Einleitung:
Gelingender Kinderschutz bedarf der Zusammenarbeit verschiedener Professionen. Damit stellt Kinderschutz immer auch zwingend eine Schnittstelle zwischen Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe dar. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass unabhängig der verschiedenen Systeme in den einzelnen Ländern, die mit dieser Schnittstelle verbundenen Unsicherheiten doch allen gleich sind.
Die Medizinische Kinderschutzhotline identifiziert die Schnittstellenproblematiken der Zusammenarbeit von Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe und überwindet sie im Rahmen der Beratung beider Professionen.
Material und Methoden:
Die Medizinische Kinderschutzhotline ist ein vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziertes, niedrigschwelliges Beratungsangebot für Fachkräfte des Gesundheitswesens, öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Familiengerichte bei Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Kindesmissbrauch. Es handelt sich um eine bundesweite Hotline, die unter 0800 – 19 210 00 rund um die Uhr und sieben Tage die Woche kostenfrei erreichbar ist. Die Beratung erfolgt pseudonymisiert und die Fallverantwortung bleibt bei den Anrufenden.
Das Berater:innenteam der Medizinischen Kinderschutzhotline besteht aus Ärzt:innen aus den Bereichen Rechtsmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinder- und Jugendmedizin, die zusätzlich eine besondere Expertise im Kinderschutz haben (Schulung als insoweit erfahrene Fachkraft, Zertifikat Kinderschutzmedizin der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin).
Ergebnisse
Seit Beginn der Beratung im Juli 2017 wurden über 4000 Anrufe verzeichnet. Die meisten Anrufe sind aus dem Gesundheitswesen (ca. 70 %), wobei vor allem niedergelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen und Kinderärzt:innen die Beratung nutzen. Dabei sind vor allem Fragen zum weiteren Vorgehen im Kinderschutz sowie Fragen zum vorliegenden Befund Anliegen der Beratung.
Eine externe Evaluation der Beratung zeigt eine hohe Zufriedenheit bei den Anrufenden. Nicht zuletzt führt die Beratung zu mehr Handlungssicherheit bei den Anrufenden.
Zusammenfassung:
Die Medizinische Kinderschutzhotline ist etabliert und akzeptiert bei den Zielgruppen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Hotline existierende Hindernisse in der Kooperation zwischen dem Gesundheitssektor und der Jugendhilfe reduziert.
Die breite Inanspruchnahme unterstreicht die Akzeptanz des Angebotes in der Praxis. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Medizinische Kinderschutzhotline als positives Beispiel im Kinderschutz bezeichnet (Sethi et al. 2018).
Insbesondere die Einrichtung einer Feedback-Schleife wurde positiv hervorgehoben: Innerhalb dieser Feedback-Schleife werden relevante, stark nachgefragte Themen aus den Beratungsgesprächen identifiziert, wissenschaftlich aufgearbeitet und in wissenschaftlichen Zeitschriften oder als Lernmaterial veröffentlicht.
Anamnese
Ein 10 Monate alter männlicher Säugling (Gewicht 9,9 kg) wurde in unserer Klinik mit Bradypnoe und zunehmender Schläfrigkeit durch den Rettungsdienst vorgestellt. Die Eltern vermuteten, dass ihr Kind 20 mg Methadon auf dem Boden des elterlichen Schlafzimmers gefunden und gegessen habe. Der Vater sei Methadon abhängig. Nebenbefundlich hatte das Kind Fieber bis max. 39,4°C, eine Pneumonie, Otitis media beidseits und ein erhöhtes CRP mit 94 mg/l.
