Hintergrund
Bei der Evaluation der dreiwöchigen stationären interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) am Universitätsklinikum Erlangen fielen zum Zeitpunkt des Gruppenendes signifikante Verbesserungen in Bezug auf therapierelevante Variablen auf (Weidinger et al., 2019). Zur Überprüfung von langfristigen Effekten ein Jahr nach Therapieende wurde ein kombiniertes Erfolgskriterium von Donath et al. (2018, 2015) herangezogen, das bereits für die teilstationäre multimodale Schmerztherapie validiert wurde. Zudem wurden Prädiktoren für den Behandlungserfolg untersucht.
Methoden
Ausgewertet wurden Längsschnittdaten von insgesamt 158 Patientinnen (n=102) und Patienten (n=56), die im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2019 an der IMST teilgenommen haben. Das Erfolgskriterium umfasst fünf Domänen (Schmerzstärke, schmerzbedingte Beeinträchtigung, Depressivität, psychische und körperliche Lebensqualität). Als erfolgreich klassifiziert wurden hierbei Patient*innen, die in mindestens drei Einzelkriterien eine Stabilität (bzgl. niedriger Depressivitätswerte im nicht-pathologischen Bereich) bzw. eine Verbesserung um mindestens eine halbe Standardabweichung aufwiesen. Die Güte dieses für die stationäre Schmerztherapie modifizierten Kriteriums wurde anhand verschiedener Validitätskriterien geprüft. Zur Identifikation von Prädiktoren für den Behandlungserfolg wurden in einem mehrschrittigen Vorgehen binär logistische Regressionsanalysen mit dem Erfolgskriterium als abhängige Variable berechnet.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 35% der Teilnehmer*innen als „erfolgreich“ klassifiziert. Am häufigsten wurde dabei das Einzelkriterium „Depressivität“ erfüllt (62,7%), am wenigsten die Domäne „psychische Lebensqualität“ (26,6%). Bei 25% der Patient*innen trafen zwei Einzelkriterien zu, bei 23% immerhin ein Einzelkriterium.
Die Überprüfung der konkurrenten, konvergenten und Kriteriumsvalidität lieferte weitgehend erwartungskonforme Ergebnisse.
Als signifikante Prädiktoren für den Therapieerfolg stellten sich die Dauer der Schmerzen sowie die Aktivitätsbereitschaft heraus.
Schlussfolgerung
Die Studie liefert vielversprechende Hinweise, dass das kombinierte Erfolgskriterium nach Donath et al. (2015) auch in abgewandelter Form angewendet werden kann, um den längerfristigen Behandlungserfolg einer stationären Schmerztherapie abzubilden. Die Ergebnisse der explorativen Prädiktorenanalyse unterstreichen die Wichtigkeit einer möglichst frühzeitigen Behandlung von chronischen Schmerzsyndromen und einer akzeptanzbasierten, aktiven Lebensgestaltung seitens der Betroffenen.
Hintergrund: Die Coronaviruserkrankung 2019 (COVID-19) hat den Alltag von Kindern und Jugendlichen grundlegend verändert. Diese Veränderungen können das psychische Wohlbefinden, aber auch psychosomatische Erkrankungen wie chronische Schmerzen beeinflussen.
Fragestellung: In der vorliegenden Längsschnittstudie wurde betrachtet, wie sich das Erleben chronischer Schmerzen bei Schulkindern vor und während der COVID-19 Pandemie verändert, und wie dies mit Veränderungen psychischen Wohlbefindens und mit COVID-19-bezogenen Erfahrungen zusammenhängt.
Methode: An zwei Messzeitpunkten (MZP) vor und einem MZP während des ersten Lockdowns der COVID-19 Pandemie wurden Daten von N = 777 deutschen Schulkindern (Alter: 9 – 17 Jahre) erfasst. Die drei Erhebungen umfassten ein Schuljahr und fanden etwa alle 3 bis 4 Monate statt (Oktober/November 2019, Januar/Februar 2020 und Juni/Juli 2020). Die Teilnehmenden berichteten ihre Wahrnehmung chronischer Schmerzen, Angst, Depression und Lebensqualität über alle MZP hinweg; Erfahrungen bezogen auf COVID-19 wurden am letzten MZP erfasst. Verläufe in Angst, Depression und Lebensqualität, sowie COVID-19-bezogene Erfahrungen wurden getrennt für Subgruppen mit unterschiedlichen Verläufen im Erleben chronischer Schmerzen analysiert: Subgruppen mit einem stabilen Verlauf chronischer Schmerzen (MZP 1-3 chronische Schmerzen / keine chronischen Schmerzen) wurden verglichen mit Gruppen, deren Verlauf chronischer Schmerzen sich während der Pandemie veränderte (MZP 1-2 chronische Schmerzen und MZP 3 keine / vice versa).
Ergebnisse: Die Prävalenz chronischer Schmerzen war am geringsten zum MZP während des Lockdowns (22.8% vs. 29.2% und 29.9% vor der Pandemie). Allerdings erlebten 4.6% der Schulkinder während des Lockdowns erstmals im Studienzeitraum chronische Schmerzen. Diesem Beginn chronischer Schmerzen gingen erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität, sowie niedrigere Lebensqualität zu den beiden vorherigen MZP voraus. Zudem beschrieben diese Schulkinder Zeit mit ihrer Familie während des Lockdowns häufiger als angespannt im Vergleich zu Schulkindern, die keine chronischen Schmerzen entwickelten. Während des Lockdowns erholten sich mehr Jungen von anhaltenden chronischen Schmerzen als Mädchen.
Diskussion: Insgesamt nahm die Prävalenz chronischer Schmerzen in der aktuellen Stichprobe während des ersten Lockdowns der COVID-19 Pandemie ab. Allerdings können stressige Situationen und bestehende Vulnerabilitäten psychischen Wohlbefindens die Entwicklung chronischer Schmerzen während der Pandemie begünstigen.
Schlussfolgerung: Die vorliegende Längsschnittstudie gibt mit ihrer großen Schulstichprobe einzigartige Erkenntnisse zu Veränderungen im Erleben chronischer Schmerzen während der COVID-19 Pandemie. Sie liefert zudem Hinweise darauf, dass psychische Vulnerabilität und pandemiebezogener Stress mögliche Mechanismen hinter der Entwicklung chronischer Schmerzen während des pandemiebedingen Lockdowns sein können.
Hintergrund: Etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland leiden unter stark beeinträchtigenden, invalidisierenden chronischen Schmerzen. Die derzeit beste evidenzbasierte Therapie dieser Schmerzen ist eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST). Für die Mehrheit der Patient:innen ist diese Behandlung effektiv, jedoch profitieren nicht alle Kinder und Jugendlichen in ausreichender Form. Die IMST ist kurz und intensiv, die Patient:innen erlernen viele Strategien zum Umgang mit ihren Schmerzen, die sie anschließend in ihren Alltag übertragen müssen, und erhalten zudem therapeutische Empfehlungen, die nach der Entlassung umgesetzt werden sollen: Eine Herausforderung für die Familien. Im Rahmen dieser Studie wurde eine personalisierte sozialmedizinische Nachsorge (SMN-Schmerz) entwickelt, die explizit auf die Bedürfnisse der Patient:innen zugeschnitten ist. Sie setzt genau in dieser kritischen Phase an, um eine problemlose Rückkehr in den Alltag zu gewährleisten.
Methode: Zur Evaluation der SMN-Schmerz wurde ein multizentrisches randomisiert kontrolliertes Studiendesign mit fünf Messzeitpunkten (stationäre Aufnahme, stationäre Entlassung, 3-, 6- und 12-Monats Follow-Up) gewählt. N=419 Kinder und Jugendliche (M=14,3 Jahre, SD=2,1; 72,3 % weiblich) wurden konsekutiv bei stationärer Aufnahme auf der Schmerzstation einer der drei teilnehmenden Kliniken (Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Olgahospital Stuttgart oder Universitätsklinikum Augsburg) rekrutiert und randomisiert der Interventionsgruppe (SMN-Schmerz) oder der Kontrollgruppe (TAU – treatment as usual) zugeteilt. Beide Studiengruppen erhielten die gleiche IMST, da alle drei teilnehmenden Kinderschmerzzentren orientiert an demselben manualisierten Therapiekonzept arbeiten. Nach der Entlassung erhielt die Interventionsgruppe die SMN-Schmerz und die Kontrollgruppe die übliche, weniger Angebote umfassende Nachbehandlung (TAU). Mithilfe von Onlinefragebögen wurden zu den verschiedenen Messzeitpunkten u.a. Schmerzcharakteristika und emotionale Parameter wie Depressivität und Ängstlichkeit erhoben.
