Die UN-BRK und das BTHG stärken das Menschenrecht, den Aufenthaltsort selbstbestimmt wählen können. Die passgenaue und gemeindenahe Versorgung stößt bei schwer und chronisch psychisch kranken Menschen mit intensiven Unterstützungsbedarfen jedoch auf institutionelle Grenzen. Insbesondere von Seiten der psychiatrischen Kliniken wird öfters ein Ausbau geschlossener Wohnangebote für besonders schwer erkrankte Personen angemahnt.
Ausgangspunkt ist eine aktuelle Beschreibung der bundesweiten Unterstützungslandschaft offener und geschlossener psychiatrischer stationärer Einrichtungen (inkl. CMA) der Eingliederungshilfe. Darauf aufbauend werden das Konzept der Personenorientierung (Steinhart) und gemeindepsychiatrische Ansätze (Borbé) vorgestellt, die Alternativen zur geschlossenen Unterbringung bieten können. Frau Holthoff-Detto thematisiert die Situation älterer Menschen, für die häufig wegen der Komplexität der notwendigen Behandlung und mangelnder Alternativen eine Umsiedlung in eine stationäre Pflege notwendig wird. Eine Alternative ist ein gestuftes ambulantes und stationäres Versorgungs- und Behandlungsmodell für alte Menschen mit einem qualifizierten multiprofessionellen Team als Kern und einer vernetzten, transsektoralen Wahrnehmung von Verantwortung als Teil der Regelversorgung. Aus Betroffenen-Perspektive (Richter) werden die Beiträge diskutiert und Versorgungslücken und Defizite im bestehenden System angesprochen, die durch einen Ausbau der Angebote geschlossener Unterbringung noch verstärkt werden können, weshalb dies grundsätzlich abgelehnt wird.
zugeschaltet: Personenzentrierte Hilfen, aber geschlossen untergebracht? Zur Situation der geschlossenen Heime in Deutschland
Ingmar Steinhart, Rostock (Germany)
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Ingmar Steinhart, Rostock (Germany)
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNBRK) und das Bundesteilhabegesetz(BTHG) stärken das Menschenrecht, den Aufenthaltsort selbstbestimmt wählen können. Das Konzept der Personenzentrierung mit der Forderung nach einer passgenauen und gemeindenahen Versorgung stößt bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und intensiven Unterstützungsbedarfen jedoch auf institutionelle Grenzen.
Im Vortrag wird auf Basis einer bundesweiten Befragung der Anbieter die Situation von besonderen Wohnformen(offen wie geschlossen) im gemeindepsychiatrischen System beschrieben. Die aktuellen Kenntnisse zu Struktur- und Prozessdaten insbesondere geschlossener Wohnheime in Deutschland, die im Rahmen der „ZIPHER“-Studie (Zwangsmaßnahmen im Psychiatrischen Hilfesystem – Erfassung und Reduktion) ermittelt wurden, werden zusammenfassend dargestellt.
Die vorliegenden Daten weisen auf einen hohen Bedarf einer gemeindenahen Versorgung der Zielgruppe und einen gleichzeitigen Mangel an alternativen Unterstützungsangeboten zur geschlossenen Unterbringung hin. Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns werden die bundesweite Belegung von besonderen Wohnformen und die Notwendigkeit regionaler Versorgungsverpflichtungen aufgezeigt.
Die Vermeidung und Reduktion geschlossener Unterbringung könnte primär durch individuelle Arrangements im Rahmen einer personenzentrierten und flexiblen Angebotslandschaft gelingen. Voraussetzung wäre eine (Selbst)Verpflichtung der Leistungsanbieter der Eingliederungshilfe, sich im Zusammenspiel mit den psychiatrischen Kliniken für die Versorgung aller Menschen in ihrer Region zu bekennen. Allerdings müssten auch die Leistungsträger diesen Prozess wollen und refinanzieren.
Versorgung Schwerstkranker: Alternativen zur geschlossenen Heimversorgung
Raoul Borbé, Ravensburg (Germany)
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Raoul Borbé, Ravensburg (Germany)
Die Unterbringung von Menschen mit psychischen Störungen in geschlossenen Heimen ist in vielen Fällen Ausdruck mangelnder alternativer Versorgungsangebote. In dem Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach Sicherung bei chronisch selbstgefährdendem Verhalten, rezidivierender akutpsychiatrischer Kriseninterventionen und mangelnder Perspektive, eine dauerhafte Therapie zu etablieren, wird vielerorts eine betreuungsrechtlich genehmigte Unterbringung in einem geschlossenen Heim durchgeführt.
Der Vortrag beschäftigt sich mit Alternativen zur geschlossenen Heimunterbringung im gemeindepsychiatrischen Versorgungssystem in Deutschland und basiert auf den Ergebnissen einer DGPPN Task Force, die im weiteren dargestellt werden.
Das gemeindepsychiatrische Versorgungssystem in Deutschland ist extrem heterogen. Das zergliederte Finanzierungssystem und die sozialrechtlichen Barrieren erschweren eine sektorenübergreifende und kontinuierliche Versorgungsplanung und Leistungserbringung. Passgenaue und individuelle Leistungen, die eine geschlossene Heimunterbringung der betroffenen Personen verhindern könnten, gibt es in Deutschland nur an wenigen Standorten und in Form einzelner Modellprojekte.
Die angesprochenen strukturellen und leistungsrechtlichen Defizite erfordern eine Reform der Rahmenbedingungen und ein Umdenken aller beteiligten Akteure, einschließlich der Kliniken. Alternative Ansätze zur Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Störungen werden skizziert, darunter das Weddinger Modell, verbindliche gemeindepsychiatrische Strukturen, das funktionale Basismodell und Assistenzleistungen im SGB IX infolge der Neuregelungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG).