In dem Symposium sollen relevante und aktuelle Themen der Psychotherapie und ihrer generellen Bedeutung in der Therapie und Versorgung psychiatrischer Erkrankungen aufgegriffen werden.
Psychotherapie wird heute bei den meisten psychischen Erkrankungen in den S3-Leitlinien empfohlen und ist in zahlreichen RCTs und Meta-analysen belegt. Es gibt aber auch zahlreiche kritische Aspekte wie methodische Schwächen früherer Studien, die fehlende Beachtung von Risiken und Nebenwirkungen und viele andere Aspekte, die eine Herausforderung für zukünftige Forschung darstellen. Darüber hinaus gibt es Versorgungsdefizite, die sich in der aktuellen Corona-Pandemie noch verstärkt haben. Mit der Änderung des Psychotherapeutengesetzes steht aktuell ein Wandel der Ausbildung von Psychotherapeuten bevor, der sich auch auf die Versorgung mit Psychotherapie auswirken könnte.
Prof. Rief wird sich in seinem Vortrag mit den Auswirkungen der Änderung des Psychotherapeutengesetzes befassen, im Rahmen dessen die Psychotherapieausbildung universitär wird.
Prof. Voderholzer befasst sich im Rahmen seiner Arbeitsgruppe an der LMU München mit den kurz- und langfristigen Wirksamkeit von Psychotherapie in Relation zu Pharmakotherapie sowie deren Kombination und stellt ein systematisches Review der Literatur sowie umfangreiche Analysen von Routinedaten vor, die erstmalig auf dem Kongress vorgestellt werden sollen.
Prof. Bernhard Strauß wird eine neue systematische Übersicht über die Erfassung von Nebenwirkungen in Psychotherapiestudien vorstellen und auf deren Bedeutung für die Praxis eingehen.
Die Psychotherapieausbildung wird universitär: Was heißt das eigentlich?
Winfried Rief, Marburg (Germany)
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Autor:in:
Winfried Rief, Marburg (Germany)
Die Revision des Psychotherapeutengesetzes und die Definition einer Approbationsordnung sind abgeschlossen. Umso mehr bietet sich dieser Zeitpunkt an, zu reflektieren, welche Änderungen konkret damit verbunden sind, welche Chancen sich damit auftun, welche Risiken entstehen können, und welche Probleme dadurch auch nicht gelöst werden.
Erstmals in der Geschichte der Psychotherapie wird die Psychotherapieausbildung ein eigenes universitäres Fach. Historisch war Psychotherapieausbildung an postgraduale Qualifikationsphasen gebunden, zum Teil unabhängig von einer spezifischen akademischen Vorbildung. Die Ausbildung in Psychotherapie war damit primär die Ausbildung in einem bestimmten Therapieverfahren, das seine eigene Theorie und seine eigenen Grundlagen definiert. Psychotherapie ist nach diesem traditionellen Verständnis also die Ansammlung von unterschiedlichen, wenig miteinander verknüpften Behandlungsrichtungen.
Psychotherapie als universitäres Fach muss sich aber als EIN Fach definieren. Ein universitäres Fach hat in aller Regel einen Grundlagenbereich, und eher unabhängig davon einen Anwendungsbereich. Daraus entsteht das typische, oftmals konstruktive Spannungsverhältnis eines universitären Faches, das beiden Seiten ermöglicht, Erkenntnisse voran zu bringen, die sich gegenseitig stimulieren. Für die Psychotherapie heißt dies: Sie muss stärker auch Grundlagenerkenntnisse berücksichtigen, selbst wenn diese der eigenen Theorie wenig zuspielen. Psychotherapie muss noch mehr an der Dynamik wissenschaftlicher Weiterentwicklungen festgemacht werden.
Mit dieser Veränderung gehen diverse Konsequenzen einher, die momentan nicht vollumfänglich abgeschätzt werden können. Wird die Psychotherapie zu sehr verwissenschaftlicht? Ist dies eine Bedrohung für die Psychotherapie in der Medizin? Wenn Psychotherapie nicht einfach nur eine Ansammlung verschiedener Psychotherapie-Theorien sein kann, wie kann dann ein profunder Qualifizierungsprozess an der Universität aussehen?
Psychotherapie: kurz- und langfristiger Nutzen in Relation zu Psychopharmakotherapie
Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee (Germany)
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Autor:in:
Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee (Germany)
Die Mehrzahl psychischer Erkrankungen zeigt einen rezidivierenden oder chronischen Verlauf. Ein besonders wichtiger Aspekt der Wirksamkeit von Therapien bei psychischen Erkrankungen ist daher auch deren längerfristige, d.h. anhaltende Wirksamkeit über die Beendigung der Therapie hinaus. Psychotherapie kann nur über einen zeitlich begrenzten Zeitraum und nicht als Dauertherapie durchgeführt werden. Psychopharmaka können zwar dauerhaft eingenommen werden, allerdings gibt es bezüglich der langfristigen Wirksamkeit nur wenig Evidenz und zudem ist unklar, ob sie bei langfristiger Einnahme den Krankheitsverlauf auch negativ beeinflussen können. Von besonderem Interesse sind daher sogenannte Carry-over-Effekte, d.h. Effekte von Therapien über das Ende der Therapie hinaus.
In dem Vortrag soll anhand bisheriger Langzeitdaten auf Carry-over-Effekte von Psychotherapie eingegangen werden und auch eine Metaanalyse von Studien bei depressiven Patienten, in der Effekte über das Ende der Therapie hinaus von Psychotherapie, Pharmakotherapie und Kombinationstherapie verglichen wurden, berichtet werden. Angesichts der Chronizität und des rezidivierenden Charakters psychischer Störungen sollten langfristige Effekte stärker im Fokus der Forschung stehen und Psychotherapieforschung sollte besonders das Erlernen von Fertigkeiten und Selbstmanagement-Techniken im Umgang mit psychischen Erkrankungen im Blick haben.