Klassische Psychokardiologie fokussierte auf Konzepte der Salutogenese, Krankheitsbewältigung und die Rolle von (Dis-)Stress auf die Entstehung und den Verlauf psychokardiologischer Störungen. Basierend darauf entwickelt sich die moderne Psychokardiologie innerhalb der Psychiatrie und der Psychosomatik zu einer hochspezialisierten Disziplin, in der molekularpathogenetische und interventionelle Aspekte eine größere Bedeutung erhalten. Epidemiologische Studien zeigen, dass frühe Traumatisierung zu lang anhaltenden metabolischen Veränderungen führen. In deren Folge ist die Auftrittshäufigkeit für eine kardiometabolisch ungünstige Lebensweise, psychische und körperliche Erkrankungen erhöht. Auf der Ebene psychopharmakologischer und psychotherapeutischer Interventionen stehen neue Zielstrukturen und Versorgungsformen im Zentrum des Interesses. Die molekulare Psychokardiologie fokussiert unter anderem darauf, die Rolle inflammatorischer Prozesse in der Entwicklung dementieller Erkrankungen nach Myokardinfarkt zu definieren. Das Symposium vermittelt Einblick in die übergeordneten Forschungslinien dieser Disziplin.
Digitale Psychokardiologie: metakognitive Kurzintervention bei psychischen Folgeerkrankungen lebensbedrohlicher kardiopulmonaler Ereignisse – eine Fallserie und ihre Übertragung in eine webbasierte Anwendung
Flora Caldarone, Hannover (Germany)
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Flora Caldarone, Hannover (Germany)
Die Prävalenz psychischer Erkrankungen ist bei Personen, die an einer Erkrankung des Herzens leiden, deutlich erhöht. Nach kardialen Ereignissen, wie z.B. einem Herzinfarkt, und der Stellung kardiovaskulärer Diagnosen entwickeln sich insbesondere Angst- und depressive Symptome häufig. Unbehandelt nehmen diese Symptome im Verlauf oft Krankheitswert an. Leider erlaubt es die aktuelle medizinisch-psychologische Versorgungslandschaft in Deutschland nicht, u.a. durch die knappe Bemessung der personalen Ressourcen, dass jeder betroffenen Person ein adäquates, persönliches Unterstützungsangebot gemacht werden kann.
Unser Ziel ist es, ein digitales, niedrigschwelliges Therapieangebot zu etablieren, welches bezogen auf die psychischen Folgen bei Herzkrankheiten sowohl präventiv als auch therapeutisch genutzt werden kann. Dafür entwickelten wir in Schritt 1 zunächst ein transdiagnostisches und auf die Bedürfnisse herzerkrankter Personen angepasstes Therapiekonzept basierend auf metakognitiver Therapie. Diese metakognitive Kurzzeitintervention wurde für acht digitale Sitzungen innerhalb von vier Wochen entwickelt. In Schritt 2 haben wir dieses Konzept in einer Fallserie bei sechs Patient*innen mit Krankheiten des Herzkreislaufsystems und darauffolgenden psychischen Symptomen auf die Probe gestellt. Ergebnis waren eine Reduktion der Angst- und depressiven Symptome und damit einhergehenden Einschränkungen, eine verbesserte Lebensqualität bei hoher Therapiezufriedenheit und wahrgenommener Zielerreichung. In Schritt 3 haben wir die bis dato durch therapeutisch geschultes Personal durchgeführte Intervention in eine WebApp mit dem Konzept des Blended Treatments übersetzt. In Schritt 4 werden wir die Anwendbarkeit und Effektivität unserer WebApp untersuchen. Ziel ist die Fertigstellung des digitalen Angebots im Sommer 2023.
Psychokardiologie und Lebensgeschichte: vom Trauma zur psychokardiologischen Erkrankung
Ivo Heitland, Hannover (Germany)
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Ivo Heitland, Hannover (Germany)
Hintergrund: Traumatisches Erleben (TE) in der Kindheit ist ein wesentlicher Risikofaktor für ungünstige mentale und körperliche Gesundheitsfolgen im späteren Leben. Wie genau TE zu Gesundheitsrisiken wie z.B. Herz-Kreislauferkrankungen im Erwachsenenalter führt, ist derzeit noch nicht geklärt. Hierfür kombiniert unsere Arbeitsgruppe psychiatrische und kardiale Methoden. Epikardiales Fettgewebe (EAT) dient uns hierbei als Risikomarker.
Methoden: N > 500 erwachsene ambulante Patienten mit angeborenen Herzfehlern absolvierten eine gründliche kardiale und psychiatrische Untersuchung. Psychiatrische Messungen umfassten u.a. ein SKID Experteninterview, das childhood trauma questionnaire sowie weitere Fragebögen. Epikardiales Fettgewebe wurde mittels Echokardiographie erhoben. Bootstrapping-Mediationsmodelle unter Verwendung von TE als Prädiktor, Depression und körperlicher Aktivität als Mediatoren und EAT als abhängiger Variable wurden berechnet.
Resultate: Die errechneten seriellen Mediationsmodelle bestätigen, dass TE in der Kindheit mit erhöhtem epikardialen Herzfettgewebe im Erwachsenenleben assoziiert ist. Interessanterweise zeigte sich hier ein serieller Mediationsweg von [↑TE in der Kindheit] → [Depressivität] → [↓ sportliche Aktivität] → [↑epdikardiales Herzfettgewebe].
Folgerung: Wir skizzieren einen Weg, über den TE in der Kindheit, ein bekannter Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen, zu einer Zunahme des epikardialen Fettgewebes führt. Mittels Mediationsanalysen zeigen wir, dass eine hohe Anzahl traumatischer Ereignisse im Kindesalter mit verstärkten depressiven Symptomen verbunden ist, was wiederum mit weniger körperlicher Aktivität verbunden ist, welches wiederum mit einer höheren Menge an epikardialem Fettgewebe assoziiert ist. Diese Daten legen einen sinnvollen Weg nahe, über den TE in der Kindheit zu einer verschlechterten kardiovaskulären Gesundheit führt, mit mehreren potenziellen Zielen für Gesundheitsinterventionen im Laufe der Lebensspanne.