Elternschaft geht mit vielen Veränderungen einher – kognitiv, emotional und auch neurobiologisch. Das Symposium stellt neuste Ergebnisse zu biologischen und psychosozialen Prozessen bei Müttern und Vätern vor, angefangen von der Schwangerschaft, über die Postpartalzeit bis hin zum Kleinkindalter. Es werden Risikofaktoren für die psychische Gesundheit wie Belastungen im Rahmen der aktuellen COVID-19 Pandemie sowie manifeste Erkrankungen am Beispiel der Depression und Borderline-Persönlichkeitsstörung dargestellt. Ein tiefgreifenderes Verständnis von zugrundeliegenden Mechanismen und eine verbesserte Förderung psychischer Gesundheit ist nicht nur für Eltern, sondern auch für deren Kinder notwendig, um psychische Gesundheit auch für kommende Generationen zu stärken.
In der Schwangerschaft beginnt die Entstehung des elterlichen Gehirns. Wir berichten über kognitive und emotionale Effekte sowie psychische Gesundheit während Schwangerschaft und Elternsein bei (werdenden) Müttern und Vätern. Postpartale Depressionen bei Müttern sind bekannt, doch auch Väter können erkranken. Anhand aktueller Ergebnisse werden neurobiologische Hintergründe zur postpartalen paternalen Depression und den psychosozialen und biologischen Risikofaktoren (Methylierung am BDNF Gen, BDNF Proteinspiegel sowie Testosteronspiegel im Serum) vorgestellt. Psychische Erkrankungen beeinträchtigen Elternschaft auch über die Peripartalzeit hinaus. Am Beispiel der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) wollen wir neurobiologische Grundlagen von Mutter-Kind-Interaktion darlegen und fMRT- und Hormon-Daten von Müttern mit BPS, deren Kinder zum Untersuchungszeitpunkt 1½-3 Jahre alt waren, berichten. Erste Studien zu den psychosozialen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie deuten auf eine Zunahme von Belastungen sowie psychischen Problemen und Beeinträchtigungen in der Partnerschaft wie auch Eltern-Kind-Bindung hin. Wir stellen dazu Daten einer Onlinestudie mit N=1716 Kindern zwischen 0-3 Jahren vor.
Biologische und psychosoziale Risikofaktoren der paternalen peripartalen Depression
Sarah Kittel-Schneider, Würzburg (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Sarah Kittel-Schneider, Würzburg (Germany)
Depressionen in der Peripartalperiode, also in der Zeit um die Geburt eines Kindes, sind bei Müttern weltweit sehr häufig, die Prävalenzzahlen liegen zwischen 10 und 30%. Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch Väter ein Risiko für die Entwicklung einer perinatalen Depression haben, es wird geschätzt, dass es sich um ca. 5-10% der Väter handelt, die hiervon betroffen sein könnten. Es gibt Hinweise darauf, dass das Neurotrophin BDNF bei der perinatalen Depression von Müttern eine Rolle spielen könnte, bei Vätern gibt es bisher keine Daten. Für unsere Pilotstudie wurden 81 werdende Eltern ab der 20. Schwangerschaftswoche rekrutiert und zu verschiedenen Zeitpunkten untersucht. Depressive Symptome wurden mit EPDS und MADRS gemessen, verschiedene psychosoziale Variablen wurden erfasst und Blutproben für die Genotypisierung von BDNF val66met Varianten sowie für Bestimmung der BDNF Proteinkonzentrationen und BDNF Genmethylierung wurden entnommen. Zwischen der Schwangerschaft und dem 12. Lebensmonat des Kindes stellten wir fest, dass 3,7 bis 15,7 % der Väter und 9,6 bis 24 % der Mütter über den cut-offs für eine Depression waren, wobei die Raten an depressiven Eltern anhand der Werte der MADRS im Vergleich zur EPDS um mindestens das Zweifache höher war. Außerdem wurden mehrere psychosoziale Faktoren ermittelt, die mit perinataler Depression bei beiden Elternteilen in Zusammenhang stehen könnten. Niedrigere BDNF-Protein-Werte korrelierten mit depressiven Symptomen bei der Mutter 3 Monate postpartum. Bei den Vätern wurden keine signifikanten Korrelationen zwischen BDNF und perinataler Depression festgestellt. Schließlich wiesen schwangere Frauen im Vergleich zu Männern eine generell niedrigere BDNF-Methylierung und BDNF-Proteinexpression auf, die jedoch nach der Geburt wieder anstieg. Darüber hinaus wurden Korrelationen zwischen depressiven Symptomen und psychosozialen und neurobiologischen Faktoren festgestellt.
