migräne nach Covid-19 Infektion und fortbestehender Hyposmie untersucht und ein strukturiertes 3-monatiges olfaktorisches Training unterzogen.
Methoden:
3 Patienten mit bestehender chronischer Migräne (cM, weiblich, 17 & 24 Jahre) und 2 mit einer episodischen Migräne ohne Aura (eM, weiblich, 49 Jahre) haben über Anosmie nach der Infektion mit SARS-Cov19 berichtet. Die Patienten mit cM berichteten zusätzlich über Hypogeusie. Wir haben Daten zur Kopfschmerzfrequenz und Intensität,
Tage der Arbeitsunfähigkeit und kopfschmerzbedingte Beeinträchtigung des täglichen Lebens, sowie die olfaktorische Schwelle, Diskrimination und Identifikation und die trigeminale Sensitivität getestet. Klinische Daten, Kopfschmerztagebuch, Midas und Sniffin Stick Test wurden gesammelt.
Ergebnisse:
Covid-19 führt zu einer Änderung des Kopfschmerztyps und der Kopfschmerzfrequenz bei den Patienten, zusehen von 3 Patienten in der Tabelle:
August September Oktober November Dezember Januar Februar
cM 17 Jahre 14M, 16UKS 14M, 16UKS 10M, 10UKS 10M, 1UKS 10M, 2UKS* 14M, 2UKS 9M, 10 SK
cM 24 Jahre 6M, 17UKS 6UKS 22UKS* 27UKS 1M, 8UKS 1M, 1UKS 2 SK, 2UKS
eM 49 Jahre 4M 2M 2M 4M * 1M 6M 6M
(M= Migräne, SK= Spannungskopfschmerz, UKS= unklare Kopfschmerzen, *=Covid-19 Infektion)
Patienten habe ein olfaktorisches Training für 3 Monate gemacht; ein Signifikante Besserung in der olfaktorischen Funktion konnten beobachtet werden.
Schlussfolgerung:
Der Effekt von Covid-19 auf Patienten mit Migräne wurde bis jetzt noch nicht erforscht. Wir berichten über den Verlauf von 3 Patienten mit Hyposmie nach Covid-19 und den Einsatz eines strukturierten Geruchstrainings.