Ergebnisse: Wir konnten eine Überlegenheit der SMN-Schmerz im Vergleich zu TAU zum 3-Monats Follow-Up (n=313), 6-Monats Follow-Up (n=222) sowie zum 12-Monats Follow-Up (n=265) nachweisen: Nach 12 Monaten erlebten 40% der Patient:innen in der Interventionsgruppe gar keine Schmerzen in den vergangenen 4 Wochen, verglichen mit nur 15% der TAU-Patient:innen (p < .001). Darüber hinaus hatte die SMN-Schmerz einen signifikant positiven Einfluss auf emotionale Parameter (Interaktionseffekte Messzeitpunkt x Studiengruppe, alle p < .001).
Diskussion: Bis zu zwölf Monate nach der Entlassung aus der IMST zeigte die SMN-Schmerz einen positiven Effekt auf schmerzbezogene und emotionale Parameter. Weitere Forschung ist notwendig, um die langfristigeren Auswirkungen der Intervention sowie die dem Effekt zugrundeliegenden Wirkmechanismen zu untersuchen.
Introduction
Erenumab is the first EMA and FDA approved monoclonal antibody targeting the CGRP-receptor specifically developed for preventive migraine treatment. Recently, 5-year data from an open-label treatment phase confirmed the long-term safety profile of erenumab in an international cohort. However, long-term data on safety and efficacy of erenumab is still limited for the German population. Further, the impact and relevance of a drug holiday in the erenumab treatment suggested by the German guidelines for migraine preventive therapy by the DGN/DMKG should be investigated.
Methods
APOLLON is a 128-week open-label study of erenumab treatment, assessing long-term safety and tolerability data of migraine patients in Germany who previously participated in a head-to-head trial of erenumab and topiramate (HER-MES, NCT03828539). At scheduled visits, the treating physician can change the erenumab dose according to the approved label or initiate a drug holiday. Thereby, impact of treatment discontinuation on monthly migraine days is assessed 4 weeks prior to, during and 12 weeks after the medication-free epoch.
Results
The study design and first results of an interim analysis describing the baseline characteristics of the total study population of 701 enrolled patients will be presented. Number and time point of current or planned drug holidays will also be presented.
Conclusion
This analysis will provide insights into the patient population enrolled in the APOLLON study to assess long-term safety and tolerability of erenumab. Furthermore, common treatment algorithms will be elucidated by this trial investigating the relevance of drug holidays during preventive migraine treatment in the participating 80 headache centers in Germany.
Hintergrund:
Seit dem 1.März 2017 ist medizinisches Cannabis verschreibungsfähig und kann bundesweit von Ärztinnen und Ärzten jeder Fachrichtung verordnet werden.
Das Fibromyalgie-Syndrom ist die zweithäufigste rheumatologische Erkrankung mit einer weltweiten Prävalenz von 2-8 %.
Neben mehreren unkontrollierten oder retrospektiven Studien wurden bisher 4 randomisiert kontrollierte Studien bei insgesamt 106 FMS-Pateinten durchgeführt.
Fragestellung:
Der Einfluss einer oralen Therapie mit Cannabis im Rahmen einer stationären multimodalen Therapie auf Schmerz, Depression und Lebensqualität.
Material und Methoden:
Im Klinikum Pfarrkirchen werden chronische Schmerzpatienten nach Indikationsstellung durch ein ärztliches Assessment mindestens 9 oder 17 Tage in einem multimodalen, interdisziplinären Setting behandelt.
Für die vorgestellte zweifaktorielle Längsschnittstudie (Zeit x Cannabis-Medikation) wurden FMS-Patienten unserer Einrichtung 2017 und 2018 rekrutiert, die folgende Einschlusskriterien erfüllten: Alter > 18 Jahre, initialer Schmerz-Score >= NRS 4/10, keine laufende Cannabistherapie, kein Abbruch der stationären Therapie oder Abbruch einer während des Aufenthalts begonnenen Cannabistherapie, vollständige Daten, schriftliches Einverständnis mit der Studienteilnahme.
Abhängige Variablen, die im Längsschnitt und im Gruppenvergleich mit und ohne Cannabis-Medikation erhoben wurden: Schmerzindex, Depressivität (HADS-D) und Lebensqualität (QLIP).
Ergebnisse:
Im Studienzeitraum konnten insgesamt N=120 FMS-Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Im Mittel waren die Patienten 54,7 Jahre alt (SD 9,4 Jahre; Range 27 bis 79 Jahre).
62 Patienten (51,7%) der Studiengruppe wurde im Verlauf mit medizinischem Cannabis behandelt. 58 Patienten (48,3%) waren in der Vergleichsgruppe ohne Cannabis-Behandlung.
Erfreulicherweise zeigte sich in allen drei beobachteten Bereichen (Depressivität, Schmerzindex, Lebensqualität) ein signifikanter Haupteffekt über die Zeit (P < 0.001) – das heißt, in der Gesamtgruppe war eine signifikante Besserung durch die Behandlung zu verzeichnen. Weiterhin zeigte sich bei der Analyse für alle drei Zielvariablen ein signifikanter Wechselwirkungseffekt: Der Einsatz von medizinischem Cannabis brachte jeweils nochmals einen signifikanten Zusatznutzen in Richtung Schmerzlinderung (P=0.001, Stimmungsverbesserung (P=0.037) und Verbesserung der Lebensqualität (P=0.004).
Schlussfolgerung:
Die vorgestellten Studienergebnisse geben einen eindeutigen Hinweis darauf, dass der Einsatz von medizinischem Cannabis bei der Komplexbehandlung FMS-Patienten mit ungenügender Schmerzlinderung nach Leitlinientherapie einen signifikanten und klinisch relevanten Zusatznutzen mit Blick auf Schmerzsymptomatik, Depressivität und Lebensqualität bringen kann.
Background: Non-specific low back pain (NLBP) causes an enormous burden to patients and tremendous costs for health care systems worldwide. Often treatments are not oriented to guidelines and about 65% of patients with acute or subacute NLBP still report pain after 12 months. The cluster-randomized controlled Rise-uP trial, funded by Innovationsfonds Germany, established a GP centered back pain treatment with four digital elements: (1) electronic case report form (eCRF), (2) a treatment algorithm for guideline-based clinical decision making of GPs, (3) teleconsultation between GPs and pain specialists for patients at risk for development chronic back pain, and (4) the multidisciplinary Kaia back pain app. Here we present the long-term results of the Rise-uP trial (12 months follow-up) which refer to (1) patient-reported outcome measures (PROMs) and (2) the health-care costs.
Methods: 111 GPs throughout Bavaria were randomized either to the Rise-uP intervention group (IG) or the control group (CG). Rise-uP patients were treated according to the guideline-oriented Rise-uP treatment algorithm. Standard of care was applied to the CG patients with consideration given to the “National guideline for the treatment of non-specific back pain”. Pain ratings (primary outcome) as well as psychological measures (anxiety, depression, stress), functional ability and physical and mental wellbeing (secondary outcomes) were assessed at the beginning of the treatment and at a 3-, 6- and 12 months follow-up. Furthermore, individual healtcare cost data provided by the health insurances AOK, DAK and BARMER were analyzed and compared between groups.
Results: In total, 1245 patients (IG: 933; CG: 312) with NLBP were included into the study. The Rise-uP group showed a significant stronger pain reduction compared to the control group after 12 months (IG: -46% vs. CG: -24%; p < .001). The Rise-uP group was also superior in secondary outcomes (stress, anxiety, depression, functional ability and wellbeing).
Cost analyses showed cost-differences of -80% in favour of Rise-uP (difference-in-difference analysis). While healthcare costs in the control group increased by +208 € on average during the observational period, the costs in the Rise-uP group were reduced on average by -39 €, which is a significant difference-in-difference (DID) = 247 € (p = .011). The cost-effectiveness analysis showed cost savings of 312 € per point reduction on the NRS pain scale.
