Ungünstige oder gar traumatische Kindheitserfahrungen stellen einen wichtigen ätiologischen Faktor bei ca. 25% aller psychiatrischen Erkrankungen dar. Oft handelt es sich um einen Subtyp, der über die Breite der verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen hinweg eine komplexe Psychopathologie zeigt und mit schweren Verläufen assoziiert ist. Inzwischen liegt eine zunehmende Evidenz vor, dass der Psychopathologie bei diesen Patient*innen transdiagnostische Mechanismen gemein sind, so z.B. eine gestörte Affektregulation, soziale Anhedonie, eine abnorme somatosensorische Verarbeitung und defizitäre sozial-kognitive Prozesse. Die an diesem Symposium beteiligten Wissenschaftlerinnen berichten über die Folgen aversiver Kindheitserfahrungen (AKE) für Hirnentwicklung und Hirnfunktionen im Erwachsenenalter und widmen sich biologischen (epigenetischen) und psychosozialen (Elternverhalten) Mediatoren des Zusammenhangs zwischen AKE und psychischer Gesundheit. Die Erkenntnisse veranlassen zu wichtigen Schlussfolgerungen für spezifische transdiagnostisch wirksame therapeutische Interventionen.
zugeschaltet: Epigenetische Einbettung von prä- und postnatalem Stress und transdiagnostisches, psychiatrisches Krankheitsrisiko in der Kindheit und im Erwachsenenalter
Darina Czamara, München (Germany)
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Autor:in:
Darina Czamara, München (Germany)
Viele psychiatrische Erkrankungen, wie beispielsweise Depression oder Angststörungen, werden auch als stress-bedingte Erkrankungen bezeichnet, d.h. das Auftreten dieser Erkrankungen kann durch akuten oder chronischen Stress begünstigt werden. Ein möglicher molekularer Mechanismus, wie Stress bzw. Umwelteinflüsse im Allgemeinen in unser Genom eingebettet werden können, sind epigenetische Faktoren wie beispielsweise DNA Methylierung. Dies sind chemische Veränderungen, welche die Aktivität von Genen beeinflussen. Demnach stellt die Untersuchung epigenetischer Faktoren gerade in Bezug auf komplexe Erkrankungen, welche nicht vollständig durch Genetik, sondern zu einem großen Teil auch durch Umwelteinflüsse begünstigt werden, ein spannendes Forschungsfeld dar.
Pränatale Stressfaktoren, wie beispielsweise Rauchen in der Schwangerschaft, aber auch postnataler Stress, Kindheitstraumata im Besonderen, sind mit Veränderungen auf der Ebene der Epigenetik assoziiert, welche zum Teil stabil bis ins Erwachsenenalter andauern können. Ein besonderer Fokus liegt hier auf der Interaktion zwischen Stress und Genetik, so genannten Gen-Umwelt-Interaktionen, welche einen hohen Anteil der Variabilität von DNA Methylierung erklären und mit erhöhtem Krankheitsrisiko assoziiert sind.
zugeschaltet: Transdiagnostischer Einfluss traumatischer Kindheitserfahrungen auf Belohnungsantizipation und Theory-of-Mind-Leistung im Erwachsenenalter
Katja Isabell Seitz, Heidelberg (Germany)
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Katja Isabell Seitz, Heidelberg (Germany)
Traumatische Kindheitserfahrungen zählen zu den bedeutendsten Risikofaktoren für psychische Erkrankungen. Ein möglicher Mechanismus, der dem Zusammenhang zwischen traumatischen Kindheitserfahrungen und Psychopathologie zugrunde liegen könnte, könnten Beeinträchtigungen sozial-kognitiver Funktionen und der Freude an sozialer Interaktion sein. So zeigen Personen mit traumatischen Kindheitserfahrungen eine verringerte Aktivität im ventralen Striatum während der Belohnungsantizipation sowie eine eingeschränkte Theory of Mind (ToM)-Leistung. Aufgrund des Mangels an transdiagnostischen Studien bleibt offen, inwieweit sich traumatische Kindheitserfahrungen über diagnostische Grenzen hinweg auf Belohnungsantizipation und ToM im Erwachsenenalter auswirken. Ziel der beiden vorliegenden Studien war die dimensionale Untersuchung des Zusammenhangs zwischen traumatischen Kindheitserfahrungen und Belohnungsantizipation bzw. ToM bei Personen mit und ohne psychische Erkrankungen. Hierzu bearbeiteten 118 bzw. 137 Studienteilnehmende, einschließlich Patient*innen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Depression oder Somatischen Belastungsstörung sowie gesunde Proband*innen, etablierte Paradigmen zur Untersuchung der Belohnungsantizipation bzw. ToM-Leistung. Art und Intensität traumatischer Kindheitserfahrungen wurden mit validierten Fragebögen erfasst. In der Gesamtstichprobe korrelierte das selbstberichtete Erleben mütterlicher Antipathie im Kindes- und Jugendalter signifikant negativ mit der striatalen Aktivität während der Antizipation sozialer Belohnungsreize. Darüber hinaus korrelierte in der Gesamtstichprobe die selbstberichtete Intensität traumatischer Kindheitserfahrungen signifikant negativ mit der ToM-Leistung. Unsere Ergebnisse legen langfristige Auswirkungen traumatischer Kindheitserfahrungen auf die Antizipation sozialer Belohnungsreize und die ToM-Leistung im Erwachsenenalter nahe, die zukünftig in therapeutischen Interventionen berücksichtigt werden könnten.
zugeschaltet: Der Einfluss früher Traumatisierungen auf Interozeption: eine transdiagnostische Betrachtung von Beeinträchtigungen der Selbstregulation
Katja Bertsch, München (Germany)