Autor:innen:
A. Redlich (Magdeburg, DE)
M. Wölfer (Magdeburg, DE)
L. Lessel (Magdeburg, DE)
M. Frühwald (Augsburg, DE)
K. Lorenz (Halle, DE)
M. Luster (Marburg, DE)
T. Rohrer (Homburg, DE)
P. Vorwerk (Magdeburg, DE)
M. Kuhlen (Augsburg, DE)
Zielsetzung: Die Inzidenz differenzierter Schilddrüsenkarzinome (DTC) im Kindes- und Jugendalter nimmt weltweit zu. DTC präoperativ von benignen Schilddrüsenknoten abzugrenzen, kann für die beteiligten Fachdisziplinen eine Herausforderung darstellen. Hier kommen Sonografie, ggf. Szintigrafie und Feinnadelbiopsie (FNB) zur Anwendung. Bei Diagnose eines DTC erfolgt in der Regel eine totale Thyreoidektomie (TT), ggf. inklusive einer Lymphknotendissektion (LND), mit nachfolgender Radioiodtherapie (RIT) und TSH-Suppression.
Methodik: Im Register Maligne Endokrine Tumoren (MET) der kinderonkologischen Fachgesellschaft (GPOH) werden seit 1997 Kinder mit DTC prospektiv erfasst und betreut. Die Daten von Kindern mit histologisch gesichertem primären DTC wurden bis Oktober 2019 retrospektiv ausgewertet.
Ergebnisse: Es wurden 354 Kinder (266 weiblich, 88 männlich) im mittleren Alter von 13,0 Jahren (3,6-17,9) eingeschlossen. Es fand sich eine steigende Inzidenz pädiatrischer DTC im zeitlichen Verlauf (Potenzfunktion, R2=0,539, p < 0,001). In der Mehrheit der Fälle (87,6%) wurden papilläre Schilddrüsenkarzinome diagnostiziert. Die mittlere Beobachtungszeit lag bei 4,1 Jahren (0-20,6). Für die FNB (N=97) ergab sich eine Sensitivität von 71,3% in der Detektion von Malignität.
Als Ergebnis der operativen Therapie erfolgte eine TT in 93,8%, eine LND in 77,6% der Fälle. In der überwiegenden Mehrheit (94,0%) schloss sich mindestens eine RIT an. Lungenmetastasen, die in der Regel durch das Posttherapieszintigramm der RIT diagnostiziert wurden, fanden sich bei 59 von 276 (21,4%) auswertbaren Patienten. Lymphknotenmetastasen bestanden bei 66,6%. Ein permanenter Hypoparathyreoidismus bestand bei 40,5% (117/289). Eine Autotransplantation der Nebenschilddrüsen (NSD-ATX) zeigte gegenüber Eingriffen ohne NSD-ATX keinen Unterschied in der permanenten Hypoparathyreoidismusrate (p=0,184). Aufgrund oftmals fehlender Laryngoskopie-Befunde in der Nachsorge waren Angaben zur Komplikation einer permanenten Recurrensparese nicht möglich.
Es ergaben sich ein 10-Jahres ereignisfreies Überleben (EFS) von 77,6% und 10-Jahres Gesamtüberleben von 98,9%. Ein Patient verstarb an einer Lungenfibrose in der Folge der RIT. In der multivariaten Analyse zeigten ATA high-risk Tumoren (hazard ratio 14,7) sowie ein Diagnosealter unter 10 Jahren (hazard ratio 3,7) signifikanten Einfluss auf das EFS (je p < 0,001).
Zusammenfassung: Als multizentrisches nationales Register spiegeln die Daten die Versorgung von Kindern mit DTC in Deutschland wider. Aufgrund einer exzellenten Prognose bei adäquater Therapie müssen Komplikationen und Spätfolgen vermindert werden. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Fachdisziplinen erforderlich. So wird derzeit ein Referenzzentrum Nuklearmedizin installiert zum Monitoring und zur Standardisierung der RIT. Zudem wird eine Verbesserung der chirurgischen Versorgung in Kooperation mit den beteiligten chirurgischen Disziplinen angestrebt.