Das BMBF-geförderte Netzwerk BipoLife (bipolife.org) untersucht seit 2015 an insgesamt 10 Standorten Ursache, Verlauf und Therapie bipolarer Störungen. Während insbesondere die longitudinalen Studien noch weiterlaufen und andere Teilprojekte sich noch in der Analysephase befinden, werden wir in diesem Symposium die top line-Ergebnisse des BipoLife-Netzwerkes vorstellen. In BipoLife wurde eine der weltweit größten Risikokohorten rekrutiert; mehr als 1.100 Menschen im jungen Lebensalter, die eine von drei Risikokonstellationen für die Entwicklung einer bipolaren Störung aufwiesen, wurden aufwändig charakterisiert und seit Erhebung der Baseline regelmäßig nachuntersucht. Prof. Pfennig wird erste klinische Ergebnisse dieser längsschnittlichen Studie berichten. Ein Großteil dieser Patienten wurde nicht nur klinisch charakterisiert; es wurden auch bildgebende und genetische Daten erhoben. Die bisherigen genetischen Befunde werden von Prof. Reif dargestellt und in den aktuellen Kontext der Genetik der bipolaren Störung gestellt; hier konnten in den letzten Jahren sowohl in der Untersuchung seltener als auch häufiger genetischer Varianten große Fortschritte gemacht werden. Die Ergebnisse der strukturellen MRT-Daten der Risikokohorte im Kontrast zu großen internationalen Studien (ENIGMA-Bipolar) berichtet dann Dr. Mikolas. Im Rahmen von BipoLife wurde ebenfalls eine große Psychotherapie-Studie durchgeführt, die eine neu entwickelte, adjuvante Psychotherapie zur Rückfallprophylaxe in einem kontrollierten, randomisierten Design in einer großen Stichprobe testete. Die Studie ist mittlerweile abgeschlossen und Prof. Hautzinger wird die ersten Analysen bezüglich primärer und sekundärer Outcomes darstellen. Diese Daten zur Bipolarer Störung erweitern signifikant unser Wissen zur bipolaren Störung und zeigen den Mehrwert vernetzter Forschung bei affektiven Störungen auf.
Genetik der bipolaren Störung und ihrer Risikokonstellationen
Andreas Reif, Frankfurt Am Main (Germany)
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Autor:in:
Andreas Reif, Frankfurt Am Main (Germany)
Die bipolare Störung hat unter allen psychischen Störungen mit die höchste genetische Komponente. Es gibt jedoch kein "Bipolar-Gen"; wie bei anderen psychischen Erkrankungen auch handelt es sich um ein komplex-genetisches Modell, bei dem zahlreiche Risikogenvarianten mit nur kleinen individuellen Effekten zusammenwirken und somit das Krankheitsrisiko erhöhen. In den letzten Jahren konnten durch methodische Fortschritte bei der Genotypisierung, aber auch bei den bioinformatischen Analysen erhebliche Fortschritte in der Identifikation genetischer Varianten und Pathways bei der bipolaren Störung gemacht werden; die größte dieser Analysen ist die kürzlich veröffentliche PGC3-GWAS (Mullins et al., Nature Genetics 2021), in der fast 42.000 Patienten und über 371.000 Kontrollen untersucht wurden. Die Zahl der signifikant assoziieren Genorte konnte hierdurch auf 64 gesteigert werden. Aber auch zu seltenen genetischen Varianten konnten kürzlich an großen Stichproben relevante neue Befunde erhoben werden. Die Implikationen dieser Studien für die Architektur psychischer Erkrankungen, psychiatrische Diagnosesysteme, Krankheitsmechanismen und klinische Anwendung werden in diesem Vortrag diskutiert. Insbesondere die Frage, ob genetische Information in der Früherkennung und Prognosebestimmung gerade bei prodromalen Patienten eine klinische Rolle haben (werden), wird hierbei adressiert werden.
Strukturelle MRT-Merkmale von Menschen mit erhöhtem Risiko einer bipolaren Störung
Pavol Mikolas, Dresden (Germany)
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Pavol Mikolas, Dresden (Germany)
Die Forschung im Bereich Früherkennung von psychischen Störungen brachte spezialisierte Diagnostikinstrumente und gezielte Interventionen hervor. Bisher lag der Fokus vor allem auf Psychose-Prodrom, was zwischenzeitlich eine etablierte Diagnose im DSM-5 Manual wurde. Obwohl bipolare Störungen für die Betroffenen eine vergleichbare Krankheitslast wie bei psychotischen Erkrankungen darstellen, wurden die Risikopopulationen bisher unzureichend charakterisiert. Um die strukturellen Hirnveränderungen von Menschen mit erhöhtem Risiko einer bipolaren Störung zu analysieren, werteten wir Daten der strukturellen Magnetresonanztomografie (MRT) von hilfesuchenden Probanden (N = 263) aus 7 Studienzentren aus. Wir führten eine Analyse der kortikalen Dicke basierend auf Arealen aus vergangenen multizentrischen ENIGMA Studien von Patienten mit manifesten bipolaren Störung durch. Wir definierten das Risiko anhand eines EPIbipolar Interviews (no-risk, low-risk, high-risk). Es zeigten sich signifikante Unterschiede der kortikalen Dicke der linken pars opercularis des inferioren Frontalgyrus (Cohen's d = .47, p = .024) zwischen den Risikogruppen. Die graue Substanz war dünner bei high-risk Personen im Vergleich zu no-risk (p = .011). Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Hippocampus. Eine explorative Analyse ergab ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in anderen kortikalen und subkortikalen Arealen. In Übereinstimmung mit vorherigen Studien von Patienten mit manifesten bipolaren Erkrankungen, wo sich im gleichen Areal die Unterschiede mit der größten Effektstärke zeigten, stellte sich der ventrolaterale präfrontale Kortex bei hilfesuchenden Probanden mit erhöhtem Risiko dünner dar. Eine Verminderung der Dicke des ventrolateralen präfrontalen Kortex kann ein Trait-Merkmal einer bipolaren Störung sein. Diese Studie ist die größte MRT-Studie von hilfesuchenden Probanden mit erhöhtem Risiko für bipolare Störungen.