Verlauf
Im Aufnahme-Urindrogenscreening bestätigte sich der Verdacht auf Methadonintoxikation durch EDDP-Nachweis (Hauptmetabolit des Methadons). Aufgrund zunehmender Bradypnoe erfolgten bei Aufnahme mehrfache Einzelgaben Naloxon (10 µg/kgKD/ED). Dies führte jeweils nur kurzzeitig zur Besserung. Unter Naloxon-DTI (initial 7,5 -10 µg/kgKG/h) stabilisierte sich diese Symptomatik. Wegen Tachykardie, arterieller und muskulärer Hypertonie, Tremor und Nystagmus erfolgte bei Verdacht auf Naloxon-Nebenwirkung 12 Stunden nach Aufnahme eine kurzzeitige Beendigung der DTI. 15 Minuten später kam es zu tiefen Bradykardien, Zyanosen und zunehmender muskulärer Hypertonie mit Überstreckungstendenz. Durch die Einzelgaben von Naloxon und Midazolam besserte sich die Symptomatik rasch. Im cCT waren keine Hinweise auf Raumforderung oder Hirnödem vorhanden. Mit High-Flow Therapie und Wiederaufnahme der Naloxon-DTI (max. 30 µg/kgKG/h) stabilisierte sich der Zustand. Nach 48 h konnte die Atemunterstützung, nach 72h die Naloxontherapie beendet werden. Die Pneumonie und die Otitis beidseits wurde antibiotisch mit Ampicillin und Inhaltationstherapie mit Salbutamol behandelt. Herz-Rhythmus-Störungen, erhöhte Leber- oder Retentionswerte fanden sich nicht. Ein EEG war unauffällig. Bis zur Entlassung reduzierte sich Adynamie und Schlafbedarf. Bei deutlicher Kindeswohlgefährdung Kontaktaufnahme mit Jugendamt. Vater wird vom JA untersagt, alleine Zeit mit den Kindern zu verbringen und es erfolgt eine Kontaktvermittlung des Vaters an eine Entzugsklinik.
Schlussfolgerung
Schläfrigkeit, Bewusstseinsverlust, Krampfanfälle, Bradykardien und Zyanosen sind vereinbar mit der Ingestion und Intoxikation von Opiaten. In den letzten Jahren sind Todesfälle bei Kindern nach Methadoneinnahme beschrieben worden. Die tödliche Dosis für ein Kleinkind liegt bei 10 mg. Durch den Hinweis der Eltern, dass der Säugling 1 Methadontablette 20 mg zu sich genommen haben könnte, konnten wir schnell reagieren und das Überleben des Kindes gewährleisten. Wichtig wären Spiegelbestimmungen von EDDP im Blut und Urin durch Rechtsmedizin akut und auch im Verlauf. Die Entscheidung vom Jugendamt erscheint daher aus medizinischer Sicht nicht adäquat.
Anamnese:
In unserer Kinderambulanz wurde ein 7 Monate alter männlicher Säugling durch die Mutter und Schwester (9 Jahre) wegen seit mehreren Stunden anhaltenden Schreiens vorgestellt. Wegen ausgeprägter Sprachbarriere war eine ausführliche Anamnese kaum möglich. Die Schwester äußerte den Verdacht, der Patient könne sich am Bein verletzt haben, ohne einen Grund für diese Vermutung zu nennen. Drei Monate zuvor erlitt der Patient eine Humerusfraktur links, welche operativ versorgt wurde. Damals sei er beim Spielen von der Schwester fallen gelassen worden.
Keine Vorerkrankungen bekannt. Vitamin D sei seit dem letzten Aufenthalt nur bis zum Aufbrauchen der Packung eingenommen worden. Die Eltern seien Cousins ersten Grades.
Verlauf:
Der Säugling präsentierte sich schrill schreiend, panisch und nicht zu beruhigen. Am linken Oberarm zeigten sich zwei Hämatome und reizlose Narben. Die Extremitäten waren frei beweglich, jedoch schien das passive Bewegen des rechten Beines Schmerzen zu bereiten.
Keine Hämatome, keine Krepitationen, keine Kortikalstufe vorhanden. Der sonstige pädiatrische Untersuchungsbefund war, bis auf einen Maldescensus testis rechts, unauffällig.
Die Sonografie des Abdomens war unauffällig. In der Sonografie des Oberschenkels wurde eine Haarrissfraktur des distalen Femurs dargestellt.
In Anbetracht der bereits stattgehabten Humerusfraktur ohne adäquates vorangegangenes Trauma bestand der Verdacht auf Kindesmisshandlung. Wir führten leitliniengemäß ein Ganzkörper-Röntgenscreening durch. Hier zeigten sich Frakturen unterschiedlichen Alters, vor allem der Röhrenknochen.
