Zehn Jahre nach der Gründung des Vereins EX-IN Deutschland ist die Bedeutung von Genesungsbegleitung als ergänzende Perspektive im psychiatrischen Versorgungs-system weitgehend anerkannt. Auf der Basis von eigenem Erfahrungswissen mit Krisen und deren Bewältigungsstrategien werden die Nutzenden auf ihrem je individuellen Recovery-Weg im Sinne des Peergedankens begleitet.
Die Implementierung dieser neuen (und noch nicht als Beruf staatlich anerkannten) Gruppe von Mitarbeitenden (als Kolleg*innen der durch Studium und Beruf ausgebildeten Experten im Hilfesystem) stellt nun gewisse Herausforderungen an die Gesellschaft im weitesten Sinne und die zuständigen Organisationen und Institutionen im speziellen Sinne.
Dieses Symposium lädt dazu ein, die Überlegungen zur Bewältigung dieser Aufgabe aus den Perspektiven einer arbeitgebenden Institution, der praxisorientierten Einbindung in den Stationsalltag, die Korrelanz zu bestehenden Berufsgruppen im Sinne einer finanziellen Vergütung sowie der eigentlichen Tätigkeit als Genesungsbegleiterin kennenzulernen und an der offenen Diskussion im Anschluss an die Kurzvorträge teilzunehmen.
Ziel ist es, möglichst konkrete Lösungsideen gemeinsam zu erarbeiten, damit sie als Anregungen für weitere politische Maßnahmen über den Verein EX-IN Deutschland öffentlich zur Verfügung gestellt werden können.
Erfahrungen einer Stationsleitung mit dem spezifischen Fokus der Implementierung von Genesungsbegleitung in die Praxis
Wolfgang Pohlmann, Karlsbad (Germany)
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Autor:in:
Wolfgang Pohlmann, Karlsbad (Germany)
Wir müssen uns eigentlich nicht mehr fragen, ob wir so weit sind, Genesungsbegleitung im beruflichen Alltag zu implementieren.
Es passiert ja schon!
Seit über 12 Jahren werden Menschen mit psychischen Erschütterungen zu Genesungsbegleitern qualifiziert.
Seit 2018 zum wird dem Einsatz von Genesungsbegleitung in der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ das Kapitel 9.5.
„Peer-Support – Experten aus Erfahrung“ gewidmet
Seit 2020 wird in den 2019 aktualisierten Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik im § 9 Abs.2 festgeschrieben, dass in der Erwachsenenpsychiatrie und Psychosomatik Genesungsbegleiter*innen
eingesetzt werden sollen
Es gibt vielfältige Erfahrungen mit der Implementierung von Genesungsbegleitung in psychiatrischen Kliniken. In einigen Bereichen läuft es gut
Aber, obwohl die Voraussetzungen gut sind, noch nicht in der Fläche
Genesungsbegleitung wird dort anerkannt wie eine neue Berufsgruppe, die neue Wege beschreitet.
Welche versucht Arbeitsansätze wie Recovery, Empowerment, Partizipative Entscheidungsfindung etc. auf den Weg zu bringen
Woran hakt es dann, wenn es hakt?
Es sind mehrere Faktoren, die sich ungünstig ergänzen
Die Nachhaltigkeit, die durch Genesungsbegleitung entsteht, ist durch zu geringe Stellenanteile häufig nicht gut wirksam
Es gibt zu wenig Stellenangebote gerade mit höheren Stellenanteilen in der Fläche
Stellen für Genesungsbegleitung sind selten im Stellenplan verankert und damit finanziell gesichert.
Es gibt nicht überall ausreichend qualifizierte GenesungsbegleiterInnen
Wie geht es weiter?
