Während die Präzisionsmedizin—ein vielfach benutzter Begriff der modernen Gesundheitsversorgung—bspw. in der klinischen Praxis der Onkologie eine große Rolle spielt, sind personalisierte Behandlungsmöglichkeiten in der Psychiatrie noch rar gesät. Das Fehlen maßgeschneiderter Ansätze kann z.T. auf die ungenaue Charakterisierung und Klassifizierung psychischer Erkrankungen, welche sich häufig in einer komplexen Symptomatik äußern, zurückgeführt werden. „Major Depressive Disorder“ (zu Deutsch: „schwere depressive Episode“) beschreibt bspw. eine heterogene Gruppe von Erkrankten, welche in unterschiedliche Subgruppen differenziert werden sollte. Trotz der Vermutung, dass der Depression unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen, konnten bislang keine Subgruppen-spezifischen Biomarker identifiziert werden. Eine umfassende Charakterisierung der Patient*innen auf molekularer und klinischer Ebene ist notwendig um adäquate Marker in Bezug auf eine korrekte Differentialdiagnose und personalisierte Therapien zu erhalten.
Insbesondere Patient*innen, welche unter einer schwer behandelbaren Depression leiden, profitieren häufig von der Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Obwohl die EKT eine der wirkungsvollsten Therapieoptionen darstellt, zeigen naturalistische, populationsbasierte Studien eine Remissionsrate von unter 50%. Das Ansprechen auf die EKT variiert in Abhängigkeit von den klinischen Charakteristika der Patient*innen; trotz dessen konnten bislang keine zuverlässigen EKT-Response-Prädiktoren in die klinische Praxis implementiert werden. Bedingt durch die Heterogenität der Erkrankung, wird vermutlich ein Set an Biomarkern inklusive klinischer und bildgebender Daten notwendig sein, um eine zuverlässige Behandlungsentscheidung gewährleisten zu können. Aufgrund der hohen Relevanz, wird das folgende Symposium den aktuellen Stand bezüglich des Themas „Personalisierte Medizin“ in Bezug auf die EKT adressieren.
Übergewicht als modulierender Faktor der neurobiologischen Effekte und assoziierten klinischen Response von EKT
Nils Opel, Münster (Germany)
Epigenetische Marker für die EKT-Responseprädiktion
Nicole Moschny, Hannover (Germany)
Hannah Benedictine Maier, Hannover (Germany)
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Autor:innen:
Nicole Moschny, Hannover (Germany)
Hannah Benedictine Maier, Hannover (Germany)
Aufgrund der häufigen Assoziation von Depression mit chronischem Stress, rücken Umweltfaktoren bezüglich der Untersuchung des Pathomechanismus depressiver Erkrankungen als auch bei der Biomarkerforschung immer weiter in den Fokus. Traumatische Erlebnisse (z.B. Misshandlungen, Isolation oder fehlende Fürsorge) können dabei, je nach genetischer Disposition, die Produktion bestimmter Proteine langfristig beeinflussen, ohne die eigentliche DNA-Sequenz verändern zu müssen - ein biologischer Prozess, welcher als ‚Epigenetik‘ bezeichnet wird. Veränderungen in der Epigenetik (z.B. in der DNA-Methylierung (DNAm)) können, als fundamentale Entität einer jeden menschlichen Zelle, auf diverse Mechanismen Einfluss nehmen und somit beispielsweise das Immunsystem, die Synapsenbildung oder die individuelle Stress-Suszeptibilität beeinträchtigen.
Um die Etablierung der Präzisionsmedizin in der Psychiatrie zu fördern, untersuchten wir kürzlich Unterschiede in der DNAm in Relation zum Therapieerfolg bei der Elektrokonvulsionstherapie (EKT) mittels zweier Methoden: (1) einem theoriegeleiteten und (2) einem datengestützten, d.h. auf EWAS-basierenden Ansatz. Die erste Studie, welche die Sanger-Sequenzierung zur Analyse nutzt, konzentriert sich auf die DNAm zweier Gene, welche jeweils für den Glukokortikoidrezeptor (NR3C1) und Proopiomelanocortin (POMC; Prohormon für Adrenocorticotropin (ACTH)) kodieren und deshalb bei der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, d.h. unserem zentralen Stress-System, eine Rolle spielen. Das zweite Projekt hingehen schlägt auf Basis einer DNAm-Analyse von über 1,4 Millionen CpGs acht neue Kandidatengene vor, welche bislang kaum mit der Depression in Verbindung gebracht wurden und hinsichtlich der Vorhersage des Ansprechens auf eine EKT-Behandlung relevant sein könnten.