Eine Rachitis als wichtige Differentialdiagnose wurde laborchemisch ausgeschlossen. Bei nochmaliger gründlicher körperlicher Untersuchung fielen grau-blaue Skleren auf. Größe und Kopfumfang des Patienten lagen jeweils unter der 1. Perzentile. Eine augenärztliche Untersuchung war unauffällig.
In Zusammenschau der erhobenen Befunde stellten wir nun den Verdacht auf eine Knochenstoffwechselstörung, eine weitere wichtige Differentialdiagnose zur körperlichen Misshandlung.
Dieser Verdacht wurde in der molekulargenetischen Untersuchung mit der Diagnose einer autosomal-dominanten Form der Osteogenesis imperfecta und typischer Mutation im COL1A1 Gen bestätigt.
Diskussion und Fazit:
Bei unserem Patienten liegt eine Osteogenesis imperfecta vor, welche die Frakturen erklärt. Diese Erkrankung ist sehr selten (Prävalenz 4-10/100000). Es sind bisher 14 Typen bekannt. Diese unterscheiden sich in ihrem Vererbungsmodus (autosomal-dominant und autosomal-rezessiv) und in ihrer Ausprägung.
Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung ist eine ausführliche, interdisziplinäre Diagnostik im interdisziplinären Team essenziell, um auch seltene Ursachen von Frakturen frühzeitig zu erkennen. Dieser Fall stellt noch einmal die Wichtigkeit einer gründlichen Anamnese und Untersuchung heraus, um dezente Zeichen auch seltener Erkrankungen zu erkennen und als Differentialdiagnose in Betracht zu ziehen.
Wir berichten über eine 10 Jahre alte Patientin, die sich im Rahmen einer vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) beauftragten Untersuchung in der Gynäkologie vorstellte. Der Vater berichtete über eine im Alter von 6 Monaten im Heimatland Eritrea durchgeführte „Beschneidung“. Prima vista erschien das Genitale unauffällig. Wir wurden zur kindergynäkologischen Mitbeurteilung hinzugerufen. Bei genauerem Hinsehen fiel ein Fehlen der hinteren Hälfte der inneren Labien mit entsprechendem narbigem Gewebe auf – dies entspricht einem (atypischen) Typ IIa nach WHO. In unserem Fall klagte die Patientin über keine Funktionseinschränkungen.
Eine Female Genital Mutilation (kurz: FGM, auch weibliche Genitalverstümmelung, Mutilation) ist v.a. für den unerfahrenen Untersucher nicht immer leicht zu erkennen.
Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der FGM. Ihnen allen gemein ist das teilweise oder vollständige Entfernen und/oder Verletzen des äußeren weiblichen Genitals. Die WHO unterscheidet hier zwischen vier Formen, allerdings lassen sich die Befunde in Realität nicht immer streng zuordnen. Auch dies kann die Diagnose erschweren. In unserem Fall handelte es sich um eine partielle Entfernung der inneren Labien, sodass Klitoris und der anteriore Teil noch stehenblieben – ohne die narbigen Veränderungen hätte man den Befund sogar mit einer präpubertären Normvariante verwechseln können.
Weltweit sind circa 200 Millionen Mädchen und Frauen von FGM betroffen. Schätzungen gehen bundesweit von rund 75.000 bedrohten oder betroffenen Mädchen und Frauen aus. Die Praxis der Beschneidung konzentriert sich vor allem auf den afrikanischen und arabischen, aber auch auf den südostasiatischen und südamerikanischen Raum. In Europa sehen wir solche Befunde vor allem bei Geflüchteten. Im Rahmen von Asylanträgen werden weibliche Geflüchtete aus Risikogebieten untersucht, um einen Status zu erheben und damit einer eventuellen späteren Verstümmelung im Heimatland vorzubeugen. Dazu kommen die Mädchen und Frauen, die als Folge einer FGM unter Funktionseinschränkungen leiden. Manchmal fällt eine stattgehabte Beschneidung nur nebenbefundlich im Rahmen einer routinemäßigen gynäkologischen Untersuchung auf. In jedem Fall ist ein hohes Maß an Empathie und Kultursensibilität gefragt; betroffene Patientinnen können einen enormen Leidensdruck haben.