Das mütterliche Gehirn bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung – Stress- und Belohnungserleben in der Mutter-Kind-Interaktion
Isabella Schneider, Heidelberg (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Isabella Schneider, Heidelberg (Germany)
Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) sind Störungen in der Mutter-Kind-Beziehung bekannt. So zeigen Mütter mit BPS weniger soziales Engagement, mehr intrusives Verhalten mit dem Kind, weniger positiven Affekt und erleben die Erziehung als stressreicher und weniger zufriedenstellend als gesunde Mütter. Auch die Kinder zeigen häufiger Auffälligkeiten im Verhalten im Vergleich zu Kindern von gesunden Müttern und sie haben ein erhöhtes Risiko, später im Leben selbst an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Dabei spielt die Mutter-Kind-Beziehung eine wichtige mediierende Rolle für die gesunde und abnorme kindliche Entwicklung. Die hormonellen und neuronalen Belohnungs- und Stresssysteme scheinen wichtige modulierende und mediierende Faktoren im mütterlichen Verhalten zum Kind zu sein. Veränderungen, wie sie bei vielen psychischen Erkrankungen auftreten, könnten auch bei der BPS das mütterliche Verhalten und die Mutter-Kind-Beziehung beeinflussen und das Risiko einer transgenerationalen Transmission der Psychopathologie erhöhen. In einer aktuellen Studie haben wir das Belohnungs- und Stresserleben auf behavioraler, hormoneller und neuronaler Ebene von Müttern mit BPS und deren Kleinkindern untersucht. Neben einer Verhaltensbeobachtung wurde ein Skript-basiertes Imaginationsparadigma während einer fMRT-Messung angewandt, um die neuronale Response auf angenehme und unangenehme Mutter-Kind-Interaktionen zu untersuchen. Erste Ergebnisse bestätigen im Verhalten eine reduzierte Sensitivität und erhöhte Intrusivität, sowie reduzierte Reziprozität in der dyadischen Interaktion bei Müttern mit BPS im Vergleich zu gesunden Müttern. Auf neuronaler Ebene gibt es Hinweise für Veränderungen im Belohnungsnetzwerk und des Salienzsystems in der Gruppe der Mütter mit BPS. Die Ergebnisse sind relevant für das Verständnis der BPS als biopsychosoziale Erkrankung und die weitere Entwicklung von Therapieprogrammen, die die Mütter, wie auch die Kinder miteinbeziehen.
CoviFam – Bonding- und Partnerschaftsqualität in Familien mit Kleinkindern während der COVID-19-Pandemie
Anna-Lena Zietlow, Mannheim (Germany)
Details anzeigen
Autor:innen:
Anna-Lena Zietlow, Mannheim (Germany)
Christian Franz Joseph Woll, München (Germany)
Linda Luisa Stürmlinger, (Germany)
Su Mevsim Kücükakyüz, (Germany)
Anton Karl Georg Marx, (Germany)
Mitho Müller, München (Germany)
Alexandra von Tettenborn, (Germany)
Nora Nonnenmacher, Heidelberg (Germany)
Lukka Popp, (Germany)
Corinna Reck, München (Germany)
Ziel: Die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie sind vielfältig, Studien deuten auf eine Zunahme psychischer Probleme und familiärer Belastungen hin, mit Auswirkungen auf die Partnerschaft und die emotionale Bindung die Kinder.
Methode: Ziel war die Untersuchung der Zusammenhänge von Stresserleben, Partnerschaft und Beeinträchtigungen im Bonding. Dafür wurden mittels Cross-Lagged Panel-Modellen Daten der CoviFam-Online-Studie analysiert, die N=666 Mütter mit Kleinkindern von 0-3 Jahren zu zwei Messzeitpunkten (T1 & T2) befragte. Die eingesetzten Fragebögen waren der Postpartum Bonding Questionnaire (PBQ-16-R), Partnerschaftsfragebogen (PFB-K) und die deutsche Version der Percieved Stress Scale (PSS).
Ergebnisse:
Die Ergebnisse zeigten zu beiden Messzeitpunkten statistisch hochsignifikante Zusammenhänge zwischen Beeinträchtigungen im mütterlichen Bonding, Partnerschaftsqualität und Stresserleben mit Effektstärken im Bereich von r = .22 - .42 (alle p < .001). Bezüglich der cross-lagged Effekte zeigte sich ein kleiner Effekt von Beeinträchtigungen im mütterlichen Bonding zu T1 auf das Stresserleben der Mutter zu T2 (r = .10, p < .01). Außerdem erreichte der cross-lagged Effekt von Parterschaftsqualität zu T1 auf Beeinträchigungen im mütterlichen Bonding zu T2 statstische Signifikanz mit kleiner Effektstärke (r = -.07, p < .05).
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen die Bedeutsamkeit der Qualität sozialer Beziehungen für das Stresserleben im Kontext der COVID-19 Pandemie und betonen die Notwendigkeit passender psychosozialer und beziehungsorientierter Unterstützungsangebote für Eltern von Kleinkindern während der Pandemie.