iCal
Raum:
Saal A3 (später on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 08: Störungen mit enger Beziehung zum Kindes- und Jugendalter, F7–9
Format:
State-of-the-Art-Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
zugeschaltet: Tourette-Syndrom und Tics – Klinik und Verhaltenstherapie
Irene Neuner, Aachen (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Irene Neuner, Aachen (Germany)
Welche Therapieoptionen gibt es für das Tourette-Syndrom? Muss ich behandeln, wie - mit Verhaltenstherapie, medikamentös? Welche Medikamente kommen konkret in welcher Dosierung in Frage? Diese Fragen besprechen wir im Rahmen des State-of-Art Symposiums. Auch die Frage nach der Wirksamkeit von Cannabis-basierten Präperaten nehmen wir in die Diskussion auf.
Tourette-Syndrom und Tics: Behandlung
Kirsten Müller-Vahl, Hannover (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Kirsten Müller-Vahl, Hannover (Germany)
Das Tourette-Syndrom ist eine kombinierte chronisch verlaufende motorische und vokale Tic-Störung. Mehrheitlich bestehen neben den Tics psychiatrische Komorbiditäten wie ADHS, Zwänge, Depression, autoaggressive Handlungen und Ängste. Tic-Störungen zählen mit einer Prävalenz von 0,4-0,7% zu den häufigen psychiatrischen Erkrankungen.
Am Beginn jeder Behandlung steht eine Psychoedukation. Eine spezifische Therapie der Tics sollte dann empfohlen werden, wenn die Tics stark ausgeprägt sind oder zu einer relevanten psychosozialen Beeinträchtigung führen. Zuvor sollte geprüft werden, ob psychiatrische Begleiterkrankungen bestehen, die primär behandlungsbedürftig sind. Als Therapie der 1. Wahl für Tics gelten spezielle verhaltenstherapeutische Techniken wie Habit Reversal Training (HRT) bzw. Comprehensive Intervention for Tics (CBIT) und Exposure and Response Prevention Training (ERP). Im Mittel tritt hierdurch eine Tic-Reduktion um ca. 30% ein. Es mehren sich Hinweise, dass HRT/CBIT auch in Form von Gruppentherapie, per Video oder rein internetbasiert wirksam angewendet werden können.
Die wirksamste Therapie für Tics mit einer Tic-Reduktion um etwa 50% stellt die medikamentöse Behandlung mit Antipsychotika dar. Aripiprazol ist das Medikament der 1. Wahl. Alternativ können andere Antipsychotika wie Tiaprid (bei Kindern) oder Risperidon eingesetzt werden. Derzeit wird die Wirksamkeit Cannabis-basierter Medikamente in der Behandlung von Tics intensiv untersucht. Weitere vielversprechende neue Therapieansätzen wie Duetetrabenazin, Valbenazin und Lu AG06466 (zuvor: ABX-1431) erwiesen sind in großen kontrollierten Studien als unwirksam.
Schließlich kann bei ansonsten therapieresistenten Patient*innen eine operative Therapie mit tiefer Hirnstimulation in Betracht gezogen werden, auch wenn die Datenlage nach wie vor unbefriedigend und der Stellenwert der Therapie umstritten ist.
In diesem Vortrag wird eine umfassende Übersicht über alle derzeit verfügbaren verhaltenstherapeutischen, medikamentösen und operativen Behandlungen von Tics und Patient*innen mit Tourette-Syndrom gegeben einschließlich experimenteller und in der Entwicklung befindlicher Behandlungsansätze. Schließlich werden praktische Hinweise zur Sicherung der Diagnose gegeben, da die Diagnose eines Tourette-Syndroms aktuell mit zunehmender Häufigkeit falsch positiv gestellt und nachfolgend inadäquate Behandlungen eingeleitet werden.