Raum:
Saal London 3
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 01: Neurokognitive Erkrankungen, organische psychische Störungen, Demenz, F0
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
In Bezug auf die Alzheimer Krankheit nehmen Themen wie Einwilligung in Forschung und biomarkerbasierte Demenzprädiktion zunehmend Raum im unmittelbaren Patientenkontakt sowie im öffentlichen Diskurs ein.
In diesem Symposium wird diese Thematik durch konzeptuelle Vorträge und empirische Studien vorgestellt und eröffnet den Raum für weiterführende Diskussionen. Julia Perry und Katrin Radenbach berichten von ersten Erkenntnissen aus der Evaluation von multimodalen und standardisierten Beratungsmodellen für Menschen im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung bzw. im Rahmen einer Demenzvorhersage. Ayda Rostamzadeh wird Ergebnisse aus dem europäischen Projekt PreDADQoL präsentieren, bei dem Auswirkungen der Demenzprädiktion bei Patienten mit leichten kognitiven Störungen auf die Lebensqualität und psychische Gesundheit untersucht wurden. Silke Schicktanz und Alpinar Sencan werden ein deutsch-israelisches Projekt zu den Einstellungen verschiedener Stakeholder zu sozialen und ethnischen Aspekten der Demenzprädiktion präsentieren. Julia Haberstroh, Matthé Scholten und Jakov Gather werden aktuelle Aspekte aus der Forschung und Praxis zum Thema Einwilligungsfähigkeit und Entscheidungsassistenz bei Demenz vorstellen.
Beratungsbedarf zur Demenz-Prädiktion und Früherkennung – erste Erkenntnisse aus einer Pilotstudie
Julia Perry, Göttingen (Germany)
Katrin Radenbach, Göttingen (Germany)
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Autor:innen:
Julia Perry, Göttingen (Germany)
Katrin Radenbach, Göttingen (Germany)
Einleitung: Aktuell sind in Deutschland ca. 1,6 Mio. von einer Demenz betroffen. In den nächsten Jahren wird eine erhebliche Zunahme von Demenzerkrankten erwartet. Derzeit besteht ein großes gesellschaftliches sowie wissenschaftliches Interesse an der Prädiktion und Frühdiagnose einer Alzheimer-Demenz. Allerdings fehlen für diesen Kontext konkrete zielgruppengerechte, qualitätsgesicherte, niederschwellige und flexible Informations- und Beratungsangebote. Unser Forschungsvorhaben will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.
Methoden: Die Pilotstudie hat das Ziel, die Beratung von betroffenen Personengruppen zu verbessern und nachhaltig weiter zu entwickeln. Seit Januar 2021 bieten wir eine telefonische Beratung für Personen mit beginnenden Gedächtnisstörungen und besorgte Angehörige an. Diese Beratung erfolgt im Rahmen des von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft geförderten Projekts „Gut beraten: Neue multimodale und standardisierte Beratungsmodelle für Menschen im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung bzw. im Rahmen einer Demenzvorhersage“. Die Beratungsgespräche werden im Anschluss mittels Interviews evaluiert.
Ergebnisse: Erste Erkenntnisse der Evaluation beziehen sich auf die individuellen Bedürfnisse bzgl. Beratung, auf potentielle Sorgen und Ängste im Kontext früher Gedächtnisprobleme, abgeleitete Handlungsschritte sowie auf empfundene Be- oder Entlastung durch das Gespräch und offen gebliebene Fragen. Die Evaluation zeigt insgesamt einen hohen Informations- und Beratungsbedarf unter selbst Betroffenen sowie Angehörigen. Anrufende machen sich vorrangig Sorgen um eine Verschlimmerung von Symptomen bzw. um einen Autonomieverlust. Sie erhoffen sich von einer eventuellen Diagnostik Sicherheit und Unterstützung durch konkrete Anlaufstellen.
Schlussfolgerungen: Es besteht ein großer Bedarf an Beratungsangeboten im Rahmen von Demenz-Prädiktion und Früherkennung. Da solche Angebote derzeit weder hinreichend verfügbar noch standardisiert sind, müssen Qualitätsstandards und Strategien zur Kompetenzentwicklung für die Beratung weiter erarbeitet werden. Dazu sollen Erkenntnisse aus Fokusgruppen und ein im Projekt entwickeltes Fortbildungsmodul beitragen.
Einwilligungsfähigkeit und Entscheidungsassistenz bei Demenz: aktuelle Forschung und Praxis
Julia Haberstroh, Siegen (Germany)
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Autor:innen:
Julia Haberstroh, Siegen (Germany)
Matthé Scholten, Bochum (Germany)
Jakov Gather, Bochum (Germany)
Menschen mit Demenz haben das Recht zu entscheiden, ob sie an klinischer Demenzforschung teilnehmen möchten oder nicht und dazu auch im Voraus ihre freie und informierte Zustimmung oder Ablehnung zu verfügen. Im fortschreitenden Verlauf einer Demenzerkrankung können Betroffene aufgrund des zunehmenden Verlusts kognitiver Funktionen und kommunikativer Fähigkeiten jedoch ihre Fähigkeit verlieren, eine informierte Einwilligung in komplexe medizinische Forschung zu geben. Auf den ersten Blick erscheint es ethisch bedenklich, Menschen mit Demenz in Forschung einzubeziehen, da Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten vor den Risiken einer Studienteilnahme geschützt werden müssen. Zudem kann ein Vorteil für das Individuum bei einer Studienteilnahme - im Gegensatz zur Einwilligung in medizinische Maßnahmen - nicht vorausgesetzt werden. Jedoch haben auch Menschen mit Demenz das Recht, von Forschung zu profitieren, so dass auch ein kategorischer Ausschluss ethisch problematisch erscheint. Hohe Standards für die informierte Einwilligung und eine sorgfältige Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit sind daher für den Schutz von Forschungsteilnehmenden elementar.
Im Vortrag wird ein Überblick gegeben über aktuelle Forschung und Praxis zur Beurteilung und Unterstützung der Einwilligungsfähigkeit von Menschen mit Demenz, u. a. werden wesentliche Erkenntnisse des internationalen Verbundprojekts ENSURE vorgestellt und die Übertragbarkeit von Empfehlungen der aktuellen AWMF-S2k-Leitlinie „Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen“ auf den Kontext der Einwilligung in klinische Forschung wird diskutiert.