Bei den meisten psychischen Erkrankungen erleben Betroffene Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, die zu Einsamkeit, niedrigem Funktionsniveau und geringer Lebensqualität führen. Störungen der Interaktion können sowohl primär mit dem Krankheitsprozess assoziiert sein als auch sekundär durch die Folgen der Erkrankungen entstehen.
Im Gehirn sind mehrere Netzwerke und Schaltkreise während sozialer Interaktionen besonders aktiv. Beispielsweise ist das Mentalisierungsnetzwerk aktiv, während wir uns ins Gegenüber hineinversetzen. Das Praxisnetzwerk arbeitet, wenn Handgesten benutzt oder interpretiert werden. Das Belohnungssystem ist wichtig, um Freude und Motivation im sozialen Kontext zu erleben. Bei psychischen Erkrankungen können häufig funktionelle Veränderungen dieser Netzwerke festgestellt werden. Diese Veränderungen im «sozialen Gehirn» stellen mögliche Zielpunkte für Interventionen dar. In diesem Symposium werden verschiedene Interventionsmöglichkeiten vorgestellt, die sowohl nicht-invasive als auch invasive Hirnstimulation beinhalten. Kortikale Netzwerke sind beispielsweise durch repetitive transkranielle Magnetstimulation erreichbar, während das Belohnungssystem über tiefe Hirnstimulation moduliert werden kann. Im Symposium werden verschiedene Therapieformen vorgestellt. Mit diesen spezifischen Interventionen kann in Zukunft Betroffenen mit bedeutenden Störungen der sozialen Interaktion eine neue Behandlungsmöglichkeit eröffnet werden. Dabei besteht die Hoffnung, Menschen mit psychischen Erkrankungen mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.
Kombinierte Magnetstimulation und Psychotherapie für soziale Kognition bei Schizophrenie
Sebastian Walther, Bern (Switzerland)
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Sebastian Walther, Bern (Switzerland)
Sozialkognitive Defizite sind ein immenses Problem in der Rehabilitation von Menschen mit Schizophrenie. Soziale Kognition ist wichtig für die Interaktion mit anderen und somit für gelungene gesellschaftliche Teilhabe. Menschen mit Schizophrenie zeigen häufig Schwierigkeiten bei der Benutzung und Deutung nonverbaler Signale wie Handgesten. Wir konnten zeigen, dass die intakte Gestik bei Menschen mit Schizophrenie einen günstigen Verlauf vorhersagen kann. Daneben gelang es, mittels einmaliger transkranieller Magnetstimulation die Gestenleistung von Betroffenen deutlich zu steigern. Gleichzeitig können sozialkognitive Fertigkeiten mittels Gruppenpsychotherapie trainiert werden. In einer aktuellen Untersuchung versuchen wir, transkranielle Magnetstimulation mit Gruppenpsychotherapie zu kombinieren, um die Gestenleistung und soziale Kognition von Menschen mit Schizophrenie zu verbessern. Der Vortrag wird die Basis dieser randomisierten klinischen Studie darlegen und erste Piloterkenntnisse aufzeigen.
zugeschaltet: Sozialkognitive Defizite bei Schizophrenie und Autismus – Perspektiven der nichtinvasiven Hirnstimulation
Daniel Kamp, Düsseldorf (Germany)
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Daniel Kamp, Düsseldorf (Germany)
Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis und Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) weisen charakteristische sozialkognitive Defizite im Bereich der Kommunikation und sozialen Interaktion auf, die jeweils das Funktionsniveau der Betroffenen und deren Teilhabefähigkeiten zum Teil massiv beeinflussen.
Objektivieren lassen sich hierbei beispielsweise Defizite im Bereich der „Theory Of Mind“ erster und zweiter Ordnung, Emotionsverarbeitung und sozialer Wahrnehmung, wobei beide Patientenpopulationen im Mittel vergleichbar schwer ausgeprägte Defizite zu haben scheinen.
Pathophysiologisch ist eine dysfunktionale, bzw. reduzierte neuronale Aktivität in Kernregionen der Emotionsverarbeitung des „sozialen Gehirns“ relevant, wobei teilweise vergleichbare Defizite auf Verhaltensebene der beiden Patientenpopulationen auf eine divergente Pathophysiologie zurückzuführen sind. Ein positives Ansprechen sozialkognitiver Defizite auf Medikation besteht im Regelfall nicht.
Nichtinvasive Hirnstimulationsverfahren, wie repetitive transkranielle Magnetstimulation oder transkranielle Gleichstromstimulation bieten die Möglichkeit, fokal die neuronale Aktivität von Gehirnstrukturen zu modulieren und hierdurch innovative Therapieoptionen zu ermöglichen.
Sowohl bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis als auch bei ASS gibt es vielversprechende Studienergebnisse z. B. durch Stimulation des dorsolateralen präfrontalen Kortex, des ventromedialen präfrontalen Kortex oder der temporo-parietalen Übergangsregion, wobei die Datenlage insgesamt uneinheitlich ist. Zukünftig könnte eine auf die individuelle funktionale Neuroanatomie abgestimmte fokale Stimulation eine Methode sein, um sozialkognitive Defizite bei beiden Erkrankungsgruppen wirkungsvoll zu modulieren.