Studien zu psychosozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zeigen eine Zunahme von Belastungen und psychischen Problemen bei Kindern psychisch und suchtkranker Eltern, in der Eltern-Kind-Beziehung und Partnerschaften. Häusliche Gewalt nimmt zu und Belastungsfaktoren kumulieren, so dass die Schere zwischen unbelasteten und Familien in der Krise weiter auseinandergeht. Oelkers-Ax stellt Befunde aktueller Studien zur Situation von Familien und Kindern in Zeiten von Corona vor. Ditzen et al. untersuchen in der Heidelberger Social Distancing Studie psychobiologische Daten während der 1. und 3. Corona-Welle - mit der Frage, wann naher Kontakt bei in der Pandemie als Belastung und wann als Stresspuffer wirkt.
Die Befunde einer pandemie- und maßnahmenbedingten Verschlechterung psychischer Störungen unterstreichen die auch vor Corona fachpolitisch schon betonte Notwendigkeit, Unterstützungs- und Therapieangebote für Familien am individuellen Bedarf auszurichten und SGB-übergreifend zu vernetzen. Die im März 2020 veröffentlichten 19 Empfehlungen der vom Bundestag eingesetzten Arbeitsgruppe Kinder psychisch und suchtkranker Eltern (AG KpkE) betonen die Notwendigkeit komplexer, SGB-säulenübergreifender Angebote. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen sind kommunale Modellprojekte in Form von familienpsychiatrischen Netzen aufzubauen mit sektorenübergreifenden, auf die Familie gerichteten Angeboten an den Schnittstellen Kinder-Eltern, ambulant – (teil)stationär sowie SGB-V – Jugendhilfe, inkl. präventiver Angebote unterhalb einer Diagnoseschwelle. Von Görres & Greve werden konkrete Erfahrungen der Gemeindepsychiatrie mit SGB-übergreifenden Leistungen in Regionalprojekten vorgestellt und daraus abgeleitet, wie komplexe, lebensweltbezogene Hilfen organisiert und ausgestaltet sein können. Turmes stellt ein Modellprojekt zur SGB-übergreifenden Versorgung peri- und postpartal psychisch erkrankter Eltern mit ihren Säuglingen mittels TAF (Team around the family) für toughe Kids vor.
Familien unter Druck während der Corona-Pandemie: Was passiert im Dunkelfeld? Überblick über aktuelle Studien
Rieke Oelkers-Ax, Neckargemünd (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Rieke Oelkers-Ax, Neckargemünd (Germany)
Die Corona-Pandemie stellt besonders Familien vor schwerwiegende Herausforderungen. Studien zu psychosozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zeigen eine Zunahme von Belastungen und psychischen Problemen bei Kindern psychisch und suchtkranker Eltern, in der Eltern-Kind-Beziehung und Partnerschaften. Befunde aktueller Studien zur Situation von Familien und Kindern in Zeiten von Corona werden entlang der Themenfelder Homeschooling, psychische Erkrankungen und häusliche Gewalt vorgestellt. Häusliche Gewalt nimmt zu und Belastungsfaktoren kumulieren, so dass die Schere zwischen unbelasteten und Familien in der Krise weiter auseinandergeht und soziale Ungleichheit sich verschärft. Frauen bzw. Mütter erscheinen deutlich belasteter als Männer oder Väter. Das Gefühl von Gehörtwerden und Beteiligung ist bei Familien und ihren Kindern nur gering ausgeprägt. Die Inanspruchnahme von Beratungs- und therapeutischen Angeboten ändert sich. Die Auswirkungen der Krise auf Kinder psychisch erkrankter Eltern als besonders vulnerable Gruppe werden dargestellt. Mögliche Lösungsansätze werden anhand verschiedener Metakonzepte (z.B. Präsenz, Partizipation und Selbstorganisation) diskutiert.
abgesagt: Singles, Paare und Familien in Zeiten der Pandemie: Wann wirkt naher Kontakt als Belastung, wann als Stresspuffer?
Details anzeigen
Autor:innen:
Sabine Walper, München (Germany)
Kurt Hahlweg, Berlin (Germany)
Komplexe Leistungen bei komplexen Hilfebedarfen von Familien realisieren – Erfahrungen aus SGB-übergreifenden Ansätzen der Gemeindepsychiatrie
Peripartales Screening auf elterliche Depression – vom Pilotprojekt zur flächendeckenden Versorgung
Susanne Simen, Nürnberg (Germany)
Details anzeigen
Autor:innen:
Susanne Simen, Nürnberg (Germany)
Susanne Raubner, Nürnberg (Germany)
Ronny Jung, Roth (Germany)
Neslisah Terzioglu, Roth (Germany)
Luc Turmes, Herten (Germany)
Sarah Kittel-Schneider, Würzburg (Germany)
Einleitung: Peripartale depressive Erkrankungen finden sich bei 10-20 % aller Schwangeren und Müttern in den ersten Wochen nach Geburt eines Kindes, auch ca. 5% der Väter sind betroffen. Aufgrund von Unwissen und Stigmatisierung kommen noch immer viele Frauen nicht oder zu spät in Behandlung. Unbehandelt können peripartale Depressionen die kindliche Entwicklung beeinträchtigen. Mit dem EPDS (Edinburgh Postpartum Depression Scale) liegt ein valides und international etabliertes Screening Instrument zur Verfügung. Wie können betroffene Eltern in der Schwangerschaft und postpartal mit dem EPDS und anderen Instrumenten mit wenig Aufwand von Frauenärzten und Pädiatern erkannt und in Behandlung gebracht werden? Basierend auf den Erfahrungen in einem Pilotprojekt ist ein bundesweites Projekt geplant und beim Innovationsfond der Krankenkassen als Förderantrag eingereicht.
Methode: Seit März 2020 screenen in Nürnberg mehrere Praxen und eine Geburtshilfe-Klinik systematisch mit dem EPDS und überweisen positiv gescreente Frauen ab 10 Punkten an Schwangeren- und Familienberatungsstellen und ab 13 Punkten in die Peripartalpsychiatrische Spezialambulanz in Nürnberg.
Ergebnis:.Die Auswertung der von März 2020 bis Juni 2021 erfassten EPDS-Bögen (n = ca 3.500) ist teilweise erfolgt. Die Dropout-Quote liegt lediglich bei ca 1%. Alle teilnehmenden Frauen- und Kinderärzte nahmen in der Folge affektive Erkrankungen der Mütter deutlich sensibler wahr und waren dankbar, sie an Beratungsstellen und unsere psychiatrische Mutter-Kind-Ambulanz weiterleiten zu können und bei Schwierigkeiten beraten zu werden. Die Geburtshilfeklinik erlebte die Informationen als hilfreich, um die Betroffenen sensibler durch die Geburt begleiten zu können. Die Betroffenen empfanden die Fragebögen als hilfreich.
Diskussion: Wir halten ein flächendeckendes Screening für Depressionen in der Peripartalzeit - verknüpft mit regionalen Behandlungsangeboten für sinnvoll, notwendig und machbar.