Für Ärztinnen und Ärzte stellt sich bei der pharmakologischen Depressionsbehandlung neben der generellen Frage nach Wirksamkeit und Verträglichkeit insbesondere die Frage nach der richtigen Dosierung. Mit welcher Dosis soll begonnen werden? Ist von einer höheren Dosis eine größere Wirksamkeit zu erhoffen? Ist Aufdosieren eine sinnvolle Strategie, wenn auf die Standarddosis keine Response eintrat? Überraschenderweise besteht bezüglich dieser Fragen eine relativ hohe Unsicherheit, und die bisherige Erkenntnis basiert zu einem relevanten Teil auf unsystematischer oder indirekter Evidenz.
Im Symposium werden daher vier aktuelle, systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen aus der Arbeitsgruppe der Vortragenden präsentiert, von denen die Hälfte noch unveröffentlicht ist. Alle Metaanalysen wurden vorab registriert (Prospero) und nach den methodischen Vorgaben des Cochrane Handbook for Systematic Reviews durchgeführt. Die Metaanalysen untersuchen die Dosis-Wirkungs-Beziehung von SSRI, SNRI und trizyklischen Antidepressiva und analysieren auch die Verträglichkeit in Abhängigkeit von der Dosierung. Für die SSRI ist die Datenlage am besten. Für diese am häufigsten eingesetzte Antidepressivagruppe wurden zwei getrennte Metaanalysen durchgeführt. Die erste analysiert die generelle Beziehung von Dosis und Wirkung einer initial oder unabhängig von einer eventuellen Vorbehandlung durchgeführten SSRI-Medikation. Die zweite Metaanalyse konzentriert sich auf die klinisch häufige Situation, dass ein Patient nicht auf eine Standarddosis angesprochen hat und wertet Studien aus, in denen eine Dosiserhöhung mit der Fortführung der bisherigen Dosis verglichen wurde.
Neben der Darstellung der Ergebnisse führt das Symposium kurz in Relevanz und Methodik von Metaanalysen ein und vermittelt die klinische Bedeutung der Ergebnisse für den Behandlungsalltag.
zugeschaltet: SSRI: Dosis-Wirkungs-Beziehung in der Initialbehandlung und nach Non-Response auf eine Standarddosis: Ergebnisse zweier systematischer Metaanalysen
Christopher Baethge, Köln (Germany)
Trizyklische Antidepressiva: Beziehung von Dosis und Wirkung – systematische Übersicht und Metaanalyse
Tom Bschor, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Tom Bschor, Berlin (Germany)
HINTERGRUND: Trizyklische Antidepressiva (TZA) sind nach wie vor eine wichtige Gruppe von Antidepressiva, und Dosiseskalation ist eine gängige Strategie in der Behandlung. Es ist jedoch unklar, ob dieser Ansatz durch hochgradige Evidenz für eine Dosis-Wirkungs-Beziehung gestützt wird.
METHODEN: Es wurde eine systematische Suche im Central Register of Controlled Trials (CENTRAL) der Cochrane Collaboration durchgeführt, unterstützt durch Recherchen in Medline, Embase und PsycInfo. In einer mehrstufigen Regression berechneten wir die standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) der antidepressiven Wirksamkeit pro mg TZA-Dosiserhöhung und analysierten Abbruchraten aufgrund von Nebenwirkungen. Schließlich berechneten wir Random-Effects-Metaanalysen aller Dosisvergleiche, die in mindestens zwei Studien untersucht wurden.
ERGEBNISSE: Von 5365 gescreenten Studien schlossen wir 15 randomisierte Studien mit 24 Vergleichen von 14 verschiedenen Dosierungen ein. Wir fanden einen statistisch nicht signifikanten positiven Effekt der Dosiserhöhung: 0,34 SMD bei 100 mg/d Dosiserhöhung ([-0,03; 0,71] p=0,074) mit einem etwas schwächeren Befund in einer Sensitivitätsanalyse basierend auf Imipraminäquivalenzdosierungen. Während mehrere Vergleiche kein klares Signal für einen Dosisgradienten zeigten, sind 300 mg/d Amitriptylin/Desipramin einer Dosis von 150 mg/d statistisch signifikant überlegen (SMD: 0,80 [0,28; 1,13], p=0,003, I2: 0%). Drop-outs nahmen mit höheren Dosen zu, wenn auch nicht statistisch signifikant: OR von 1,44 bei 100 mg Dosiserhöhung [0,54; 3.86]. Insgesamt war das Verzerrungspotenzial hoch.
SCHLUSSFOLGERUNGEN: Die Daten zu einer Dosis-Wirkungs-Beziehung bei TZAs sind bisher nicht eindeutig. Auch wenn 300 mg/d einer Dosis von 150 mg/d überlegen zu sein scheinen, zeigte sich in anderen Vergleichen, wie 150 vs 75 mg/d, kein positiver Effekt. Klinisch kann eine Eskalation auf hohe Dosen gerechtfertigt sein, wenn die Nebenwirkungen erträglich sind.