Wer eine Genitalverstümmelung im In- oder Ausland zu verantworten hat oder wissentlich nicht verhindert, muss in Deutschland mit Aufhebung eines Asyls und einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Es drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Wir brauchen eine stärkere Sensibilisierung für diese Thematik.
Wie erkennt man eine stattgehabte FGM? Was für Formen gibt es? Gibt es rechtliche Konsequenzen und was für Handlungsmöglichkeiten stehen uns zur Verfügung? Wir nehmen dieses Fallbeispiel zum Anlass, um Hilfestellung beim Erkennen einer FGM zu geben sowie wichtige Hintergrundinformationen zu nennen.
Background: Recent research found evidence supporting music therapy for hospitalized children with chronic diseases. The aim of this study was to investigate the effect of music therapy on hospitalized children’s vital signs.
Methods: In this prospective study, children with chronic gastroenterological and nephrological diseases received active or receptive music therapy two to four times a week until discharge from hospital at the pediatric special care unit (SCU) and pediatric intensive care unit (ICU). Baseline and post-therapy heart rate, oxygen saturation and blood pressure were recorded and analyzed as control values at three points at the same day when the children were alone in their patient room at rest.
Results: 83 children, median 3 age of years (range one month to eighteen years) received music therapy. 377 music therapy sessions were treated, 200 receptive therapy (78 ICU, 122 SCU) and 177 with active therapy (0 ICU, 177 SCU). Music therapy interventions showed changes in vital signs during music therapy sessions. After music therapy, heart rates decreased by 18 beats per minute (95% confidence interval (CI), -19.4 to (-16.8)), oxygen saturation increased by 2.3% (95% CI, 2.2 to 2.5), systolic blood pressure decreased by 9.2 (95% CI, -10.6 to - 7.7) and diastolic blood pressure decreased by 7.9 (95% CI, -9.6 to -6.3). When music therapy was applied at SCU (ICU), heart rates significantly reduced by 17.9 (18.9) beats per min, oxygen saturation increased by 2.4% (2.1%) and blood pressure reduced by 9.2 (2.8) mmHg (systolic) and 7.9 (0.3) mmHg (diastolic). Almost all control values were better than directly before the intervention. But after music therapy intervention the children showed better values in vital signs compared to being alone in their patient room.
Conclusion: Music therapy might help to stabilize children with kidney and liver/gastrointestinal diseases in hospital settings.
Hintergrund: Die frühe und valide Detektion von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung ist essenziell, um rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können. Zur Erfassung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung existieren zahlreiche Instrumente im Selbstbericht und Bericht durch die Betreuenden. Eine umfassende Übersicht der existierenden Instrumente zur Anwendung und Nutzung durch verschiedene Berufsgruppen, ihrer psychometrischen Eigenschaften und ihres Vorliegens für den deutschsprachigen Raum gibt es bislang nicht.
Methodik: Eine systematische Suche empirischer Originalstudien in 4 Sprachen wurde mit einer Kombination von Suchbegriffen zum Thema Kinder und Jugendliche, Misshandlung und Vernachlässigung, Instrumente und psychometrische Kriterien auf Scopus, Medline, PsychInfo und Web of Science ohne zeitliche Einschränkung bis 01/2022 durchgeführt. Eingeschlossen werden Studien zu Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, die gegenüber einer oder mehrerer Formen der Misshandlung und Vernachlässigung durch Betreuende exponiert waren. Die Studien müssen über die Reliabilität und Validität der Instrumente berichten. Ausgeschlossen werden unter anderem Studien zu allgemeinen Widrigkeiten, Fallstudien, Reviews und qualitative Studien. Referenzlisten eingeschlossener Artikel und den AutorInnen bekannte Reviews zu ähnlichen Themen werden ebenfalls nach weiteren relevanten Artikeln durchsucht. Das Screening der Titel und Abstracts sowie Volltexte findet derzeit unabhängig durch zwei ReviewerInnen statt. Diskrepanzen werden diskutiert. Die Qualitätsbeurteilung und Datenextraktion werden mit für diese Studie adaptierten Checklisten (COSMIN Checkliste, STROBE report und Downs and Black Checkliste) in der Software Covidence durchgeführt.