Conclusions: Our results show clinical and economic superiority of the innovative digital treatment algorithm realized in Rise-uP in a long-term observation period of one year, even though the control group also received active treatment by their GPs. The Rise-uP trial provides clear evidence that digital treatment is a promising tool to sustainably improve the outcome of NLBP treatment and - at the same time - to save costs. Thus, digital treatment shows potential to contribute to standard-of-care in back pain.
Einleitung: Zentrale neue Intervention von PAIN2020 (FNR 01NVF17049) ist ein frühzeitiges Interdisziplinäres Multimodales Assessment (IMA) für Patient*innen mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko, mit dem Ziel einer sektorenübergreifenden, bedarfsgerechten Empfehlung an die Patient*innen. Das IMA besteht aus einer interdisziplinären Befundung (berufsgruppenspezifisch und Teamsitzung) sowie einem gemeinsamen Abschlussgespräch mit den Patient*innen. Nach dem IMA stehen neben den Versorgungsleistungen der Regelversorgung (RV), inkl. der (teil)stationären interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST), zwei neue niedrigschwellige, ambulante Therapieoptionen, edukative IMST (E-IMST, 1x3Std) und begleitende IMST (B-IMST, 10x3Std), zur Verfügung. Ziel ist zum einen die Überprüfung der Bedeutung der schmerzbezogenen und psychometrischen Patientencharakteristika hinsichtlich der Einzel-Einschätzungen der Berufsgruppen und der Teamempfehlung und zum anderen, wie sich die diese auf die Therapieempfehlungen verteilen.
Methodik: Im Zeitraum von 04/19 bis 04/21 wurden in 29 teilnehmenden Zentren (universitäre Einrichtung, Krankenhaus oder ambulante Praxis) 593 Patient*innen (w 67,8%/55,1 J., m 32,2%/53,4 J.) mit einem IMA versorgt. Diese Patient*innen werden hinsichtlich ihrer schmerzbezogenen und psychometrischen Angaben aus dem Deutschen Schmerzfragebogen (DSF: u.a. FW7, DASS, VR-12) sowie der in PAIN2020 zusätzlich ergänzten Fragebögen (u.a. PCS) beschrieben und in Bezug zu den Einzel-Einschätzungen der Berufsgruppen (u.a. MPSS, ICD-Diagnosen) und der Teamempfehlung (Bestandteil des prozessbezogenen Monitorings), betrachtet.
Erste Ergebnisse: Im Gesamten zeigen sich bei einem Anteil der Patient*innen in allen psychometrischen Testbefunden auffällige Werte (z.B. FW7 23,6%; DASS Angst 21,1%, Depressivität 19,4%, Stress 31,9%, VR-12 körperl. 36,6%, VR-12 psych. 16,3%, PCS 24%). Im Durchschnitt weisen Patient*innen mit einer Empfehlung für eine E- oder B-IMST gegenüber Patient*innen mit einer Empfehlung für eine (teil)stationäre IMST oder alleinige Empfehlung der RV weniger auffällige psychometrische Testbefunde auf. Die Bedeutung der Patientencharakteristika hinsichtlich der Einzel-Einschätzungen und der Teamempfehlung in Bezug auf die Empfehlungen wird vorgestellt und kritisch diskutiert (Analyse läuft aktuell).
Diskussion: Die Empfehlung der neuen niederschwelligen Therapieangebote für in psychometrischen Testverfahren weniger stark betroffenen, jedoch bereits behandlungsbedürftigen Patient*innen zeigen unter anderem den Bedarf einer Entwicklung solcher Angebote für die Regelversorgung auf, um bedarfsgerechte Versorgung auch dieser Patientengruppe zu ermöglichen.
Background: Migraine is a debilitating neurological disorder. During and between migraine attacks, individuals often face significant disruption of daily activities. Limited research exists on the interictal burden and treatment patterns of people with migraine in Germany, especially those outside the healthcare system. The objective of this survey study was to describe the clinical and demographic characteristics, medication use and, the impact of migraine in adults residing in Germany.
Material and Methods: Data were from German adults (≥ 18 years) in the European ObserVational survey of the Epidemiology, tReatment and Care Of MigrainE (OVERCOME EU); a large, cross-sectional, population-based online survey (October 2020 to February 2021). People with migraine were identified by a validated migraine diagnostic questionnaire and/or self-reported physician diagnosis. Information on migraine-related experiences, including treatment habits, were collected along with other information. Impact of migraine on daily activities in the previous 7 days was assessed using the Work Productivity and Activity Impairment: Migraine questionnaire. For this publication, data were analysed descriptively, using means (standard deviation [SD]) or median (first and third quartile) for continuous variables and frequencies with percentages for categorical variables.
Results: Of 10,527 participants with migraine (mean age 41.31 years [SD 14.26]); female 60.7%), 63.5% were living in a relationship, more than half (57.0%) were the primary income earner and 38.1% had ≥ 1 child (< 18 years) living in the same household. Mean number of headache days in the past month was 5.75 (SD 5.99); almost two-thirds of participants (63.0%) had ≤ 3 headache days per month (HD/month) and remaining participants had ≥ 4 HD/month. When asked about the usual duration of a migraine/severe headache attack, 8.2% of participants stated it lasted < 2 hours, while half (53.2%) lasted between 2-7 hours and, 38.5% lasted ≥ 8 hours. Almost one-fifth of participants (18.5%) had not sought medical care for headache/migraine. In terms of acute medication use in the previous 12 months, three-quarter of participants (75.1%) used over-the-counter medication to treat or relieve migraine or severe headaches, various prescribed pharmacological treatments were also used (oral [51.5%]; nasal spray [20.7%]; self-administered injection [15.3%]; suppository [12.7%]). Median out-of-pocket spend on migraine/severe headache medications in the past month (n=6952) was EUR 15 (first and third quartile: 5.0, 30.0). Overall, mean percent impairment with daily activities was 42.28% (SD 28.73).
Conclusion: This real-world population-based survey study provides a unique insight into patient reported parameters irrespective of whether they are seeking medical care. In this large German sample of people with migraine, the burden of migraine to people and to the healthcare system remains substantial.
Hintergrund: Nicht alle Patienten mit Migräne sprechen auf die Therapie mit einem monoklonalen CGRP-Antikörper (mAk) an. Ob bei diesen Patienten ein Wechsel zu einer anderen CGRP-mAk-Klasse (Rezeptor / Ligand) wirksam ist, wurde bisher nicht untersucht. In dieser real-world Analyse haben wir das Ansprechen auf eine CGRP-mAk Therapie bei Patienten untersucht, die vorangehend nicht ausreichend auf eine Therapie mit dem CGRP-Rezeptor-mAk Erenumab angesprochen haben.
Methoden: Wir haben retrospektiv in vier Ambulanzen in Deutschland die Daten von 78 Patienten ausgewertet, die zwischen November 2018 und Mai 2020 die CGRP-mAk Klasse gewechselt haben. Von diesen hatten 25 Patienten nach drei Behandlungszyklen mit Erenumab nicht auf die Therapie angesprochen ( < 30% Reduktion der monatlichen Kopfschmerztage) und hatten eine komplette Kopfschmerzdokumentation. Der primäre Endpunkt war die ≥ 30% Responder-Rate im 3. Monat nach dem Antikörper Wechsel. Sekundäre Endpunkte umfassten die ≥ 50% Responder-Rate, die monatlichen Kopfschmerztage und die monatlichen Tage mit Akutmedikation. In einer Subgruppen Analyse wurden die Patienten für täglichen (28/28 Tagen/Monat) und nicht-täglichen Kopfschmerzen stratifziert.
Ergebnisse: Der Wechsel von Erenumab zu einem CGRP-mAk führte bei einem Drittel (32%) der Patienten nach drei Behandlungszyklen zu einer Reduktion der monatlichen Kopfschmerztage von ≥ 30% im Vergleich zum Ausgangswert. Bei 12% der Patienten wurde ein Ansprechen von ≥ 50% erreicht. Die monatlichen Kopfschmerztage waren im dritten Monat im Vergleich zum Ausgangswert signifikant reduziert (20,8 ± 7,1 zu 17,8 ± 9,1; p = 0,009). Die stratifzierte Analyse zeigte, dass kein Patient mit täglichem Kopfschmerz auf die Therapie angesprochen hat, wohingegen 50% der Patienten mit nicht-täglichem Kopfschmerz eine Reduktion der monatlichen Kopfschmerztage von ≥ 30% erreicht hat.
Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse liefern erste Hinweise darauf, dass ein relevanter Anteil der Erenumab-Non-Responder von einem Wechsel der Behandlung zu einem CGRP-mAb profitiert. Ein Wechsel der CGRP-mAk Klasse kann eine effektive Behandlungsoption insbesondere bei Migränepatienten mit nicht-täglichen Kopfschmerzen sein.
Hintergrund
Nationale und internationale Leitlinien empfehlen, die Migräneprophylaxe mit monoklonalen CGRP(-Rezeptor)-Antikörpern (mAk) nach 6-12 Monaten erfolgreicher Therapie abzusetzen. Diese Empfehlung basiert auf Expertenmeinung aber die Evidenz für eine mögliche anhaltende Besserung nach Absetzen ist sehr limitiert.
Fragestellung
Ziel dieser Studie war es, den Krankheitsverlauf nach Beendigung der Migräneprophylaxe mit dem CGRP-Rezeptor-mAk Erenumab und den CGRP-mAk Galcanezumab und Fremanezumab zu untersuchen.
Material und Methoden
In diese longitudinale Kohortenstudie wurden Patient*innen mit Migräne eingeschlossen, die einen CGRP-(Rezeptor)-mAk für ≥ 8 Monate erhielten und bei denen ein Auslassversuch geplant war. Wir analysierten Kopfschmerzdaten in der vierwöchigen Periode vor Beginn der mAk-Therapie (Baseline), im Monat vor der letzten mAk-Behandlung (LB) sowie in Wochen 5-8 und 13-16 nach LB. Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung der monatlichen Migränetage (MMT) zwischen dem Monat vor LB und Wochen 13-16. Sekundäre Endpunkte waren die Änderungen der monatlichen Kopfschmerztage (MKT) und der monatlichen Tage mit Einnahme von Akutmedikation (AMT) in diesem Zeitraum.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 62 Patient*innen an der Studie teil (n=31 unter Prophylaxe mit dem CGRP-Rezeptor-mAk Erenumab und n=31 unter den CGRP-mAk Galcanezumab oder Fremanezumab). In den vier Wochen vor LB verzeichneten die Patienten 8,24 ± 6,59 MMT. Die MMT stiegen auf 10,32 ± 6,85 in Wochen 5-8 (p = 0,001 vs. LB) und auf 12,47 ± 6,64 in Wochen 13-16 (p < 0,001 vs. LB). MKT und AMT zeigten einen ähnlichen Verlauf mit einer allmählichen Verschlechterung beginnend in Wochen 5-8.
Subgruppenanalysen zeigten eine schnellere Verschlechterung bei Patient*innen mit Erenumab als bei Patient*innen mit einem CGRP-mAk: In der Erenumab-Gruppe stiegen die MMT in Wochen 5-8 von 8,66 ± 5,87 auf 11,55 ± 6,19 (p=0,001 vs. LB), während es in der CGRP-mAk-Gruppe keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen LB und Wochen 5-8 gab (7,83 ± 7,29 vs. 9,13 ± 7,35, p > 0,999). In Wochen 13-16 zeigten beide Gruppen einen signifikanten Anstieg der MMT im Vergleich zur LB mit 13,31 ± 6,05 MMT in der Erenumab-Gruppe (p < 0,001 vs. LB) und 11,67 ± 7,18 MMT in der CGRP-mAk-Gruppe (p = 0,003 vs. LB).
Im Vergleich zur Baseline vor Therapiebeginn, verringerten sich die MMT im LB-Zeitraum um -5,03 ± 6,04 (p < 0,001). Die Migränefrequenz blieb in Wochen 5-8 signifikant niedriger als in der Baseline (-2,95 ± 6,44 MMD, p = 0,033), kehrte aber in Wochen 13-16 auf das Baselineniveau zurück (-0,80 ± 5,37 MMD, p > 0,999).
Schlussfolgerung
Das Absetzen einer Migräneprophylaxe mit CGRP(-Rezeptor)-mAk führte zu einer signifikanten Zunahme der Migränefrequenz innerhalb von drei Monaten. Basierend auf unseren Daten sollte ein Absetzversuch sorgfältig mit den Patient*innen auf individueller Basis erwogen werden und nicht obligatorisch nach einer vordefinierten Behandlungsdauer erfolgen.
Hintergrund:
Die Zuordnung und Abgrenzung chronischer Schmerzsyndrome ist im klinischen Alltag häufig eine Herausforderung. Insbesondere das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) und die Small Fiber Neuropathie (SFN) werden aufgrund einer Vielzahl überschneidender Symptome häufig als dieselbe Diagnose mit unterschiedlicher klinischer Präsentation missverstanden.
Fragestellung:
Wir untersuchten, inwieweit eine Differenzierung beider Krankheitsbilder durch ausführliche Anamnese und klinische Phänotypisierung möglich ist.
Material und Methoden:
Wir analysierten Daten von 158 FMS- und 52 SFN-Patientinnen, die im Rahmen zweier Großstudien in unserer Klinik ausführlich bezüglich einer Kleinfaserpathologie charakterisiert wurden..
Neben Erfassung demographischer Daten, einer ausführlichen und schmerzbezogenen Anamnese, der Anwendung etablierter Schmerzfragebögen und der klinischen Untersuchung wurden vier spezialisierte Tests zur Untersuchung der kleinkalibrigen Nervenfasern durchgeführt: die quantitative sensorische Testung (QST), die Ableitung schmerz-assoziierter evozierter Potentiale (Pain related evoked potentials, PREP), die korneale konfokale Mikroskopie (CCM) und eine Hautstanzbiopsie.
Ergebnisse:
Während der Schmerz bei FMS am ganzen Körper auftritt, lokalisieren SFN-Patientinnen diesen v.a. akral (Hände/Finger 64%, Füße/Zehen 98%). FMS-Patientinnen charakterisieren den Schmerz hauptsächlich als drückend (38%) und Muskelkater-artig (25%). Der Schmerz bei SFN wird vorwiegend als brennend (85%) und stechend (66%) beschrieben. Die durchschnittliche Schmerzintensität wird von FMS-Patientinnen sowohl ohne (p < 0,01) und als auch unter symptomatischer Therapie (p < 0,01) höher eingestuft als von SFN-Patientinnen. Außerdem geben Patientinnen mit FMS eine höhere Anzahl potentieller Provokationsfaktoren an (⌀ 2,3) als SFN-Patientinnen (⌀1,6, p < 0,001). Das Alter bei Symptombeginn liegt bei FMS bei ⌀ 34,5 Jahren, bei SFN ⌀45,5 Jahren (p < 0,001). Als Zusatzsymptome stehen bei FMS das Reizdarmsyndrom (44%, p < 0,01), Schlafstörungen (63%, p < 0,001) und Fatigue (88%, p < 0,001) im Vordergrund, bei SFN hingegen Kribbelparästhesien (68%, p < 0,001), Hypästhesien (28%, p < 0,001) und Hyper-/Hypohidrose (64%, p < 0,01). Psychische Erkrankungen, darunter v.a. Depression, finden sich vorwiegend bei FMS-Patientinnen (47%, p < 0,001).
Schlussfolgerung:
FMS- und SFN-Patientinnen haben trotz der Vielzahl an Überschneidungen unterschiedliche klinische Phänotypen. Unsere Studie zeigt, dass bereits eine ausführliche Anamnese und klinisch-neurologische Untersuchung entscheidende Hinweise zur Differenzierung der beiden Krankheitsentitäten liefern kann.
Hintergrund: 2019 wurden in Deutschland mehr als 17 Millionen Operationen durchgeführt (Destatis 2020). Dabei klagen nach einer Operation fast 50% aller Patient:innen über mittelschwere bis starke Schmerzen (Meißner et al. 2017). Spezialisierte Akutschmerzdienste (ASD) sollen helfen die Qualität der postop. Schmerztherapie zu verbessern. Aufgaben und Strukturen von ASD sind jedoch nicht einheitlich definiert. Vor diesem Hintergrund wurde eine Leitlinienrecherche durchgeführt und in Registerdaten untersucht, inwiefern bereits Evidenz für den Einfluss eines ASD auf die Prozess- und Ergebnisqualität besteht.
