In diesem Symposium möchten wir aktuelle Konzepte und neu gewonnene Erkenntnisse über Strategien zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen in psychiatrischen Kliniken darstellen. Prof. Dr. Andreas Bechdolf wird über eigene Erfahrungen und die inzwischen umfangreichen Erkenntnisse der Literatur über die erfolgreiche Implementierung von Safewards berichten. Dr. Felix Bühling-Schindowski, Celline Cole und Dorothea Sauter sind Projektmitarbeiter*innen der vom G-BA geförderten randomisierten kontrollierten Studie bei 55 psychiatrischen Stationen in Deutschland zur Implementierung der S3 Leitlinie zur Verhinderung von Zwang (PreVCo-Studie). Sie werden über die Arbeit mit den psychiatrischen Teams und die Erfahrungen der beteiligten Studienmitarbeiter*innen berichten. Dr. Sophie Hirsch kann aufgrund von Langzeitdaten aus Baden-Württemberg über die Halbierung von Zwangsmaßnahmen in der Gerontopsychiatrie im Verlauf von 15 Jahren berichten und stellt diesbezüglich Evidenz und Konzepte vor. Celine Cole wird außerdem über Studien und Erfahrungen der Charité bezüglich der Prädiktion und des zeitlichen Verlaufs von Zwangsmaßnahmen auf Akutstationen und daraus abgeleitete zielgerichtete Interventionen referieren.
Safewards implementieren: Ergebnisse und Erfahrungen
Andreas Bechdolf, Berlin (Germany)
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Andreas Bechdolf, Berlin (Germany)
Stationäre akutpsychiatrische Behandlungen können von konflikthaften Situationen und Gewalt begleitet sein. Deshalb empfehlen einschlägige Leitlinien und die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) die Einführung von Strategien zur Prävention und Minderung konflikthafter Situationen und restriktiver Maßnahmen. Ein Konzept, das diese Ziele verfolgt, indem es empirisch gesicherte Zusammenhänge zwischen Konfliktsituationen, Eindämmungsstrategien und weiteren Einflussfaktoren zusammengeführt und darauf bezogene Interventionen vorschlägt, ist das Safewards-Modell. Hierbei handelt es sich um eine Teamintervention auf Akutstationen, die 10 Interventionsstrategien umfasst. Im der vorliegenden Präsentation wird die Implementation von safewards auf 2 Akutstationen beschrieben und die kurz- und langfristigen Effekte auf das Stationsklima, die Arbeitszufriedenheit und die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen berichtet.
zugeschaltet: Implementierung von Handlungsempfehlungen der S3-Leitlinie zur Verhinderung von Zwang auf 55 psychiatrischen Stationen: Erfahrungen der Implementierungsbegleiter*innen
Felix Bühling-Schindowski, Berlin (Germany)
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Felix Bühling-Schindowski, Berlin (Germany)
Die von 2015 bis 2018 entwickelte Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN) gibt nun erstmals evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen zu einem menschenwürdigen Umgang mit Zwangsmaßnahmen und aggressivem Verhalten. Im Rahmen der multizentrischen randomisiert kontrollierten Studie PreVCo/IVZ-S3 (Prevention of Violence and Coercion / Implementierung der S3 Leitlinie Verhinderung von Zwang) werden Inhalte der Leitlinie anhand eines 12-Punkte-Programms für psychiatrische Stationen bundesweit auf 55 Stationen implementiert. Hierbei werden die Stationen von Implementierungsberater*innen unterstützt. Der Grad der Leitlinienkonformität sowie die Auswirkung der Implementierung auf Zwangsmaßnahmen und Aggressionsereignisse werden erfasst. Dieser Vortrag stellt die Erfahrungen der Implementierungsberater*innen vor.
zugeschaltet: Reduzierung von Zwangsmaßnahmen in der Gerontopsychiatrie: eine Erfolgsgeschichte
Sophie Hirsch, Biberach (Germany)
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Sophie Hirsch, Biberach (Germany)
In den letzten Jahrzehnten wurden viele Interventionen vorgeschlagen, um den Einsatz von Zwangsmaßnahmen zu reduzieren. Evidenzbasierte Interventionen in der Alterspsychiatrie unterscheiden sich dabei von denen in der Allgemeinpsychiatrie. So werden beispielsweise in der Alterspsychiatrie viele technische Lösungen wie Niederflurbetten, Hüftprotektorhosen etc. eingesetzt, während in der Allgemeinpsychiatrie neben therapeutischen vor allem organisatorische Interventionen eingesetzt werden. In der Alterspsychiatrie spielte zudem über lange Zeit die Fixierung zur Abwendung von Stürzen eine wichtige Rolle, während in der Allgemeinpsychiatrie Selbstbeschädigung und fremdaggressives Verhalten als Anlässe für Zwangsmaßnahmen im Vordergrund stehen. Eine gemeinsame Datenbank für psychiatrische Kliniken ermöglichte seit 2004 den Einsatz von Zwangsmaßnahmen über 16 Jahre unter Routinebedingungen zu untersuchen. In diesem Zeitraum sank der Anteil der Fälle, die von Zwangsmaßnahmen betroffen waren, signifikant von 28,4 auf 10,5 % bei Patienten mit ICD-10 F0-Störungen (vornehmlich Demenzen, Delire), während die Rate bei Patienten mit anderen Diagnosen nur unwesentlich von 7,0 auf 5,4 % abnahm. Die kumulierte Dauer von Zwangsmaßnahmen pro betroffenen Fall sank ebenfalls signifikant bei Patienten mit F0-Störungen, während die Veränderungen bei Patienten mit anderen Diagnosen insignifikant blieben. Der Einsatz von Zwangsmaßnahmen bei Patienten mit organischen Störungen konnte mit den in diesem Bereich üblichen Maßnahmen 15 Jahren um ca. 50% reduziert werden, während bei allen anderen Diagnosegruppen keine wesentliche Reduktion erfolgte. In diesem Vortrag werden Zahlen des zur Prävention von Zwang und Gewalt sowie vom baden-württembergischen Zwangsmaßnahmenregister vorgestellt. Es wird der Frage nachgegangen, wieso die Reduktion von Zwang in der Alterspsychiatrie besser gelungen ist, als in der Allgemeinpsychiatrie, wobei unterschiedliche Bedingungsfaktoren beleuchtet werden sollen.