Ergebnisse: Nach Entfernung der Duplikate waren 6.375 Artikel für das Screening der Abstracts und Titel verfügbar. Aufgrund zu erwartender Heterogenität der Misshandlungsart und der psychometrischen Eigenschaften der Instrumente sollen die Ergebnisse zum Kongress in narrativer Form präsentiert werden. Gemäß ähnlicher Reviews wird erwartet, schätzungsweise 20 Volltexte einzuschließen.
Diskussion: Dieses Review wird einen Überblick über bisherige validierte Instrumente zur Erfassung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung für die Anwendung und Nutzung durch unterschiedliche Beurfsgruppen geben und ihre Verfügbarkeit für den deutschsprachigen Raum erfassen. Auf dieser Basis können neue Instrumente entwickelt, bestehende Instrumente verbessert und Instrumente für den Gebrauch in Deutschland kulturell adaptiert oder validiert werden.
Synkopen bei Kindern und Jugendlichen sind ein häufiger Vorstellungsgrund in Kinderkliniken. Zu den häufigsten Ursachen zählen vasovagale Synkopen, es können jedoch auch andere Ursachen dahinterstecken.
Fallbericht: Ein 16-jähriger Junge stellte sich nach Synkope in der Schule mit Kopfschmerzen, Schwindel, unsicherem Gangbild vor. Ihm sei plötzlich im Sitzen schwarz vor Augen geworden und dann frontal zu Boden gefallen. Dieses Ereignis sei anders gewesen als die vorherigen Synkopen aufgrund einer bekannten orthostatischen Dysregulation. Anamnestisch sind bis auf grenzwertig erhöhte Blutdrücke keine Vorerkrankungen bekannt. Es bestehe eine sprachliche Entwicklungsverzögerung, weshalb der Besuch einer Förderschule sowie eine SPZ-Anbindung erfolgt.
Der Aufnahmestatus war bis auf eine langsame Sprache, eines unsicheren Gangbildes, weiten, aber prompt lichtreagiblen Pupillen sowie einer Prellung des Nasenrückens unauffällig. Die Laborwerte inklusive Herzenzyme, Gerinnungsparameter und Ethanolspiegel zeigten sich unauffällig. Bei initial auffälligem Ruhe-EKG erfolgte eine Echokardiographie, die keinen pathologischen Befund zeigte. Eine EKG-Kontrolle im Verlauf und ein Langzeit-EKG zeigten Normalbefunde. Aufgrund der anhaltenden neurologischen Symptomatik mit Kopfschmerzen, unsicherem Gang und weiten Pupillen wurde eine erweiterte Diagnostik mittels cMRT und EEG durchgeführt, welche Normalbefunde zeigten. Zwei Urinuntersuchungen ergaben einen positiven Nachweis von Opioiden. Ein Hinweis auf eine willentliche oder versehentliche Einnahme von Medikamenten oder Rauschmitteln ergab sich nicht. Nach weiterer ausführlicher Anamnese ergab sich jedoch der Hinweis auf einen übermäßigen Verzehr selbstgebackener Mohnbrötchen.
Eine toxikologische Untersuchung der bei dieser Backmischung verwendeten Mohnsamen erbrachte einen erhöhten Gehalt der pharmakologisch wirksamen Alkaloide Morphin (13µg/g) und Codein (110µg/g), welches typische Inhaltsstoffe von Schlafmohn sind. Speisemohn dagegen erhält üblicherweise nur Spuren von Morphin oder Codein, dessen Gehalt jedoch durch Sorte, Erntezeitpunkt, Herkunft aber auch durch die Gewinnung des Samens beeinflusst werden kann. Vom BfR wird eine max. Morphin-Aufnahmemenge von 6,3µg/kg KG/d abgeleitet, woraus bei normaler Verzehrmenge ein max. Gehalt an Morphin von 4µg/g Mohn resultiert. Bei dem Gewicht des Patienten entsprach das einer max. Tagesverzehrmenge von 529µg. Nach den gemessenen Parametern hat der Verzehr eines vermeintlichen Speisemohnanteils von über 100g somit einer Aufnahme von mehr als 1,3mg Morphin sowie 11mg Codein entsprochen. Der Patient hat somit eine pharmakologisch relevante Dosis zu sich genommen. Dies lässt sich mit einer möglichen akzidentellen Fehlverwendung eines offensichtlich nicht ausschließlichen Speisemohnanteils erklären. Letzterer wurde in einem kultur-assoziierten Gewürzgeschäft erworben. Letztendlich erklären sich dadurch auch die neurologischen Symptome sowie die Synkope bei Aufnahme.
