Während der Corona-Pandemie war innerhalb kürzester Zeit eine vollständige Umstellung des Lehrbetriebs auf digitale Medien notwendig. Der digitalen Lehre hat dies "über Nacht" zu einem enormen Aufschwung verholfen. Nach drei Semestern im Netz liegen nun immer mehr Daten vor, wie diese Digitalisierung das Lernen verändert hat. Einige Innovationen scheinen sich zu halten, andere verschwinden wieder in Schreibtischschubladen. Dieses Symposium soll einen Überblick über die Veränderungen, Chancen und Misserfolge der digitalen Lehre geben und Spekulationen erlauben, welche digitalen Lehrmethoden auch in einer Zeit nach Corona noch sinnvoll genutzt werden.
Sofa statt Hörsaal – psychiatrische Lehre in Zeiten der Pandemie
Matthias Besse, Göttingen (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Matthias Besse, Göttingen (Germany)
Die Corona-Pandemie hat zu großen Veränderungen in der universitären Lehre geführt. Seit dem Sommersemester 2020 findet die Lehre im Medizinstudium zum größten Teil digital statt. Gerade für ein patientennahes Fach wie Psychiatrie und Psychotherapie stellt sich die Frage, ob die verschiedenen Lehrinhalte und Lehrformate überhaupt in eine digitale Version transferiert werden können, ohne dass die Ausbildungsqualität leidet.
Um dieser Frage nachzugehen wurde an der Universitätsmedizin Göttingen die Digitalisierung der psychiatrischen Lehre durch eine umfangreiche Evaluation in den Sommersemestern 2020 (N=175) und 2021 (N=136) begleitet. Hierdurch war es möglich, die Lernerfolge und Bewertungen seitens der Studierenden mit den vorangegangenen Evaluationen der Semestern mit Präsenzlehre zu vergleichen.
Hierbei zeigte sich für die digitale Lehre ein im Vergleich zur Präsenzlehre stabiler Lernzuwachs für alle abgefragten Lernziele auf hohem Niveau. Die Studierenden des Sommersemesters 2020 bewerteten die digitalen Lehrangebote überwiegend positiv und als gleichwertig zur Präsenzlehre, trotz eines gestiegenen Arbeitspensums. Es wurde eine verstärkte Digitalisierung der Lehre für die Zeit nach der Pandemie gewünscht.
Für das Sommersemester 2021 fiel die Bewertung der digitalen Lehrangebote durch die Studierenden schlechter aus. Interessanterweise wurde vor allem der eigene Lernerfolg in der digitalen Lehre im Vergleich zur Präsenzlehre als schlechter eingeschätzt, obwohl sich die Lernzuwächse im Sommersemester 2021 für die einzelnen Lernziele weiter auf einem zur Präsenzlehre vergleichbaren Niveau zeigten.
Zusammenfassend scheint die digitale Umsetzung der bisherigen psychiatrischen Lehre geeignet zu sein, die vorgegebenen Lernziele in gleichwertigem Maß wie zu Zeiten von Präsenzunterricht zu erreichen. Allerdings zeigte sich über die drei Semester unter Pandemiebedingungen hinweg eine zunehmende Unzufriedenheit der Studierenden mit den digitalen Lehrangeboten.
Macht der Computer dumm? Lernerfolg im Patientenzimmer und im Homeoffice
Philipp Spitzer, Erlangen (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Philipp Spitzer, Erlangen (Germany)
Getrieben durch die Pandemie wurden in den letzten Monaten viele digitale Unterrichtsformate und -materialien entwickelt. Während es immer mehr Hinweise dafür gibt, dass digitale Vorlesungen solchen im Präsenzformat im Hinblick auf den Lernerfolg gleichwertig sind, ist dies für andere Unterrichtsformen wie beispielsweise Praktika noch nicht gut untersucht.
Wir haben hierfür ein Praktikum zur Kommunikation und psychiatrischen Anamnese- und Befunderhebung entwickelt, welches durch den Einsatz von Videosprechstunden mit Simulationspatienten vollständig online absolvierbar ist. Mittels einer praktischen Prüfung am Ende des Kurses wurde der Lernerfolg untersucht und mit dem Lernerfolg während eines Semesters vor der Pandemie verglichen.
Die Ergebnisse dieser objektiven strukturierten klinischen Prüfung (OSCE) zeigten sich hier keine Veränderungen durch den Wechsel auf das digitale Format. Auffällig war, dass Studierende im online-Semester trotz gleicher Prüfungsleistung ihre eigenen Fähigkeiten im Bereich Kommunikation besser einschätzten. Außerdem war das Gefühl der Verbundenheit mit den Dozierenden während der digitalen Veranstaltungen geringer.
Die Ergebnisse zeigen, dass diese Form eines digitalen Praktikums geeignet ist, klassische, prüfungsrelevante Lernziele zu erreichen. Die Beziehung zu den Dozierenden und damit möglicherweise auch die Möglichkeit für interpersonelles Lernen scheint jedoch beeinträchtigt.