Die Versorgung von mehr als 3,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen (818 000 davon vollstationär in Alten- und Pflegeheimen) sowie der erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung (Prävalenz von 0,5-1,8% in der Allgemeinbevölkerung n) stellt die haus- und fachärztlichen Versorger oft vor Herausforderungen. Sehr häufig sind neben der somatischen Multimorbidität auch psychische oder neurologische Erkrankungen die Ursache für die Pflegebedürftigkeit bzw. erschweren die Behandlung von für andere Menschen als Bagatellerkrankung geltende Beschwerden. In den vergangenen 1,5 Jahren standen die Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen zusammen mit den dort versorgenden Haus-und Fachärzten vor der Herausforderung, Behandlung der Grunderkrankungen unter den besonderen Hygiene- und Kontaktbeschränkungen der Corona-Pandemie zu sichern. Hier haben Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie (wie auch Neurologen bzw. Doppelfachärzte) einen bedeutenden Beitrag in der Versorgung geleistet indem sie dezentral und individuell Behandlung in der Lebensumgebung des Patienten und durch die Nutzung digitaler Kommunikationswege ermöglicht haben.
In einer Nationalen Demenzstrategie wurden Defizite in der Demenzversorgung offengelegt und Aufträge zur Entwicklung von passgenauen Versorgungselementen erteilt. In diesem Symposium geben wir Ihnen einen Überblick über die durch den Gesetzgeber angestoßenen Verbesserungen in der Diagnostik und Versorgung von Demenzpatienten und deren Angehörige insbesondere in ihrer Lebensumgebung. Weiterhin werden die Möglichkeiten und Entwicklungen der kooperativen Versorgung von Menschen in Pflegeheimen referiert – wir geben Hinweise zur Arbeitsorganisation und zu Abrechnungsmöglichkeiten auch für delegationsfähige Leistungen.
In einem weiteren Beitrag widmen wir uns der Betrachtung der Gruppe Erwachsener mit Intelligenzminderung. Wir zeigen anhand von Abrechnungsdaten in welchem Umfang und durch welche Leistungserbringer diese Patientengruppe versorgt wird.
Erwachsene Menschen mit Behinderung – eine Betrachtung der Versorgungssituation
Markus Weih, Nürnberg (Germany)
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Markus Weih, Nürnberg (Germany)
Menschen mit Intelligenzminderung (IM) leiden häufig unter Komorbiditäten, aktuelle Daten für Deutschland liegen aber leider nicht vor.
Ausgewertet wurden ambulante Abrechnungsdaten aller gesetzlich versicherten Erwachsenen 2018.
In die Studienpopulation (SP) wurden Patienten mit gesicherten IM-Diagnosen (F70) aufgenommen.
Des Weiteren wurden die Behandlungsbeteiligung ausgewählter Arztgruppen und die Häufigkeit der Inanspruchnahme und Verordnungsprävalenzen ausgewählter Arzneimittelgruppen untersucht.
Ergebnisse: Die Studienpopulation umfasste 324.428 Patienten mit IM, Prävalenz 0,55%.
96 % haben einen Hausarzt aufgesucht, 47 % einen Neurologen, Nervenarzt oder Psychiater,
Die häufigsten psychiatrischen Komorbiditäten waren Entwicklungsstörungen,
organische psychische Störungen, Autismus, Verhaltensstörungen und psychotische
Störungen.
Häufige somatische Komorbiditäten waren Kreislauferkrankungen und Infektionen
(51% bzw. 33%). Deutlichere Risiken zeigten sich auch für respiratorische Insuffizienz
und Volumenmangel, auffallend in den jüngeren Altersgruppen.
Hinsichtlich der Verordnungsprävalenz wurden bei IM häufig Psycholeptika/Antipsychotika, Antiepileptika und Medikamente gegen Muskel- und Skeletterkrankungen verordnet.
Schlussfolgerung: Eine F7-Diagnose findet sich in einem erheblichen Umfang in den ambulanten Abrechnungsdaten. Dies eröffnet neue Optionen in der Versorgungsforschung dieser vulnerablen und multimorbiden Patientengruppe.
Neben dem Hausarzt werden häufig Fachärzte konsultiert, am meisten aus dem
neuropsychiatrischen Bereich.
Ein großer Anteil der Patienten wird rein symptomatisch mit Antipsychotika bzw. Psycholeptika behandelt.
Künftige Analysen sollten besonderes Augenmerk auf die Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung, insbesondere an der Schnittstelle zwischen den Hausärzten und
der neuropsychiatrischen Fachgruppe legen.