Hintergrund: Kindesmisshandlung und -vernachlässigung hängen mit negativen emotionalen, kognitiven, behavioralen und sozialen Folgen zusammen. Systematische Reviews zu den Faktoren, die diese Zusammenhänge beeinflussen können und damit Ansatzpunkte für Prävention wären, gibt es wenige und meist beziehen diese sich auf bestimmte Formen der Misshandlung, untersuchen die Auswirkung von Misshandlung im Erwachsenenalter, bzw. beleuchten lediglich einzelne Bereiche von Folgen.
Methode: Eine systematische Suche empirischer Originalstudien in 4 Sprachen wurde auf Scopus, Medline, PsychInfo und Web of Science ohne zeitliche Begrenzung bis 01/2022 durchgeführt. Eingeschlossen wurden Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die gegenüber einer oder mehrerer Formen der Misshandlung durch Betreuende exponiert waren und dadurch negative Folgen erlitten hatten. Die Studien müssen mindestens einen Faktor als Moderator oder Mediator (affektiv, kognitiv, sozial oder behavioral) untersuchen, die auf individueller Ebene liegen und veränderbar sind. Ausgeschlossen werden u.a. Studien Fallstudien, Reviews und qualitative Studien. Referenzlisten eingeschlossener Artikel und uns bekannte Reviews zu ähnlichen Themen werden ebenfalls nach weiteren relevanten Artikeln durchsucht. Das Screening der Titel und Abstracts sowie Volltexte findet unabhängig durch zwei Reviewer statt. Diskrepanzen werden diskutiert. Die Qualitätsbeurteilung und Datenextraktion werden mit für diese Studie adaptierten Checklisten (STROBE Report, COSMIN Checkliste und Downs and Black Checkliste) in der Software Covidence durchgeführt.
Ergebnisse: Nach Entfernung der Duplikate waren 10.309 Artikel für das Screening der Abstracts und Titel verfügbar. Die Ergebnisse sollen in narrativer Form präsentiert werden. Aufgrund der zu erwarteten Heterogenität bezogen auf Studiendesign, Folgen, Mediatoren/Moderatoren und Art der Datenanalyse wird eine Metaanalyse wahrscheinlich nicht möglich sein. Gemäß ähnlicher Reviews wird erwartet, schätzungsweise 200 Volltexte einzuschließen. In Hinblick auf bisherige Reviews zu dem Thema ist eine geringe Anzahl an longitudinalen Studien zu erwarten.
Diskussion: Dieses Review wird zu einem besseren Verständnis der Mechanismen zwischen Misshandlung und ihren negativen Folgen beitragen. Auf dieser Basis können Akteure evidenzbasierte Ansatzpunkte für Präventions- und Interventionsstrategien identifizieren und gezielt Ressourcen von Betroffenen stärken, um langfristig den negativen Einfluss der Misshandlung zu reduzieren. Forschungslücken wie z.B. fehlende longitudinale Designs könnten gesichert werden und Empfehlungen für zukünftige Studien (z.B. die vermehrte Nutzung von Strukturgleichungsmodellen, um mehrere Mediatoren und Folgen gleichzeitig untersuchen zu können sowie moderierte Mediationsanalysen durchzuführen). Dieses Review ist auf individuelle Faktoren beschränkt. Zukünftige Reviews sollten die Evidenz zu Faktoren auf der Mikro-, Meso- und Makroebene zusammenfassen.