Material/Methoden: Neben einer Analyse in sieben internationalen Leitlinien zu festgelegten Anforderungen an einen ASD, führten wir eine Analyse von Struktur-, Prozess- und Ergebnisparametern des QUIPS-Registers durch. Hierfür analysierten wir die Daten von 31222 Patient:innen aus 40 Krankenhäusern, welche im Zeitraum von 2010-2019 erhoben wurden. Als primärer Endpunkt wurde ein Schmerz Composite Score (SCS) aus Schmerzintensitäts- und -beeinträchtigungsangaben sowie Angaben zu Nebenwirkungen auf Grundlage des QUIPS- Patienten:innenfragebogens gewählt. Mithilfe eines gemischten linearen Regressionsmodells wurde die Assoziation zwischen dem SCS und dem Vorhandensein eines ASD analysiert.
Ergebnisse: Drei von sieben untersuchten Leitlinien sprechen sich explizit für die Implementierung eines ASD aus.
Wir definierten schriftliche Vereinbarungen, das Vorhandensein von designiertem Personal (min. ein Arzt und Pflege), auch am Wochenende, sowie regelmäßige Dokumentation und Erhebung von Schmerzscores als basale Qualitätskriterien. Diese erfüllten lediglich 13 der 33 analysierten Krankenhäuser mit vorhandenem ASD.
In der Regressionsanalyse konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen Vorliegen eines ASD und dem SCS als Surrogatparameter der patientenbezogenen Ergebnisqualität aufgezeigt werden. In den sekundären Analysen bezüglich der SCS- Einzelvariablen sowie weiterer postoperativ relevanter Variablen (z.B. Patientenzufriedenheit oder Medikamentengabe) ergab sich ein inkonsistentes Bild bzgl. des Vorliegens eines ASD, wobei die Effektstärken stets als niedrig zu bewerten waren.
Schlussfolgerung: Ein nach den von uns identifizierten Kriterien qualifizierter ASD scheint in der analysierten Stichprobe nicht mit klinisch relevanten Unterschieden des Outcomes assoziiert zu sein. Vor allem der Mangel an einheitlich und konkret formulierten Vorgaben zur Etablierung eines ASD könnte ein Grund für diese Befunde sein. Limitationen bestehen im nicht kontrollierten Studiendesign, der geringen Zahl eingeschlossener Institutionen und dem Vorhandensein von Covariablen.
Hintergrund: Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) ist ein etabliertes Verfahren zur Therapie chronischer Schmerzen, dessen Effektivität und Nachhaltigkeit Gegenstand aktueller Forschung ist. Die konkrete Ausgestaltung der IMST, z.B. hinsichtlich der Behandlungsdauer, wird nicht einheitlich gehandhabt. In unserer Klinik wurde ein zweiwöchiges Behandlungsprogramm auf der Basis eines bio-psycho-sozialen und salutogenetischen Verständnisses von Krankheit und Gesundheit etabliert. Unsere Untersuchung soll zeigen, inwieweit das Behandlungskonzept schmerzbedingte Beeinträchtigungen beeinflussen kann.
Methoden: Hierfür wurde über vier Jahre orientiert am Core-Outcome-Set (Kaiser et al., 2018) die Dokumentation der IMST ausgewertet. Die Messzeitpunkte lagen am Beginn der Therapie (T0) sowie zwei Wochen (T2) und sechs Monate (T3) nach deren Ende. Wir berechneten die Mittelwerte der einzelnen Scores des Pain Disability Index (PDI) sowie den Parameter „Tage übliche Aktivität nicht möglich in den letzten drei Monaten“ mit der ANOVA mit Messwiederholung. Die Effektstärken wurden mit Cohen´s d angegeben. Bei den Angaben zum Behandlungserfolg auf einer fünfstufigen Likert-Skala („sehr gut“ bis „schlecht“) wurde der Friedman-Test angewendet.
Ergebnisse: Es lagen 239 vollständige Datensätze vor (71,7% W, 28,3% M, Durchschnittsalter 52,1 Jahre). Der PDI (0 bis 100 Punkte) konnte von 69,9 (T0) über 61,7 (T2) auf 60,2 (T3) reduziert werden. Es zeigte sich im kurzfristigen (T0/T2) und mittelfristigen (T0/T3) Verlauf jeweils eine hochsignifikante Veränderung (p < 0,001) sowie eine Effektstärke von 0,36 für T0/T2 und 0,40 für T0/T3. Die Einzelwerte der Beeinträchtigungen zeigten allesamt hochsignifikante Verbesserungen für T0/T2 und T0/T3. Die Effektstärken für die Beeinträchtigung der Freizeit sind 0,38 (T0/T2) und 0,42 (T0/T3), für die Beeinträchtigung des Alltags 0,27 (T0/T2) und 0,28 (T0/T3). Der Parameter „Tage übliche Aktivität nicht möglich in den letzten drei Monaten“ ergab eine Reduktion von 52,6 (T0) auf 46,7 (T3). Die Veränderung T0/T3 ist signifikant (p < 0,05). Der Parameter „Behandlungserfolg“ zeigte für T0/T2 und T0/T3 signifikante Verbesserungen. Die häufigste Angabe änderte sich signifikant von „weniger gut“ (T0) über „gut“ (T2) zu „zufriedenstellend“ (T3).
Schlussfolgerung: Eine zweiwöchige IMST an einem qualifizierten Zentrum kann eine anhaltende Verbesserung der schmerzbedingten Beeinträchtigung und eine Verbesserung der Lebensqualität erreichen. Der messbare Zugewinn an Tagen, an denen üblichen Aktivitäten nachgegangen werden kann, trägt vermutlich maßgeblich hierzu bei und kann sich in der Wahrnehmung der Erreichung der Therapieziele durch den Patienten widerspiegeln. Um zu zeigen, welche zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung der IMST den besten Effekt zeigt, sind weitere Untersuchungen erforderlich, insbesondere muss auch die Umsetzung von Empfehlungen für den poststationären Verlauf analysiert und berücksichtigt werden.
Hintergrund: Die Musikergesundheit, insbesondere die Untersuchung und das Management von Patienten mit musik-assoziierten Nacken-Armschmerzen, ist ein Forschungsschwerpunkt an der Hochschule Osnabrück. Die quantitativ sensorische Testung (QST) kann wertvolle Zusatzinformation bezüglich der differenzierten Diagnosestellung von musik-assoziierten Schmerzzuständen sowie möglicher Prädiktoren für eine Schmerzchronifizierung bieten.
Ziel eines derzeitigen Projektes ist, alters-, geschlechts-, und lokalisationsabhängige QST Normwerte für Areale im Nacken-Armbereich zu erheben. Um eine zukünftige Übernahme der erfassten Daten in die Datenbank des Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) zu ermöglichen, muß vorab eine Qualitätssicherung anhand der erhoben Hand QST Daten erfolgen.
Fragestellung: Stimmen die erhobenen Hand QST Daten mit den DFNS Normwerten der Hand überein?
Methode: Zwei Untersucherinnen führen die QST Untersuchungen aus. Beide nahmen vor Rekrutierungsbeginn an einer QST Schulung des DFNS teil. Bisher haben 24 gesunde Personen (18 Frauen, 6 Männer) im Alter von 20-64Jahren an der Studie teilgenommen. Die komplette Testbatterie wird gemäß des DFNS QST Protokolls auf der dorsalen Hand durchgeführt (1).
Ergebnisse: Ergebnisse werden auf dem Deutschen Schmerzkongress präsentiert.
Background: Quantitative sensory testing (QST) has been used widely for the evaluation of somatosensory nerve dysfunction. The German Research Network on Neuropathic Pain (DFNS) developed a comprehensive QST protocol (1), which has been adopted by many clinical and research centres in Europe (2). Homogeneity of QST data between European centres has been documented, but not yet between centres in Europe and Australia.
Aim: The aim of this study was to investigate if there are differences in sensory profiles between healthy people living in Germany and people living in Australia.
Method: QST was performed in 24 healthy subjects living in Osnabrueck/Germany and in 24 age and gender matched healthy subjects living in Perth/Western Australia, according to the DNFS QST protocol. The examiners had undergone training by DFNS. QST was performed on the hand dorsum. All participants completed the DFNS health screening questionnaires prior to QST, including the Hospital Anxiety and Depression Scale and the Pain Catastrophizing Scale. QST data were log transformed according to DFNS methodology (1).
