Psychotherapie ist integraler Bestandteil psychiatrischen Denken und Handelns. Psychotherapie ist für die meisten psychischen Erkrankungen in den Leitlinien mit hoher Evidenz und hohem Empfehlungsgrad vorgesehen. Der Streit zwischen den psychotherapeutischen Schulen wird immer mehr in Richtung integrativer und modularer Ansätze überwunden. Diese erfreuliche Entwicklung hat zu einer Stärkung der Psychotherapie geführt, die den Bezug auf eine Berufsgruppe überwindet und Psychotherapie als Behandlungsmethode begreift. Mittlerweile wird Psychotherapie nicht nur für eine kleine, ausgewählte Patientengruppen angeboten, sondern findet in den Abteilungen und Krankenhäuser für Psychiatrie und Psychotherapie regelhaft Anwendung. Dies geht mit dem Anspruch der Patienten einer bestmöglichen Behandlung einher, die auf Evidenz und Qualität gründet. Die Krankenhäuser sind im Rahmen der regionalen Verantwortung in der Pflicht dies zu gewährleisten. Insbesondere für die Behandlung von Menschen mit akuten und schweren psychischen Erkrankungen sind diese Aspekte von großer Bedeutung. Die Herausforderungen bestehen darin, Konzepte für unterschiedliche Patientengruppen in den verschiedenen Settings des Krankenhauses vorzuhalten. Die Ansätze von Konzeptstationen unterscheiden sich von denen mit diagnoseheterogenen oder auch altersspezifischen Schwerpunktsetzungen. Notfallpsychotherapeutische Konzepte in den Bereitschaftsdiensten unter der Woche und an den Wochenenden bzw. Feiertagen sind mit zu berücksichtigen. Bedeutsam sind die Rollen der unterschiedlichen Berufsgruppen in teambasierten psychotherapeutischen Konzepten. Die Rolle der ärztlichen Kollegen ist dabei nicht zuletzt aufgrund der Verantwortung für den gesamten Behandlungsprozess von zentraler Bedeutung.
In diesem Symposium werden die Entwicklungen psychotherapeutischer Konzepte im Krankenhaus vorgestellt, Herausforderungen diskutiert und Perspektiven für die Zukunft abgeleitet.
zugeschaltet: Risiken und Nebenwirkungen ärztlicher Psychotherapie mit den Mitteln des Krankenhauses aus organisationaler Perspektive
Bettina Wilms, Querfurt (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Bettina Wilms, Querfurt (Germany)
Der Beitrag befasst sich mit dem Behandlungsbaustein „ärztliche Psychotherapie“ im Rahmen der psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses. Diese erfolgt per definitionem in einem zeitlich begrenzten Rahmen. Eine Ausnahme stellt die multiprofessionelle Behandlung in einer psychiatrischen Institutsambulanz dar: hier ist bei passender Indikation der therapeutische Prozess durchaus so angelegt, dass die Endlichkeit dieses Angebots durch die Patient*innen und ihre Behandler*innen ausgehandelt wird. Der Behandlungsbaustein „ärztliche Psychotherapie“ kann als Teil eines Therapiekonzeptes verstanden werden, der z.B. indiziert sein kann, aber möglicherweise nicht verfügbar; indiziert aber vom Patienten nicht gewünscht; gewünscht, aber nicht verfügbar; gewünscht, aber nicht indiziert etc.. Gleichermaßen kann diese Konstellation entstehen, wenn es um die Frage „psychologischer Psychotherapie“ geht. In der aktuellen Versorgungsrealität erfolgen Angebot und Umsetzung des Behandlungsbausteins „Psychotherapie“ meistens unabhängig von der Berufsgruppe der professionellen Helfer*innen. Geht man allerdings davon aus, dass das Adjektiv „ärztlich“ einen Unterschied macht, der einen Unterschied macht, sollte erkennbar sein, warum eine „ärztliche Psychotherapie“ als hilfreich angesehen wird, und in welcher Dauer oder Frequenz diese zur Verfügung gestellt werden sollte. Ob es damit bei einer Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses eine explizite Entscheidung für eine „Psychotherapie“ (ohne eine Festlegung auf eine Berufsgruppe) oder eine „psychologische“ oder „ärztliche“ Psychotherapie geben sollte, erscheint bei der aktuellen Diskussion um den Fachkräftemangel möglicherweise komplizierend und absurd. Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, warum dies aus der Perspektive der Organisation dennoch entscheidend ist und welche Konsequenzen sich daraus ableiten.