Fragestellung: Allenthalben wird, insbesondere im angloamerikanischen Raum, die Frage gestellt, ob auf den Jahreskongressen der beteiligten Fachgesellschaften überhaupt noch relevante Ergebnisse vorgestellt werden. Nicht selten wurde über die Jahre eine abfallende Quote an publizierten Arbeiten gesehen, teilweise mündeten weniger als 20% in eine Publikation. Grund genug, dies auch anhand des Jahreskongresses der DGKJ sowie der Herbsttagung der DGKCH zu überprüfen.
Material und Methode: Wir erfassten die im Supplement der Monatsschrift für Kinderheilkunde veröffentlichten Abstracts der DGKJ/DGKCH-Tagungen zwischen 2018 und 2020. Edukative Beiträge oder selektive Literaturrecherchen schlossen wir aus. Sofern der Titel der Arbeit keinen Treffer auf gängigen Suchmaschinen erbrachte, wurde die Suche mit prägnanten Stichworten sowie den Namen der Erst- oder Letztautor:innen wiederholt. Bei auch hier ausbleibenden Ergebnissen überprüften wir die bibliometrischen Einträge dieser Personen. Wir erfassten den Publikationsstatus, teilten das Abstract in die Kategorien Kasuistik, experimentelle und klinische Forschung ein, kategorisierten nach freiem Vortrag oder Poster, zählten die Autoren und berücksichtigten, ob der Seniorautor des Beitrags eine Institutsangabe im Ausland hatte. Mögliche Assoziationen dieser präspezifizierten Variablen mit dem Publikationserfolg prüften wir mittels logistischer Regression.
Ergebnisse: Wir schlossen 358 Beiträge ein, von denen 119 (33,2%) publiziert wurden, wobei die Quote im Jahr 2020 sogar 38,3% (41/107) betrug. Davon entfielen 78,2% (93/289) auf den DGKJ-Jahreskongress und 21,8% (26/69) auf die DGKCH-Herbsttagung. Hinsichtlich der Kategorien bestanden deutliche Unterschiede: So wurden lediglich 10% (15/150) der Kasuistiken publiziert, jedoch 48,5% (95/196) der Beiträge mit klinischer Forschung und gar 75% (9/12) der Beiträge mit experimentellem Inhalt. Bezogen auf die Präsentationsform wurden 31,1% (84/270) der Poster- und 39,8% (35/88) der Redebeiträge veröffentlicht. Im Median waren an allen Beiträgen 5 Autoren (Spannweite: 1–34) beteiligt. Die multivariate Regression identifizierte insbesondere einen experimentellen (adjustierte Odds Ratio (aOR) 24 (95% Konfidenzintervall (KI): 5,7–102), P < 0,001) oder klinischen (aOR 7,7 (95% KI: 4,1–14,6), P < 0,001) Inhalt, verglichen mit der Referenzkategorie der Kasuistik. Ein allenfalls geringer Einfluss ließ sich noch aus der Anzahl der beteiligten Autoren (aOR 1,11 (95% KI: 1,02–1,2), P=0,012), nicht jedoch aus der Vortragsart, dem Kongressteil oder einem im Ausland arbeitenden Letztautor herleiten.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die international beklagte Entwicklung, dass die Publikationsquote der Abstracts der Jahrestagungen der Fachgesellschaften absinke, ließ sich in den letzten Jahren für die DGKJ-Jahres- und die DGKCH-Herbsttagung nicht bestätigen und war unbeeinträchtigt von der SARS-CoV-2-Pandemie. Über den Publikationserfolg entschied letztlich nur der Inhalt.
Zielsetzung: In dieser Studie wurde der Einsatz von Motivational Interviewing (MI) durch die behandelnden Ärzte der Spezialambulanzen zur Steigerung die Inanspruchnahme psychologischer oder psychiatrischer Mitbehandlung durch Jugendliche mit chronischen Erkrankungen untersucht.
Materialien und Methoden: Der „MI“ Teil der COACH-Studie (Chronic Conditions in Adolescents: Implementation and Evaluation of Patient-Centered Collaborative Healthcare) wurde als monozentrische, cluster-randomisierte klinische Studie an den Fachambulanzen der Kinderklinik am Universitätsklinikum Düsseldorf durchgeführt.