Results: The participants’ age ranged from 20-64 years (mean 27.5, SD10.9), with 42 (88%) participants being in the age range of 20-30 years. There was no difference in anxiety and depression scores between groups. Participants in Germany showed higher pain catastrophizing scores compared to participants in Australia, (p=0.001), however the scores were still within normal range. German participants were significantly more sensitive to cold and heat compared to Australians
(p < 0.029) and less sensitive to touch, pin prick and vibration testing (p < 0.015).
Discussion: QST sensory profiles of the hand dorsum differed between a young healthy age group living in Germany and the same age group living in Australia. It remains to be seen if differences in QST profiles will also be seen in older age groups and other tested body regions.
Conclusion: Our preliminary data showed heterogeneity of QST profiles obtained in the hand in healthy subjects. The findings may limit performing multicentre QST-based studies between the two centres involved.
Einleitung
Aktuelle Studienergebnisse konnten zeigen, dass Blockadeserien im Kopf-Hals-Bereich eine Therapieoption für Patient*innen mit sonst therapierefraktären Neuralgien der kranialen Nerven darstellen. Leider kommt es jedoch nach Abschluss dieser Behandlung, trotz eines multimodalen Therapieansatzes, häufig zu einer erneuten Zunahme der Schmerzintensität. Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) könnte aufgrund synergistischer, neuromodulatorischer Netzwerkeffekte die erreichte Schmerzreduktion verlängern.
Methoden
Für diese prospektive, randomisiert-kontrollierte Pilotstudie wurden sämtliche Patient*innen gescreent, die sich zwischen Juni 2016 und März 2019 die sich in der Schmerzambulanz des Charité Virchow Klinikums vorstellten, um eine Infiltrationsserie im Kopf-Hals Bereich zu erhalten. Von 36 potentiellen Patient*innen, die im Pre-Screening die Einschlusskriterien erfüllten, konnten 17 Patient*innen in die Studie eingeschlossen werden. Die Studienkohorte wurde in drei Studienarmen randomisiert, die entweder eine anodale (n=6), kathodale (n=6) oder Scheinstimulation (n=5) mit tDCS über der M1 Region erhielten. Dabei wurde der Verlauf der Schmerzintensität auf der Numerischen-Raten-Skala (NRS), Komorbiditäten sowie Angaben aus dem Tagesfragebogen des deutschen Schmerzfragebogens analysiert. Des Weiteren wurden die Patient*innen mit einer historischen Vergleichskohorte aus einer Vorstudie verglichen.
Ergebnisse
Zwischen den Gruppen in der peer-protocol Kohorte (n=13) gab es einen nicht-signifikanten Unterschied zwischen den Medianen der NRS Werte vor Beginn der Infiltrations- und Stimulationsserie (anodal 5,50 (IQR 4,50-7,00), kathodal 9,00 (IQR 8,00-9,00), Scheinstimulation 7,50 (IQR 4,75-9,50), p=0,168). Im Verlauf der Infiltrations- und Stimulationsserie kam es zu einer relativen Reduktion der maximalen Schmerzintensität in der anodalen Gruppe um 73%, in der kathodalen Gruppe um 50% und in der Scheingruppe um 69%. Die Gesamtreduktion der NRS Werte im Verlauf war statistisch signifikant (NRS Beginn Median 7 (IQR5,00-9,50), Ende Median 3 (IQR 1,00-4,00), p < 0,001). Im Vergleich dazu wurde in der historischen Kontrollgruppe ohne tDCS lediglich eine Reduktion der Schmerzintensität um 44% (p=0,054 versus tDCS) erreicht. Im Verlauf der Studie kam es zu einem Drop-Out von 4 der 17 eingeschlossenen Patient*innen (kathodal n=3, sham n=1, anodal n=0) mit einer Drop-Out Rate von 23,5%. Eine Fallzahlkalkulation für eine konfirmatorische Folgestudie ergab eine notwendige Stichprobe von n=120 Patient*innen in einer konservativen Schätzung.
Zusammenfassung und Diskussion
Diese Studie gibt Hinweise auf eine positive Auswirkung von insbesondere anodaler tDCS als neuromodulatorische Behandlungsoption in einem multimodalen Therapieansatz. Jedoch besteht ein deutlicher Placeboeffekt und eine relativ hohe Drop-Out-Rate insbesondere im kathodalen Arm. Die Ergebnisse der Studie sollten in größeren Studien mit konfirmatorischem Design bestätigt werden.
Background: The screening tool "Douleur Neuropathique 4 Questions” (DN4) (1) is used for the identification of neuropathic pain. The questionnaire is available in an interview format with a clinical examination and a short self-reported version. The DN4 has already been validated in various languages. The validation of the English self-reported version has not yet been reported.
Objective: The aim of this study was to validate the English language version of the screening tool DN4 (self-report).
Methods: Patients were recruited in March 2020 at the Neurosurgery Spinal Clinic of Sir Charles Gairdner Hospital in Perth, Australia. Patients completed the DN4 immediately prior to the consult with the clinician. They were asked to complete the questionnaire for their main pain area. The clinician assessed the patients and classified them as having neuropathic pain or not, based on (i) personal judgement (PJ) and (ii) on the application of the neuropathic pain grading System (GS) (2). The clinician was blinded to the DN4 results. Both, the PJ and the GS were used as ‘gold standard’ for the analysis of the diagnostic accuracy of the DN4.
Results: Due to COVID-19, the recruitment had to be ceased after 4 weeks. Data of 46 subjects (age 54 17; female 52%) were available. Most patients reported pain in the lumbar spine with radiation (47,82%) and in the cervical region (21,74%). Forty (87%) of the tested patients had multiple pain areas. Using the PJ as the ‘gold standard’, the DN4, demonstrated a sensitivity of 68,8% and specificity of 78,6%. Using the GS as ‘gold standard’, the questionnaires showed a sensitivity of 66,7% and specificity of 86%.
Discussion: We encountered several challenges in our study. Firstly, we were not able to recruit a sufficient sample size to obtain meaningful results. Secondly the majority of patients had multiple pain areas. Even though patients were asked to answer the DN4 questions in regards to their main pain area, we noticed that some patients were unable to clearly separate areas of pain from each other, because they saw a connection between the main pain area and the radiating pain. Further, some patients felt paraesthesia or numbness in distal body regions, but not in the main pain area, however they still answered the DN4 questions as having these symptoms in the main pain area. This could have led to discrepancies between the DN4 outcome and clinical assessment outcome of the main pain area.
Conclusion: Future validation studies of neuropathic pain screening tools should consider patients multiple pain area presentations.
Acknowledgement: We thank staff at the Department of Pain Management, Sir Charles Gairdner Hospital, for their support.
Objective: Calcitonin gene-related peptide ligand/receptor (CGRP) antibodies effectively reduce headache frequency in migraineurs. It is understood that they act peripherally, which raises the question whether treatment merely interferes with the last stage of headache generation or, alternatively, causes secondary adaptations in the central nervous system and is thus disease modifying.
Methods: The study was prospectively registered and completed (NCT04019496). Final results, including nociceptive, somatosensory and visual evoked potentials, will be presented. The interim analysis includes fifteen episodic migraineurs (14 female, 48±13 years old), who completed all study visits until March 2021 and received assessments of the nociceptive blink reflex (R2 component, 10 trials, 6 stimuli/trial) before (V0) and three months (V1) after treatment with CGRP antibodies started. The R2 area (R2a) and habituation (R2h; gradient of R2a against stimulus order) of the stimulated/non-stimulated side (_s/_ns) following repeated supraorbital stimulation provide a direct readout of brainstem excitability and habituation as key mechanisms in migraine.
Results: All patients showed a substantial reduction of headache days/month (V0: 12.3±3.7, V1: 5.9±4.0) and disability (HIT-6, V0: 65.1±2.9, V1: 55.2±8.6). R2a significantly decreased (R2a_s: -46%, p=.038; R2a_ns: -39%, p=.014) and R2h significantly increased (R2h_s: β=-.33, p=.016; R2h_ns: β=-2.6, p=.041) from V0 to V1.
Conclusion: We provide novel evidence that treatment with CGRP antibodies is disease modifying. The nociceptive blink reflex may provide a biomarker to monitor central disease activity.