zugeschaltet: Chancen und Grenzen eines Psychotherapie-Direktstudiums
Andreas Schuld, Ingolstadt (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Andreas Schuld, Ingolstadt (Germany)
Psychotherapie (PT) ist ein zentraler Aspekt ärztlichen Handels in der Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen jeden Alters, nicht nur im Bereich von Psychiatrie und Psychosomatik, sondern auch in anderen Fächern im Rahmen der PT-Zusatztitel. Zuletzt ist allerdings der Anteil der von Ärzten erbrachten PT zugunsten der Tätigkeit psychologischer PT immer weiter zurückgegangen. Dies ist nicht alleine vor dem Hintergrund der Komplexität psychischer Störungen und ihrer biologischen Ursachen problematisch, sondern dürfte auch zu einer weiteren Einengung psychotherapeutischer Maßnahmen auf bestimmte Störungsbilder und Patientengruppen führen. Auf der anderen Seite sind psychologische Mitarbeiter (MA) in stationären Einrichtungen von großer Bedeutung, sie sind für Teilaufgaben durch ihr Studium gerüstet und erlernen PT-Methoden in ihrer Ausbildung, was den Patienten in den Kliniken dann zu Gute kommt. Allerdings haben viele dieser MA nur einen Praktikantenstatus, Master oder Diplomabschlüsse in Psychologie oder Pädagogik entsprechen keiner Approbation, erst mit der Prüfung am Ende der PT-Ausbildung wird diese derzeit erworben. Mit der Einführung eines Masterstudienganges PT auf der Basis unterschiedlicher Bachelorstudien soll sich dies ändern: Am Ende soll eine Approbation stehen, auf die dann Weiterbildungen folgen, die die Erbringung ambulanter Therapieleistungen zu Lasten der GKV ermöglichen. Dies wird komplexe Auswirkungen auf die ambulante und stationäre Versorgung haben, die im Symposiums diskutiert werden sollen: Unter anderem wird die wirtschaftliche Situation und der Status von nicht-ärztlichen MA in und nach der PT-Ausbildung in den Kliniken gestärkt, die ärztliche PT dürfte weiter zurückgedrängt und die Einbindung der PT in sozialpsychiatrische, biologische und pharmakologische Therapiekonzepte geschwächt werden. Auch ist mit einer weiteren Hinwendung der PT zu störungsspezifischen Konzepten auf verhaltenstherapeutischer Basis zu rechnen.
Psychotherapie bei Psychosen
Wolfgang Jordan, Magdeburg (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Wolfgang Jordan, Magdeburg (Germany)
Der Begriff „Psychose“ ist unspezifisch. Je nach Konstrukt handelt es sich um eine Real-, Nominal- oder biographische Definition. Die weitgefasste Auslegung als Störung der Realitätsbezüge verdeutlicht das Kontinuum seelischen Erlebens. Dem Konzept folgend entstehen Psychosen zwischen einem neurobiologischen und psychosozialen Pol. Die Zuordnung beschreibt unterschiedliche Erkrankungen mit anderen Anforderungen. Die Kunst von Exploration, Beobachtung und Erkennen bestimmt die Güte der Diagnostik und ist Voraussetzung für eine gelungene Psychotherapie (PT). Diese ist individualisiert, an der Lebensgeschichte orientiert, symptom- oder syndromspezifisch, lebensfeldnah, unter Einbezug des Umfelds. Aspekte der psychodynamischen Krankheitslehre liefern einen wichtigen Beitrag zum Verständnis. Bei einer PT-Frühintervention, welche zumeist stationär erfolgt, werden Interventionen und Techniken integrativ kombiniert, einschließlich einer Pharmakotherapie. Das Verfahren ermöglicht oft erst Motivation und Compliance für eine spezifische PT. Behandlungsziele sind eine Förderung der Realitätsprüfung, Verminderung der Identitätsdiffusion, Abbau psychotischer Ängste, Verhinderung eines systematisierten Wahns sowie Reduktion der spezifischen Vulnerabilität. Kognitive Verhaltenstherapien, Psychoedukation, interpersonelle und familienbezogene Interventionen sind bei der Akutbehandlung und Rückfallprophylaxe evidenzbasiert wirksam. Umfangreiche Arbeitsmaterialien liegen vor. Auch Humanistische PT, Mentalisierungbasierte PT, Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie oder der Offene Dialog eignen sich. Körper- und handlungsorientierte Techniken sowie kunsttherapeutische Verfahren sind bei einigen Symptomen ebenfalls wirksam. Um Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung zu erreichen, werden alternative Versorgungsmodelle benötigt, welche eine kontinuierliche sektorenübergreifende Therapie sichern. Ein guter Therapeut muss viel wissen, um wenig, aber das Richtige, zu tun.
Erste Überlegungen zu einem Konzept modularer Akutpsychotherapie
Andreas Bechdolf, Berlin (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Andreas Bechdolf, Berlin (Germany)
Psychotherapie in der Akutbehandlung pflichtversorgenden psychiatrischen Kliniken weist Herausforderung auf, die in den evaluierten störungsspezifische Therapien gar nicht oder wenig adressiert sind. Z. B. kommen Nutzende überwiegend notfallmäßig und müssen oft erst über die Gesundheitsangebote informiert und zur Kooperation motiviert werden. Auch werden häufig soziale Ziele (reguläre Arbeit, stabile Beziehung/Partnerschaft, stabile Wohnsituation) von den Nutzenden als primäre Therapieziele angegeben, die nicht primäre Ziele vieler störungsspezifischer Therapien sind. Ein kleiner Teil der Nutzenden ist nach PsychKG oder BTG in akutpsychiatrischer Behandlung und gemeinsame Ziel müssen erst noch gefunden werden. Auch erfordert der hohe Schweregrad, Komorbidität und geringe Selbstwirksamkeitserwartung vieler Nutzenden eine Adaptation psychotherapeutischer Techniken.
In dem vorliegenden Beitrag sollen ausgehend von einem Fokusmodell psychiatrischer Behandlungsepisoden Überlegungen zu funktionellen Behandlungseinheiten (Modulen) angestellt werden. Diese sollen evidenzbasierte unspezifische Techniken als auch störungsspezifische Techniken beinhalten und den Bedarfen von Menschen in akutpsychiatrischer Behandlung Rechnung tragen.