Niedrigschwellige Interventionen zur Förderung der psychischen Gesundheit enthalten zunehmend digitale Elemente und erproben innovative Zugangswege. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist dabei oftmals die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung einer digitalen oder „blended“ Intervention, die spezifische Zielgruppen erreicht, als wirksam bewertet wird und im Praxiskontext umsetzbar ist. Dieses Symposium stellt Herausforderungen und Möglichkeiten einer partizipativen, praxisnahen Interventionsentwicklung anhand angewandter Forschungsprojekte vor. Wieland et al. untersuchen gemeinsam mit Game Designern, wie eine digitale spielebasierte Intervention zur Förderung von Selbstregulation und Prävention von Sucht für impulsive und sensation seeking Jugendliche zugeschnitten werden kann. Die Konzeption und Produktion folgt einem User-Centered Design Ansatz, der stark iterativ angelegt ist und eine intensive Zusammenarbeit von Game Designern und Psychologen erfordert. Fischer et al. präsentieren die Entwicklung der BePrepared-App für suchtgefährdete junge Geflüchtete in Deutschland. Mit dem Ziel der Reduktion soziokultureller Zugangsbarrieren wurden Elemente der digitalen Kurzintervention in enger Zusammenarbeit mit jungen Geflüchteten, Kulturmittlern und Fachkräften kulturell adaptiert. Rohde et al. stellen die Entwicklung eines digitalen Trainings im Rahmen eines multiprofessionellen und ganzheitlichen Modells der Kooperation zwischen den am Kinderschutz beteiligten Fachkräften vor. Das Ziel ist die Reduktion der Dunkelziffer und frühzeitige Prävention von Kindeswohlgefährdungen durch verbesserte Handlungskompetenzen der Fachkräfte. Kornhuber et al. entwickeln eine Smartphone-App, die für Schwangere zugeschnittene stressreduzierende Übungen und Informationen enthält. Ziel ist es durch achtsamkeitsbasierte Methoden die psychische Gesundheit von Schwangeren zu fördern und so günstige Entwicklungsbedingungen für das Kind zu schaffen.
abgesagt: Achtsam durch die Schwangerschaft – App-basierte Reduktion von Stress, Alkohol- und Tabakkonsum schwangerer Frauen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit bei den Kindern
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Während der Schwangerschaft beeinflussen Umweltfaktoren nicht nur die werdende Mutter, sondern auch die Entwicklung des ungeborenen Kindes mit anhaltenden Effekten für die psychische Gesundheit. Humane und tierexperimentelle Studien lassen vermuten, dass pränatale Exposition gegenüber Androgenen eine Rolle für Selbstregulation und süchtiges Verhalten im späteren Leben spielt. Mütterlicher Stress, Alkohol- und Tabakkonsum sind vermutlich mit pränataler Hyperandrogenisierung des Kindes assoziiert. Unklar ist jedoch, ob Interventionen zur Reduktion von Stress und Substanzkonsum der Mütter während der Schwangerschaft die pränatale Androgenexposition des ungeborenen Kindes reduzieren und die kindliche Selbstregulation verbessern können. In der monozentrischen, prospektiven, kontrollierten und untersucherverblindeten Maternal Health and Infant Development in the Follow-up after Pregnancy and a Mindfulness Intervention Studie soll primär überprüft werden, ob eine achtsamkeitsbasierte und kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte psychotherapeutische und in wesentlichen Teilen app-basierte Intervention bei schwangeren Frauen das Zeige-/Ringfingerlängenverhältnis (2D:4D; Biomarker für pränatale Androgenexposition) und die Selbstregulationsfähigkeit beim 1-jährigen Kind beeinflusst. Diese Studie schafft die Basis zur Etablierung neuer app-basierter Präventionsstrategien während der Schwangerschaft. Sie ist ein Teilprojekt des IMAC-Mind Forschungsverbundes zur Verbesserung der psychischen Gesundheit und zur Verringerung der Suchtgefahr im Kindes- und Jugendalter durch Achtsamkeit.
Digitale indizierte Suchtprävention bei jungen Geflüchteten: partizipativer Entwicklungsprozess einer kultursensiblen Smartphone-App zur Reduktion von problematischem Alkohol- und/oder Cannabiskonsum
Lina-Sophia Falkenberg, Köln (Germany)
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Autor:innen:
Laura Fischer, Köln (Germany)
Lina-Sophia Falkenberg, Köln (Germany)
Hintergrund: Geflüchtete haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen, darunter substanzbezogener Störungen. Kulturell adaptierte digitale Gesundheitsinterventionen (DHI) können sowohl strukturelle als auch sozio-kulturelle Barrieren zu gesundheitsfördernden Maßnahmen reduzieren.
Zielsetzung: Ziel ist die Förderung der Akzeptanz und Nutzbarkeit einer DHI in Form einer Smartphone-App zur indizierten Suchtprävention bei jungen Geflüchteten mit problematischem Alkohol- und/oder Cannabiskonsum über kulturelle Anpassungen und einen partizipativen Entwicklungsprozess.
Methode: Der partizipative Entwicklungsprozess der DHI bestand aus einer Literaturrecherche, formativer Forschung (Fokusgruppen, Beratungs- und Austauschtreffen) und der Konzeptentwicklung sowie technischen Implementierung in einem iterativen Prozess (u.a. Pilotierung und Nutzertests mit jungen Geflüchteten).