Einleitung: PAIN2020 (Innovationsfonds, FNR 01NVF17049) ist ein Konsortialprojekt der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der BARMER, der Universitätsmedizin Greifswald (Externer Evaluator) sowie dreier klinischer Konsortialpartner mit Erfahrungen in der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (Göttingen, Mainz, Dresden). Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Versorgung von Patienten mit Schmerzen länger als 6 Wochen und Chronifizierungsfaktoren. Die Umsetzung eines integrierten Vorgehens (hier eines interdisziplinären multimodalen Assessments, IMA, gegenüber einem schmerztherapeutisch-ärztlichen Assessment) soll nun in die Regelversorgung überführt werden. Dafür ist es essentiell, ein für Behandler im Versorgungsalltag anwendbares Instrument zur Verfügung zu stellen, um somatische und psychosoziale Risikofaktoren, die sich auch auf das Krankheitskonzept der Patienten auswirken, identifizieren zu können.
Methodik: Die in PAIN2020 entwickelten 10 Screeningfragen an Patienten sowie die ärztlich ergänzten Aufnahmekriterien sollen den Patientenangaben aus dem Deutschen Schmerzfragebogen (DSF; Lebensqualität, schmerzbedingte körperliche und psychische Beeinträchtigung) sowie weiteren soziodemographischen Kriterien (Alter, Geschlecht, Bildungsgrad sowie Teilhabe am Arbeitsleben) und dem Chronifizierungsstadium gegenübergestellt werden. Es werden alle Patienten aus PAIN2020 in die Analyse eingeschlossen, von denen bis 08/2021 Daten aus dem DSF sowie soziodemographische Daten und der MPSS vollständig vorliegen (n>500). Die Analysen werden mit SPSS 26.0 vorgenommen.
Ergebnisse: Das Screeninginstrument wird hinsichtlich seiner prädiktiven Validität einschließlich des Geltungsbereiches (Charakteristik von Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko) sowie der Diskriminationsfähigkeit hinsichtlich der Chronifizierungsstadien untersucht und diskutiert.
Diskussion: Das identifizierte Screeninginstrument soll Eingang in die Gestaltung eines derzeit in Vorbereitung befindlichen Selektivvertrags zu einem frühzeitigen IMA finden. Dieser soll einerseits die Identifikation der Patienten beim Versorger ermöglichen und deren Steuerung und Versorgung durch den ermittelten Versorgungsbedarf verbessern helfen.
Hintergrund: Anatomische Strukturen, die in die Geruchsverarbeitung involviert sind, spielen auch im zentralnervösen Schmerznetzwerk eine Rolle. Positive Effekte von Düften auf die Schmerzwahrnehmung wurden belegt. Wir testen, ob bei Patienten mit Migränekopfschmerzen ein strukturiertes Riechtraining Einfluss auf Schmerzwahrnehmung und Riechvermögen hat.
Methode: Die randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie untersuchte 68 Patienten mit Migränediagnose (ICHD-lll-Kriterien). 37 Patienten führten ein Riechtraining mit Düften durch, 31 Probanden trainierten mit Placebo-Riechstiften: zwei Mal täglich riechen an vier Riechstiften über drei Monate. Vor und nach dem Training wurden psychophysische Tests durchgeführt: QST (Testareal V2 trigeminal, Kontrollareal Unterarm), elektrische Wahrnehmungs- und Schmerzwahrnehmungsschwelle, Sniffin’Sticks Test (Riechschwelle, Diskrimination, Identifikation). Es erfolgte eine kontinuierliche Dokumentation der Kopfschmerzfrequenz.
Ergebnisse: Patienten mit Migräne zeigen eine signifikant schlechtere Riechschwelle als gesunde Kontrollen. Patienten mit Migräne mit Aura zeigen eine signifikant schlechtere Riechschwelle als Patienten mit Migräne ohne Aura. Jedoch diskriminieren Patienten mit Migräne mit Aura Düfte besser. Das Riechtraining führte in der Trainingsgruppe zu einer signifikanten Verbesserung der Riechschwelle. Im Testareal war die mechanische Schmerzwahrnehmungsschwelle signifikant höher als vor dem Training. Ebenso war die mechanischen Berührungswahrnehmungsschwelle signifikant erhöht nach dem Training. In der Kontrollgruppe zeigte sich eine signifikante Reduktion der elektrischen Schmerzwahrnehmungsschwelle.
Schlussfolgerung: Riechtraining führt bei Patienten mit Migräne zu einer Erhöhung der mechanischen Schmerzschwelle und senkt tendenziell die Kopfschmerztage. Dieser Effekt kann auf eine Schmerz-desensitisierende Wirkung von angenehmen Düften hinweisen und stellt eine mögliche Strategie gegen die Chronifizierung der Migräne dar.
Hintergrund
Die Schmerzen nach Operationen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren ist noch immer eine Herausforderung. Voraussetzung dazu sind Erfassung und Dokumentation von Schmerzen, die oft jedoch nur tagsüber engmaschig erfolgen.
Fragestellung
Kann im postoperativen Verlauf eine Häufigkeit der maximalen Schmerzen an bestimmten Tageszeiten beobachtet werden?
Methode
Im Rahmen der routinemäßigen Qualitätssicherung der postoperativen Schmerztherapie erfolgte die Befragung durch das Assessment QUIPS (Projekt der Qualitätssicherung in der postoperativen Schmerztherapie). Erfasst werden Prozessdaten der Operation, Narkose und der stationären Therapie sowie die Ergebnisparameter zu Schmerzintensität, Beeinträchtigungen aufgrund von Schmerzen, Aufklärung und die Zufriedenheit der Schmerztherapie. Die Befragung erfolgte bei Patienten der Unfallchirurgie, Geburtsmedizin, Frauenheilkunde, Allgemeinchirurgie und Urologie, Herz- und Thoraxchirurgie mittels standardisiertem Fragebogen am 1. postoperativen Tag. Zusätzlich beantworteten Patienten die Frage nach der Tageszeit ihrer maximalen Schmerzen. Eine Mehrfachnennung war möglich.
Ergebnisse
Es wurden 758 Patienten befragt, davon erlebten 174 (14,4%) ihre maximalen Schmerzen am Abend, in der Nacht 186 (15,2%) und am Morgen 151(12,3%). Dem gegenüber gaben 90 (7,4%) Patienten den Mittag als Zeitpunkt ihres Maximalschmerzes an.
416 Patienten (55%) schätzten ihre Schmerzintensität auf der Numerischen Ratingskala (NRS 0-10) mit >6 ein, davon wiederrum 32% in der Nacht gegenüber 15% mittags. Eine Schmerzdokumentation fand in beiden Gruppen nur bei 30% statt.
Diskussion
Unabhängig von den möglichen Ursachen des nächtlichen Schmerz „Peaks“ – zeitliche Nähe zur Operation, chronobiologische Einflüsse, nächtliche Personalreduktion – deuten die Ergebnisse auf ein tageszeitabhängiges Versorgungsdefizit von erheblicher klinischer Bedeutung hin, zumal Schlafstörungen die postoperative Erholung beeinträchtigen können. Eine Schmerzintensität >6 auf der NRS bedeutet in der Regel Handlungsbedarf.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse deuten einen Verbesserungsbedarf bei der nächtlichen Verfügbarkeit von Therapieverfahren an, z.B. durch Einsatz ausreichend lange wirksamer Basismedikation, kontinuierlichen Analgesieverfahren oder PCA-Pumpen (Patientenkontrollierte Analgesie). Patienten sollten präoperativ über die Möglichkeit informiert werden, Bedarfsmedikation anzufordern. Eine regelmäßige Schmerzdokumentation kann frühzeitig auf Schmerzen hinweisen.
Hintergrund
Produktivität wird verstanden als “ausgegebene Leistung je Einsatzeinheit”. Sie schließt bezahlte sowie unbezahlte Arbeit ein und sollte Absentismus (Abwesenheitstage) und Präsentismus (Leistungseinbußen) beinhalten. Ziel der vorgestellten Arbeit ist die Finalisierung eines Conceptual Models, das ein Patient Reported Outcome darstellt und Grundlage für ein Patient Reported Outcome Measure ist. Damit soll die Inhaltsvalidität eines späteren Erhebungsbogens sichergestellt (EVaSIMST-Projektes; DFG-Fördernr.:KO 5540/1-1).