Ausbau weitere Kursangebote
Verhandlungen mit Kostenträgern die Kursfinanzierung verlässlich zu regeln
Aufklärungsarbeit bei Arbeitgeber zur Implementierung von Genesungsbegleitung
Gespräche mit der ver.di Bundesfachkommission, Psychiatrische Einrichtungen zum Thema Tarifliche Eingruppierung von Genesungsbegleitung
und noch einiges mehr.
abgesagt: Zu den Herausforderungen bei der Eingruppierung in das existierende Entgeltsystem auf der Basis von Gesprächen mit ver.di
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Im Nachgang zu Gesprächen mit ver.di in 2020 sowie dem daraus resultierenden Workshop im Rahmen der vom Forum für Gesundheitswirtschaft konzipierten und von ver.di ausgerichteten 13. Fachtagung Psychiatrie im Februar 2021 (online) werden die Herausforderungen, die mit dem Versuch der Eingruppierung von Genesungsbegleiter*innen bzw. Peers in das existierende Entgeltsystem verbunden sind, hier im Rahmen dieses Symposiums skizziert und zur Diskussion gestellt.
Im Unterschied zu anderen Berufsausbildungen im Gesundheitssystem basiert die EX-IN-Qualifizierung auf subjektivem Erfahrungswissen und dessen Reflexion. Es liegt auf der Hand, dass diese Ressourcen und Fähigkeiten nicht mittels objektiver Kriterien abgeprüft werden können. Dennoch besitzen Expert*innen aus eigener Krisenerfahrung über oft jahrzehntelange Kenntnisse nicht nur des Gesundheitssystems, sondern auch diversester Methoden – sowohl biologistischer wie auch therapeutisch-systemischer Ansätze zur Bewältigung von seelischen und psychischen Krisen.
Der EX-IN Deutschland Verein sieht es als dringliche Aufgabe an, die Peer-Perspektive als Beruf nicht nur qua Ausbildung, sondern eben auch durch die Gewährleistung einer bundesweit auf einheitlicher Eingruppierung geregelter und angemessener Entlohnung voranzubringen.
Ziel ist es letztlich, die ständig wachsende Personengruppe im Blick zu haben, um deren Unterstützung und Genesung durch die zusätzliche, das Versorgungssystem ergänzende Haltung einer auf Erfahrungswissen fußenden Begleitung zu bereichern.
Ein Bericht über die Tätigkeiten als EX-IN-Genesungsbegleiter in einer psychiatrischen Klinik
Klaus Nuißl, Regensburg (Germany)
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Autor:in:
Klaus Nuißl, Regensburg (Germany)
EX-IN Genesungsbegleitung ist nun auch in der PPP-RL die Genesungsbegleitung aufgenommen und kann jetzt an den psychiatrischen Kliniken verstärkt angeboten werden. Seit 2016 gibt es an der Psychiatrischen Institutsambulanz des Bezirksklinikums Regensburg EX-IN Genesungsbegleitung. Der EX-IN Mitarbeiter führt Einzelgespräche und bietet eine Recoverygruppe an.
In den Einzelgesprächen dreht sich viel um das Thema Umgang mit Stigmatisierung und der Erkrankung, Sinnsuche, Literaturhinweisen, Spiritualität, Erfahrungen, Selbsthilfe, Patientenrechte, Empowerment, u.a.. Durch die eigene Krisenerfahrung wir eine niedrigschwellige Begleitung möglich, in der oft bald Vertrauen entsteht. Aber die schnell gewonnene Nähe muss auch gut reflektiert werden, um fruchtbar zu bleiben.
Neben der internen Supervision findet ebenfalls eine einrichtungsübergreifende Supervision statt, bei der die Genesungsbegleitung reflektiert wird. Auch der Austausch im multiprofessionellen Team ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Arbeit.
In der Recoverygruppe werden die Themen für psychoseerfahrene/ schizoaffektiv und bipolar erkrankte Menschen noch einmal im Austausch in den Blick genommen, der Züge der Selbsthilfe aufweist. Anhand von vorgegebenen Themen wie „Gesundheit und Wohlbefinden“, „Kommunikation“, „Gefühle“, „Empowerment“, „Krise als Chance“ oder „Trialog“ werden viele mit der Erkrankung und dem Recovery- Prozess verbundene Aspekte erarbeitet. Der Austausch ist oft kurzweilig und sehr an den Bedürfnissen der Teilnehmer*innen orientiert.
Auch eine Begleitung auf den Stationen findet in einem geringen Maße statt, allerdings meist mit dem Ziel einen Übergang in die ambulante Begleitung anzubahnen.