Die therapeutische Beziehung gewinnt im akutpsychiatrischen Kontext zunehmend an Bedeutung. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass eine tragfähige therapeutische Beziehung das Behandlungs-Outcome und die Therapieadhärenz verbessert. Weniger klar ist, was eine „gute“ therapeutische Haltung und Beziehung ausmacht. Authentizität und die „Begegnung auf Augenhöhe“ scheinen von zentraler Bedeutung zu sein. V.a. Psychiatrieerfahrene betonen, dass das Reflektieren und Verbalisieren eigener Emotionen oder auch eigener Krisenerfahrungen von „Profis“ als hilfreich erachtet wird. M. Jäger diskutiert das Konzept der assistierten Entscheidungsfindung in der Ausgestaltung der therapeutischen Beziehung. Dieser Ansatz erweitert das anerkannte Modell der geteilten Entscheidungsfindung i.S.d. UN-BRK, indem therapeutische Beziehungsarbeit unterstützend zur Erlangung einer Entscheidung eingesetzt wird. E. Prestin nimmt das Spannungsfeld zwischen Autonomieförderung und Fürsorge in den Blick. Sie plädiert für eine zeitgemäße Konzeption von „Sorge“, welche die emotionale und faktische Bedürftigkeit leidender Menschen ebenso berücksichtigt wie ihre Freiheitsrechte. Eine solche Sorge kann nur im persönlichen Beziehungsgeschehen realisiert und gemeinsam reflektiert werden. L. Mahler erläutert, warum es essentiell ist, bei der leitlinienbasierten Befunderhebung und der medikamentösen Einstellung Elemente der therapeutischen Beziehung zu reflektieren und einfließen zu lassen. Sie verdeutlicht durch Praxisbeispiele, dass der unreflektierte Umgang mit eigener Emotionalität und eigenem Handeln zu Fehleinschätzungen in der Behandlung führen können. G. Schulz geht aus Peerperspektive darauf ein, warum Abstinenz in einer therapeutischen Beziehung innere Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit verstärken können. Sie geht davon aus, dass Spürbarkeit, Anteilnahme, Zumutungen und Normalität im therapeutischen Kontext weniger abhängig machen und dadurch mehr Eigenverantwortung entstehen kann.
abgesagt: Assistierte Entscheidungsfindung
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Das Modell der gemeinsame Entscheidungsfindung (shared decision making) wird heute weithin als Standard für die Ausgestaltung der therapeutischen Beziehung in der Psychiatrie, aber auch allen anderen Bereichen der Medizin empfohlen. Es fokussiert auf eine Beziehung «auf Augenhöhe», indem eine gemeinsame Wahrnehmung des zu behandelnden Problems ausgehandelt wird. Die Patientin formuliert ihre Bedürfnisse und Präferenzen, die Ärztin klärt über Diagnose- und Therapieverfahren, verschiedene Alternativen, Vor- und Nachteile auf. Im Rahmen der Diskussion wird das Ziel einer gemeinsamen Entscheidung für eine Behandlungsoption angestrebt.
Das Modell der assistierten Entscheidungsfindung ist abgeleitet aus den Prinzipien der UN Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und kann als Alternative oder besser Ergänzung zur gemeinsamen Entscheidungsfindung betrachtet werden. Es berücksichtigt insbesondere Situationen in denen Erkenntnis-, Entscheidungs- und Willensbildungsfähigkeit eingeschränkt sind und bietet Hand, durch assistierende Interaktion zu einer Entscheidung im Sinne des Patienten zu kommen. Urteils- und Einwilligungsfähigkeit wird in diesem Zusammenhang weniger als Voraussetzung, denn als Ziel für den Entscheidungsprozess gesehen. Eine solidarische Grundhaltung als Basis, die Klärung des Kontexts und die Verhandlung der aktuellen Bedürfnisse als erste Schritte der therapeutischen Beziehungsarbeit ebnen den Weg zu einer assistierten Entscheidung. Der weitere Prozess involviert Kommunikationshilfen, Vorausverfügungen, Angehörigen- und Netzwerkgespräche, strukturierte Entscheidungshilfen und zielt auf Erweiterung von Alternativen und das Verschaffen von Zeit, um eine optimale Entscheidung im Sinne der Patientin zu erlangen.
abgesagt: Zum Stellenwert von Sorge in der psychiatrischen Beziehungsgestaltung
abgesagt: Psychopathologie und Psychopharmakologie als Beziehungsabwehr
abgesagt: Begegnung in therapeutischen Beziehungen – Partnerschaftlichkeit statt Abstinenz