Autor:innen:
J. Engel (Tübingen, DE)
F. Neunhoeffer (Tübingen, DE)
A. Koch (Tübingen, DE)
I. Baumgartner (Tübingen, DE)
J. Michel (Tübingen, DE)
M. Hofbeck (Tübingen, DE)
N. Bofinger (Tübingen, DE)
Zielsetzung
Analgesie-, Sedierungs- und Delirmanagement sind zentrale Bestandteile intensivmedizinischer Behandlung. Unerwünschte Folgen tiefer Sedierung sind Entzug bei zu raschem Absetzen der Medikation oder ein Delir, welches durch schwere Erkrankung oder Interventionen ausgelöst werden kann und durch tiefe Sedierung begünstigt wird. Delir selbst führt langfristig zu kognitiven und emotionalen Einschränkungen und erhöht die Mortalität von Patienten nach einer intensivmedizinischen Behandlung.
Leitlinien empfehlen eine Reduktion der Sedierung mit dem Ziel wacher, schmerzfreier und tubustoleranter Patienten. Außerdem soll ein standardisiertes Monitoring von Schmerzen, Sedierungstiefe und Delir erfolgen, um Symptome und Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Validierte Skalen stehen für die Fremdeinschätzung bei Kindern zur Verfügung. Meist werden diese durch Pflegepersonal angewendet.
Methoden
Bei 100 Patienten im Alter von 0 bis 14 Jahren wurden die Scores für Schmerz (NRS), Sedierungstiefe (Comfort-B) und Entzug/Delir (SOS-PD) parallel durch Pflegepersonal, Heilerziehungspflegende und die Eltern angewandt.
Ergebnisse
Zwischen beiden Gruppen des Fachpersonals und den Eltern gab es einen signifikanten Unterschied in der Einschätzung von Schmerzen (NRS), mit tendenziell höheren Werten bei Angabe durch die Eltern. Bei der Messung von Entzug und Delir (SOS-PD) gab es eine tendenziell höhere Positivrate bei der Messung durch die Eltern, bei der Sedierungstiefe mit Comfort B gab es keinen signifikanten Unterschied.
Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung zeigt eine zuverlässige Anwendbarkeit der Einschätzungswerkzeuge für Gesundheitsfachpersonal und Eltern. Die tendenziell höhere Einschätzung der Eltern bei Schmerz deckt sich mit Ergebnissen, nach denen die Einschätzung von Eltern besser mit der Selbsteinschätzung durch Patienten korreliert als die Fremdeinschätzung von Pflegepersonal, welche häufig unterschätzt werden.(1) COMFORT-B und SOS-PD bestehen aus einer komplexen Kombination objektivierbarer Aspekte. Hier gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Fachpersonal und Eltern. Die etwas höhere Positivrate bei Delirscoring durch Eltern kann mit dem hier relevanten Alleinstellungsmerkmal „Nicht mein Kind“ erklärt werden, welches häufiger bejaht wurde. Diese Frage nach einer Wesensveränderung beim Kind kann durch ausgebildetes Fachpersonal ohne persönliche Beziehung zu den Patienten nicht zuverlässig beantwortet werden. Eine zuverlässige Früherkennung von Schmerzen, Sedierungstiefe, Entzug und Delir ist mit validierten Werkzeugen für medizinisches Fachpersonal und Eltern möglich. Die Einbindung der Eltern in die Diagnostik ihrer Kinder, und damit Einleitung therapeutischer Maßnahmen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer familienzentrierten Intensivmedizin. Die Anwendung der Scores durch die Eltern ermöglicht zudem eine engmaschige und individuelle Einschätzung auch bei zeitlich oder personell knappen Ressourcen.