Ergebnisse: Die DHI wurde in Form der mehrsprachigen BePrepared App erfolgreich entwickelt und am 22. Januar 2021 für die Durchführung einer Machbarkeitsstudie im Google Play Store veröffentlicht. Eine vorläufige Auswertung zeigt 170 Downloads bis September 2021, bei denen ein Dropout von 48.8% vor Bestätigung des Fluchthintergrunds während der Baselinemessung T0 verzeichnet wurde. Die bis dato 26 Nutzer_innen mit Fluchthintergrund nutzten die App initial auf vier der fünf angebotenen Sprachen; i.e. deutsch (46.2%), arabisch (30.8%), farsi (7.7%), englisch (3.8%), paschtu (0%).
Schlussfolgerung: Innerhalb einer Reihe weiterer dringend benötigter Interventionen können DHIs ein niedrigschwelliges Angebot innerhalb einer breiteren Präventionslandschaft darstellen, die Zugänge schaffen und die psychische Gesundheit von vulnerablen und schwer erreichbaren Zielgruppen fördern kann.
Impact Game für junge Draufgänger – interdisziplinäre und nutzerzentrierte Entwicklung einer digitalen spielebasierten Intervention zur Förderung von Selbstregulation und Suchtprävention
Nuri Wieland, Köln (Germany)
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Autor:in:
Nuri Wieland, Köln (Germany)
Hintergrund: Das Projekt SOLVE verknüpft das Medium „Digital Game“ mit Suchtprävention in einem zielgruppen- und praxisorientierten Ansatz. Psychologen der KatHO NRW und der Uni Amsterdam arbeiten interdisziplinär mit Game Designern der TH Köln an der Entwicklung und Testung einer neuen digitalen spielebasierten Intervention zur Reduktion problematischen Substanzkonsums unter Jugendlichen, die besonders impulsiv und/oder ‚sensation seeking‘ sind.
Methode: In einem User-Centered Design Ansatz werden von der Konzeptionierung bis zur ersten Impact Evaluation Jugendliche und Fachkräfte aus verschiedenen Settings (Jugendhilfe, Suchthilfe, Psychiatrie, Schule) miteinbezogen. Die Entwicklung der Intervention folgt einem stark iterativ angelegten User-Centered Design Ansatz. Die Ergebnisse verschiedener qualitativer Erhebungen gehen in einem stark iterativ angelegten Produktionsablauf in die Entwicklung des Prototyps ein. Zu den verschiedenen Methoden zählen Workshops, Fokusgruppen, Fragebögen, semistrukturierte Interviews, Playtests und Kreativaufgaben.
Ergebnisse und Diskussion: Die zielgruppenorientierte Entwicklung eines digitalen Spiels zur Förderung von Selbstregulation und Suchtprävention setzt eine intensive interdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Bedarfen und Eigenschaften der Zielgruppe als auch bezogen auf das Medium voraus. Die Entwicklung folgt gleichzeitig gesundheitlich-psychologischen als auch gamedesignerischen Zielen und berücksichtigt eine spätere Implementierung in verschiedenen Praxiskontexten. Spezielle Herausforderungen und Lösungsansätze werden vorgestellt und diskutiert.
Gelingender Kinderschutz durch multiprofessionelle Kooperation – partizipative Entwicklung eines digitalen Trainings für europäische Fachkräfte zur Steigerung der individuellen Handlungskompetenzen
Michelle Rohde, Köln (Germany)
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Autor:in:
Michelle Rohde, Köln (Germany)
PROCHILD – Protection and Support of abused Children through multidisciplinary Intervention (2018-2021)
Im Rahmen des Projekts PROCHILD forschten sechs europäische Institutionen aus Finnland, Italien, Griechenland, Frankreich, Deutschland und Großbritannien gemeinsam. Ziel des Projekts war die Verbesserung der multiprofessionellen Kooperation zwischen den am Kinderschutzprozess beteiligten Fachkräften, um so misshandelte und/oder vernachlässigte Kinder langfristig zu schützen.
Das im Projektverlauf entwickelte modulare e-Learning war zunächst als face-to-face Fortbildung konzipiert, wurde dann jedoch aufgrund der Corona-Pandemie in ein Online-Format übertragen. Die Zielgruppe waren alle Versorgungsbereiche, die mit Kindern oder Eltern arbeiten. Das Format bot die Möglichkeit, wichtige Kompetenzen für den eigenen Berufsalltag zu erwerben und mehr über die Strukturen und Möglichkeiten anderer Versorgungsbereiche zu erfahren. So konnten Vorurteile abgebaut, Schnittstellen erkannt und die Zusammenarbeit zwischen Fachkräften erleichtert werden.
Das Basismodul vermittelt grundlegendes Wissen zu Kindesmisshandlung und -vernachlässigung und stellte etablierte Leitlinien und Protokolle zum Vorgehen im Kinderschutz aus Deutschland und Europa vor. In weiteren zusätzlichen Modulen wurden fachspezifische Themen vertieft, sodass auf unterschiedliche Wissensniveaus und Schwerpunkte eingegangen werden konnte. Die einzelnen Module konnten mit einem Wissenstest abgeschlossen werden.
Die Evaluation des e-Learnings ergab eine hohe Zufriedenheit der Teilnehmenden mit den ausgewählten Inhalten und dem Medium als solchem. Trotzdem zeigten sich in der Entwicklung und Durchführung dessen Komplikationen, deren Ursachen und Lösungen diskutiert werden sollen.