Jugendliche im Alter von 12 bis 20 Jahren mit chronischen Erkrankungen wurden auf Symptome von Angst und Depression mittels Screeningfragebögen untersucht (GAD-7 oder PHQ-9 ≥7 Punkte). Die behandelnden Ärzte empfahlen bei Auffälligkeiten die Inanspruchnahme weiterer psychologisch/psychiatrischer Diagnostik und ggf. Mitbehandlung. Pädiater wurden zuvor randomisiert in MI (2-tägiger Workshop) oder treatment as usual (TAU).
Die Inanspruchnahme mindestens eines Termins der psychologischen Gesundheitsfürsorge innerhalb der 6-monatigen Nachbeobachtung wurde unter Verwendung eines logistisch gemischten Modells analysiert. Zudem fand ein erneutes Symptomscreening nach einem Jahr statt.
Ergebnisse: 164 Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und auffälligem Angst- oder Depressions-Screening (59 % weiblich, Alter 15,2 ± 1,9 Jahre) wurden in die Studie eingeschlossen. 57 % hatten ein Gespräch mit ihrem MI-geschulten Arzt, 43 % erhielten treatment as usual (TAU). Der Einsatz von MI führte dabei nicht zu einer signifikanten Steigerung der Inanspruchnahme psychiatrischer oder psychotherapeutischer Gesundheitsleistungen nach 6 Monaten (Odds Ratio 1,96; 95 % KI, 0,98–3,92; p = 0,06). Das MI-Training führte zu längeren Arzt-Patienten-Gesprächen (30,3 ± 16,7 Minuten vs. 16,8 ± 12,5 Minuten; p < 0,001), und die Gesprächsdauer beeinflusste die Inanspruchnahme weiterer Beratung unter allen Bedingungen signifikant. Die Beratung durch einen MI-geschulten Arzt reduzierte die Angstsymptom-Scores im Follow-up.
Zusammenfassung: Der Einsatz von MI in pädiatrischen Fachambulanzen beeinflusste die Inanspruchnahme von psychiatrischen Diensten bei Jugendlichen nicht signifikant, führte jedoch zu längeren Patienten-Arzt-Gesprächen und niedrigeren Angstscores nach einem Jahr.
Studienregistrierung: DRKS 00014043.
Background: The confidence of parents regarding their children’s fever is a key factor in its management. Since there is still often unnecessary anxiety and associated overuse of antipyretics, the aim of the study was to examine and specify the associations between parental confidence and several fever related parameters. Furthermore, the associations between parental confidence and the use of antipyretics in relation to other fever relevant parameters were analyzed.
Methods: The Fever App registry collects naturalistic data on fever infections in home-environment. Sociodemographic data of children and parents, parents' confidence in children’s management of fever as well as fever relevant parameters (e.g., temperature, well-being, antipyretics use) were recorded. Bivariate and multivariate logistic regression analyses were carried out to examine the associations between parental confidence, the administration of antipyretics and fever relevant parameters.
Results: Since the start of recruitment in 2019, 12,388 fever episodes have been recorded. 5009 children with an average age of 23 months (SD=24.59) were included into the analyses. High well-being (OR 1.778 [1.498; 2.110] p < 0.001) had the highest increasing effect on parental confidence, whereas warning signs (OR 0.429 [0.367; 0.501] p < 0.001) and dehydration (OR 0.558 [0.471; 0.660] p < 0.001) had the highest decreasing effect. Fever had one of the highest increasing effects on use of antipyretics (OR 3.588 [2.874; 4.478] p < 0.001), whereas high well-being decreased the use of antipyretics by 80% (OR 0.215 [0.144; 0.321] p < 0.001). The multivariate analyses showed that fever increased the chance of using antipyretics only by 50% (OR 1.489 [1.188; 2.865] p < 0.001) and high well-being decreased the chance by almost 90% (OR 0.125 [0.079; 0.199] p < 0.001).
Conclusion: Parental confidence is affected by children’s well-being and other parameters in a reasonable manner and there seems to be no unnecessary anxiety. Fever and high well-being had the highest effect on parents’ use of antipyretics. It is recommended to look more after children’s general well-being in fever management than just the temperature, even though practice looks different. The results might be explained through the more naturalistic data collection or an already positive effect of the Fever App, which should be further investigated and used for improvement.