Autor:in:
H. Sommermeyer (Kalisz, PL)
Zielsetzung
Infantile Kolik oder extensives Schreien betrifft etwa 20% aller Neugeborenen. Infantile Kolik wird als Risikofaktor für mütterliche Depressionen, frühzeitige Beendigung des Stillens und das sogenannte „Shaken Baby Syndrome“ betrachtet. Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Diagnosekriterien (Wessels Regel, Rome III-, Rome IV-Kriterien), die jedoch alle in der klinischen Praxis eher schwierig anzuwenden sind. Die Ätiologie der Infantilen Kolik bleibt weiterhin unklar, auch wenn in den letzten Jahren vieles auf die Beteiligung einer gestörten Darm-Mikrobiota hinweist. Unsere Forschung untersucht mit Hilfe von Umfragen, wie Kinderärzte Infantile Kolik diagnostizieren und welche Behandlungsansätze von ihnen angewendet werden. In klinischen Studien untersuchen wir ob Produkte, die probiotische Keime enthalten, bei der Therapie von Infantiler Kolik eine Rolle spielen können und ob die Messung von fäkalem Calprotectin bei der Diagnose der Infantilen Kolik hilfreich sein kann.
Material und Methoden
Das Behandlungs- und Diagnose Verhalten von Kinderärzten untersuchen wir mit Hilfe von Umfragen unter praktizierenden Kinderärzten. In zwei klinischen (open-label, randomisierten) Studien haben wir die Wirkung von Simethicon und einem Multikeim-Synbiotikum auf das Schreiverhalten von Neugeborenen mit Infantiler Kolik untersucht. In einer dieser Studien haben wir zusätzlich Calprotectin, einem Marker für Darmentzündungen, in den Stuhlproben der Studienteilnehmer gemessen.
Ergebnisse
Mehr als 70% der Kinderärzte, die an unserer Umfrage in Deutschland teilgenommen haben, gaben an, dass sie Simethicon oder Produkte, die probiotische Keime enthalten, als Therapieoption für die Behandlung von Infantiler Kolik nutzen. Vorläufige Ergebnisse unserer Umfrage zum Diagnoseverhalten deuten darauf hin, dass eine Mehrheit der deutschen Kinderärzte die Diagnose von Infantiler Kolik hauptsächlich auf der Basis ihrer klinischen Erfahrung durchführen, ohne auf bestimmte Diagnosekriterien zurückzugreifen.
Ergebnisse unserer beiden klinischen Studien haben gezeigt, dass die Gabe eines Multikeim-Synbiotikums das Schreiverhalten bei Kindern mit Infantiler Kolik signifikant besser beeinflusst, als dies bei der Gabe von Simethicon der Fall ist. Messungen des fäkalen Calprotectins zeigen, dass fäkales Calprotectin bei Kindern mit Infantiler Kolik signifikant erhöht ist. Die Gabe eines Multikeim-Synbiotikums führt zu einer signifikanten Erniedrigung des fäkalen Calprotectins, ein Effekt der bei Patienten, die mit Simethicon behandelt wurden, nicht zu beobachten war. Die Wirkung der Gabe des Multikeim-Synbiotikums auf das Schreiverhalten von Neugeborenen mit Infantiler Kolik und auf fäkales Calprotectin weist daraufhin, dass entzündliche Prozesse im Darm dieser Kinder eine Rolle spielen könnten.