Methoden
In qualitativen Workshops (je zwei Tage, 2019: n=7; 2020: n=6) wurde durch ein interdisziplinäres Kollegium sowie Patientenvertreter ein Conceptual Model zu Produktivität erstellt. In moderierten Gruppendiskussionen trugen die Teilnehmer alle zur Beschreibung von Produktivität relevanten Aspekte zusammen. Das Modell wurde mit anderen Teilnehmern mehrfach diskutiert und angepasst. Im folgenden Workshop wurden weitere Teilaspekte geklärt, die beim vorherigen Schritt als offene Fragen formuliert wurden (Relation von Absentismus und Präsentismus zum Gesamtkonstrukt Produktivität u.a.). Die Ergebnisse wurden an Moderationswänden gesammelt, fotografiert und schriftlich dokumentiert. Die Zusammenfassungen der Ergebnisse wurden den Teilnehmern zur Prüfung im Nachgang zu gesendet.
Ergebnisse
In Workshop 1 wurden für das Konstrukt Produktivität relevante Lebensbereiche sowie Unterkonstrukte festgelegt. Im zweiten Workshop konnte dieses Conceptual Model vertieft werden. Dabei ergaben sich weiterführende Aspekte und es wurde deutlich, dass Absentismus und Präsentismus jeweils eigene Entitäten darstellen. Hier wurden Lösungen für die Erfassung erarbeitet, die vor allem getrennte Fragestellungen und Bezugsbereiche für die Beantwortung vorsehen müssen. Für Präsentismus erschien zuletzt notwendig, psychische, körperliche und soziale Einschränkungen getrennt voneinander zu betrachten. Kontextfaktoren wurden dabei immer wieder in der Diskussion berührt, konnten aber nicht in die Erstellung des Instruments einfließen. Sie sollten im Rahmen späterer Validierungen berücksichtigt werden.
Ausblick
Durch die intensive Diskussion wurde deutlich, wie wichtig eine möglichst differenzierte Erstellung eines Conceptual Models für die spätere Inhaltsvalidität eines Instrumentes ist. Das Modell wird derzeit von keinem anderen Messinstrument in ähnlicher Weise erfasst. Auf Grundlage des nun verfügbaren Modells werden in einem nächsten Schritt Items generiert und Patienten zu einer ersten Bewertung (Verständlichkeit, Relevanz für die Erfassung des Konstruktes Produktivität bzw. Absentismus/Präsentismus) eingeladen.
Einleitung: PAIN2020 wird gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (FNR 01NVF17049). Zentrale neue Intervention ist ein frühzeitiges Interdisziplinäres Multimodales Assessment (IMA) für Patient*innen mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko, mit dem Ziel einer sektorenübergreifenden, bedarfsgerechten Empfehlung an die Patient*innen. Das IMA besteht aus je einer ärztlichen, physio- und psychotherapeutischen Befunderhebung, einer interdisziplinären Teambesprechung und einem gemeinsamen Abschlussgespräch mit den Patient*innen. Ziel ist die Erfassung der jeweiligen Entscheidungsprozesse der drei Berufsgruppen und des Teams und die daraus resultierende Bedeutung des interdisziplinären Ansatzes für die Therapieempfehlung.
Methodik: Begleitend zur Umsetzung des IMA findet ein prozessbezogenes Monitoring statt, das u.a. die Dokumentation der Befunderhebung der einzelnen Berufsgruppen und des Teams beinhaltet. Speziell für das IMA beurteilt jede Berufsgruppe für sich, ob u.a. eine IMST-Ansatz oder eine spezifische Behandlung erforderlich ist („ja“, „nein“ oder „fraglich“). Im Team werden diese Fragen erneut gemeinsam beantwortet und eine konkrete Empfehlung für eine bedarfsgerechte Weiterbehandlung für die Patient*innen festgelegt.
Ergebnisse: Insgesamt zeigt sich, dass bei der Frage, ob ein IMST-Ansatz oder eine spezifische Behandlung erforderlich ist, die Teamsitzung gegenüber den Einzeleinschätzungen der Berufsgruppen zu mehr IMST-Empfehlungen und zu weniger spezifischen Behandlungen führt. Gleichzeitig zeigt sich bei der Betrachtung verschiedener Kombinationen der Einzel-Einschätzungen, dass v.a. bei der Einschätzung „fraglich“ vermehrt Teamprozesse stattfinden, die sowohl zu Empfehlungen der IMST oder Optionen der RV führen. Weitere, vertiefende Analysen zu den Teamprozessen sind in Arbeit.
Diskussion: In den Ergebnissen zeigt sich eine Diversität in den Entscheidungen der einzelnen Berufsgruppen, die offensichtlich zu differenzierten Diskussionsprozessen innerhalb der Teamsitzung führen. Es zeigt sich, dass die Teamentscheidung eine höhere Gewichtung erfährt als die Einschätzung der einzelnen Berufsgruppen und sich daraus eine differenzierte Therapieempfehlung ergibt. Damit wird die Notwendigkeit interpersoneller und interprofessioneller Abwägungsprozesse für eine angemessene und bedarfsgerechte Empfehlung von Patient*innen mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko sichtbar und zeigt, dass integrative Teamentscheidungen über die reine Summation von Einzelentscheidungen hinausgehen und einen Mehrwert für Patient*innen und ihre Versorgung bedeuten können.
Digitale Medizin, etwa die digitalen Gesundheitswendungen (DiGAs), halten unaufhaltsam Einzug ins deutsche Gesundheitssystem. Beschleunigt durch die Pandemie, zeigt sich, dass diese Methoden nicht nur dabei helfen können, Kontakte zwischen Patienten und Behandelnden aufrecht zu erhalten, sondern auch effektive und leitlinienorientierte Behandlung orts- und zeitunabhängig einer breiten Menge an Patienten zugänglich zu machen, was für den Rückenschmerz im Endeffekt sogar eine Überlegenheit gegenüber der konventionellen hausärztlichen Behandlung ergibt. Trotz der großen Chancen, die die Digitalisierung im Gesundheitssystem bietet, herrscht auf Seiten der Ärzteschaft noch starke Zurückhaltung. Patienten dagegen stehen den neuen Technologien scheinbar aufgeschlossener gegenüber.
Die vorliegende Befragung hat die Einstellung zu konkreten, komplexen digitalen Tools bei den Mitgliedern der Deutschen Schmerzgesellschaft und Patientenselbsthilfeorganisationen zum Schmerz erhoben. Hierzu wurde ein Fragebogen entworfen und im Februar 2021 an Behandelnde und Patienten verschickt, der besonders (1) die derzeitige Nutzung, (2) die Einstellung und (3) Sorgen bzgl. konkreter digitaler Elemente abfragte. Außerdem wurde die Technikaffinität erfasst. Insgesamt nahmen 398 Behandelnde und 245 Patienten an der Umfrage teil.
Beide Gruppen erkennen die Chancen der digitalen Elemente der medizinischen Versorgung: rund 70% aller Befragten halten etwa die elektronische Patientenakte, Telekonsile oder digitale Symptomdokumentation für eher oder sehr sinnvoll. Hierbei denken Patienten jedoch insgesamt progressiver. Nichtsdestotrotz zeigte sich insgesamt ein noch eher zurückhaltender Einsatz von digitalen Elementen im Behandlungsalltag. Rund 70% der befragten Behandelnden nutzen digitale Elemente nie oder selten. Über 50% der Behandelnden und Patienten äußern eher starke oder starke Bedenken bzgl. Datenschutz, Zeitaufwand und technischer Kenntnisse der Patienten. Knapp 70 Prozent der Behandelnden sind zudem skeptisch hinsichtlich ihrer angemessenen Vergütung. Bei DiGAs legen mehr als 70% beider Gruppen besonderen Wert auf (1) einen in kontrollierten klinischen Studien validierten Wirkmechanismus, (2) gesicherten Datenschutz und (3) einfache Bedienung, wobei die Patienten hier sogar noch fordernder sind. Die Gruppenunterschiede in den Ergebnissen können nicht auf Unterschiede in der Technikaffinität zurückgeführt werden.
Die Umfrage zeigt, dass digitale Elemente zwar bereits genutzt, aber von einem beträchtlichen Anteil der Behandelnden noch weitgehend ignoriert werden. Das Potential wird von den Behandelnden erkannt, entfaltet sich aber noch zu wenig. Patienten sehen hier deutlich mehr Nutzen für ihre zukünftige medizinische Versorgung. Dies legt nahe, dass solche disruptiven Veränderungen im Gesundheitssystem durch Aufklärung flankiert und gebahnt werden müssen, so dass Behandelnde digitale Elemente zunehmend in die Behandlung integrieren – zumal die Patienten dies wünschen.