Polypharmazie beginnt lt. WHO ab 5 Medikamenten aufwärts. Überlegen Sie, wie viel Medikamentenkurven Sie haben, die weniger als 5 Medikamente aufweisen?
Man geht davon aus, dass Arzneimittel¬interaktionen bei UAW-bedingten Krankenhaus-aufnahmen zu 25% und bei Aufnahmen auf Intensiv¬stationen zu 50% mitverantwortlich sind (Hafner et al. Der Internist 2010;51: 359-370).
Die meisten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die durch Wechselwirkungen bedingt sind, gelten als „vermeidbare Medikationsfehler“ (Hiemke C, Eckermann G, Psychopharmakotherapie 2014; 21:269-279)
In diesem Workshop sollen medikamentöse Kombinationstherapien in Bezug auf Risiken und Fallstricke, aber auch die mögliche erhöhte therapeutische Effizienz dargestellt werden. Es werden Signale diskutiert, die auf die zu erwartenden Interaktionseffekte hinweisen.
Dabei wird auch speziell auf die aktuelle Situation durch die COVID-19-Pandemie bei mit Psychopharmaka behandelten Patienten eingegangen, sowie auf die Wechselwirkungen mit Medikamenten, die bei COVID-19 eingesetzt werden (Seifert J, Heck J, Eckermann G et al. Nervenarzt 2020; 91: 604-610) und auf die Frage, wie es mit der COVID-19-Impfung bei Patienten mit Psychopharmaka steht.
Arzneimittelinteraktionen werden in pharmakokinetische und pharmakodynamische eingeteilt.
Pharmakokinetische Interaktionen entstehen, wenn eine Substanz die Absorption, die Verteilung, den Metabolismus oder die Exkretion eines Medikaments verändert und damit dessen Konzentration am Wirkort erhöht oder senkt. Die meisten pharmakokinetischen Wechselwirkungen finden auf der Ebene der Metabolisierung statt und hier an Enzymen des Cytochrom-P450-Systems (CYP).
Pharmakodynamische Wechselwirkungen entstehen, wenn die kombinierten Substanzen an der gleichen Wirkstruktur oder an funktionell verbundenen Systemen gemeinsam angreifen. So können sich z.B. anticholinerge Wirkungen von Amitriptylin, Olanzapin und Tolterodin aufsummieren zu einem Delir.
Natürlich können auch allgemeinmedizinische oder internistische Medikamente wie die Antibiotika Ciprofloxacin, Clarithromycin oder das Antimykotikum Terbinafin oder das Antiarrhythmikum Amiodaron starke pharmakokinetische Effekte triggern.
„Genussmittel“ wie das Rauchen senken die Blutspiegel nicht nur von Duloxetin oder von Antipsychotika wie Clozapin oder Olanzapin, sondern z. B. auch von Antiparkinsonmedikamenten wie Rasagilin und Ropinirol klinisch bedeutsam.
Es wird auch die Wechselwirkungsthematik zwischen onkologischen und ZNS-Medikamenten besprochen.
Außerdem wird das Kapitel der sog. Prodrugs wie Tramadol, Tamoxifen, Clopidogrel aufgegriffen.
Diskutiert werden pharmakogenetische Polymorphismen, sog. Poor bzw.
Ultra Rapid Metabolizer, solch ein veränderter pharmakogenetischer Status kann erhebliche Behandlungsrisiken in sich bergen.
Wir kümmern uns um die Probleme und Risiken durch Phytopharmaka und Selbstmedikation (die Hausärzte werden mit Werbung für Phytopharmaka -z.T. auch von Ärzten angepriesen- völlig bagatellisierend „beschossen“), doch diese „Anpreisungen“ sind u.U. ein Hochrisiko-Hazard-Spiel für die Patienten.
Für die Psychopharmakotherapie speziell bedeutsame elektronische Interaktionsdatenbanken werden vorgestellt: www.psiac.de und ein analoges Programm www.mediQ.ch
Wenn bei einer Kombination mit Wechselwirkungen zu rechnen ist, so muss dies nicht bedeuten, dass die Kombination vermieden werden sollte. Sie kann sogar hilfreich sein. Durch Messung der Plasmakonzentrationen, durch das Therapeutische Drug Monitoring (TDM), ist es möglich, die Dosis individuell anzupassen.
Unbedingt geht es in diesem Workshop auch um die Fälle der Teilnehmer, die diese diskutieren möchten. Alle Kolleginnen und Kollegen sind aufgefordert, eigene Fälle mitzubringen, die sie als schwierig oder sehr komplex verstehen. Und wir bearbeiten diese Fälle gemeinsam nach dem Motto: „Was mache ich, wenn ...?“