Autor:in:
Christoph Hiemke, Mainz (Germany)
Arzneimittelkombinationen sind häufig und meist auch notwendig im Alltag der Pharmakotherapie, um einen möglichst guten Behandlungserfolg zu erzielen. Mit steigender Anzahl an Arzneistoffen steigt das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Arzneimittelwechselwirkungen, die pharmakodynamischer und pharmakokinetischer Natur sein können. Durch die Erkenntnisse der vergangenen Jahrzehnte sind die meisten Arzneimittelwechselwirkungen vorhersehbar geworden. Dies ist nur bedingt zutreffend für die sichere Handhabung von Wechselwirkungen bei Behandlung von psychiatrischen Patienten, die an COVID-19 erkrankt sind und mit potentiellen COVID-19-Therapeutika behandelt werden. Bislang ist nur das Remdesivir als Therapeutikum zugelassen, das eine schwache antivirale Aktivität aufweist. Daneben werden eine Vielzahl anderer Antibiotika experimentell eingesetzt und für die Behandlung der Krankheitssymptome kommen Immunsuppressiva, wie Dexamethason, Antimalariamedikamente, HIV-Medikamente, wie Lopinavir kombiniert mit Ritonavir, Interferone oder Statine zum Einsatz. Remdesivir scheint bezüglich pharmakokinetischer Wechselwirkungen unkritisch zu sein, aber es besitzt hepatotoxisches Potential, was bei einer Kombination mit trizyklischen Antidepressiva oder Agomelatin beachtet werden muss. Favipiravir, Hydroxychloroquin, Chloroquin, Azithromycin, Lopinavir / Ritonavir haben ein QT-Intervallverlängerungspotential, was bei Kombinationen mit Antidepressiva und Antipsychotika überwacht werden muss. Bei Hydroxychloroquin kann die hypoglykämische Aktivität zu endokrinen Störungen führen. Für Lopinavir / Ritonavir sind pharmakokinetische Arzneimittel-Wechselwirkungen zu erwarten, da sie Cytochrom P-450 (CYP) CYP3A4 hemmen und CYP2C9 und CYP2C19 induzieren. Darüber hinaus muss angenommen werden, dass die COVID-19-Infektion mit einer massiven Produktion von Zytokinen verbunden ist, wodurch die Aktivität von CYP-Enzymen gehemmt werden kann. Studien zu Wechselwirkungen zwischen Psychopharmaka und COVID-19 fehlen, aber aus Fallberichten ist ablesbar, dass Wechselwirkungs-UAW häufig vorkommen. Wegen der mangelhaften Datenlage ist es bei der Behandlung von psychiatrischen Patienten mit Psychopharmaka und COVID-19-Therapeutia wichtig, das Nebenwirkungsprofile der kombinierten Arzneistoffe zu beachten zur Vorhersage pharmakodynamischer Arzneimittelwechselwirkungen. Für pharmakokinetische Arzneimittelwechselwirkungen sollte man das CYP-Hemm-, Induktions- und Substrateigenschaften der verabreichten Arzneistoffe beachten. Und am wichtigsten scheint es zu sein, sich bewusst zu machen, dass die COVID-19-Infektion den metabolischen Phänotyp verändern kann im Sinne einer Phänokonversion.