Autor:innen:
D. von Zezschwitz (Düsseldorf, DE)
S. Kummer (Düsseldorf, DE)
T. Meissner (Düsseldorf, DE)
A. Welters (Düsseldorf, DE)
Hintergrund: GLIS3-Genmutationen sind Ursache eines seltenen Syndroms, das primär durch permanenten neonatalen Diabetes und konnatale Hypothyreose (NDH-Syndrom) gekennzeichnet ist. Weitere Merkmale sind unter anderem intrauterine Wachstumsretardierung, Gesichtsdysmorphie, polyzystische Nieren, kongenitales Glaukom, exokrine Pankreasinsuffizienz und Entwicklungsverzögerung.
Fallbericht: Wir berichten über eine Patientin mit vorbeschriebener homozygoter GLIS3-Mutation ((c.1710+1_)?_(?_c.2474-1),p.?, Deletion der Exons 5 bis 9), welche, neben den oben genannten, weitere phänotypische Merkmale zeigt. Im Alter von einem Monat wurde aufgrund von Ernährungsschwierigkeiten eine abdominale Unterschalluntersuchung durchgeführt, bei der sich als Zufallsbefund ein solider Tumor im Retroperitonealraum zeigte. Bildmorphologisch ergab sich der hochgradige Verdacht auf ein Neuroblastom, jedoch gelang trotz mehrfacher Probenentnahme kein Nachweis von Katecholamin-Metaboliten im Urin. Die Diagnose konnte schließlich durch eine histopathologische Untersuchung nach Resektion des Tumors gestellt werden. In der genetischen Untersuchung des Resektats zeigte sich keine MYCN-Amplifikation. Im weiteren Verlauf traten Metastasen auf, die sich jedoch auf die Haut beschränkten, sodass die Krankheit gemäß den INSS-Kriterien als Stadium 4S eingestuft wurde. Der Tumor wurde ohne weitere Behandlung engmaschig überwacht (Watch-and-Wait-Strategie) und bildete sich in den nächsten Monaten spontan zurück.
Schlussfolgerung: Dieser Bericht unterstreicht das variable klinische Spektrum des GLIS3-assoziierten NDH-Syndroms, da die bei unserer Patientin vorliegende Mutation zuvor bei zwei Patienten mit unterschiedlichem klinischem Phänotyp beschrieben wurde. Darüber hinaus kann ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der GLIS3-Mutation und dem Neuroblastom nicht ausgeschlossen werden, zumal GLIS3 als Transkriptionsfaktor an der Regulation verschiedener zellulärer Prozesse während der Embryonalentwicklung, unter anderem auch während der Neurulation, beteiligt ist. Angesichts der eher ungewöhnlichen Tumorlokalisation und der fehlenden Katecholaminausscheidung im Urin empfehlen wir bei allen Säuglingen mit NDH-Syndrom ein Neuroblastom-Screening mittels bildgebender Verfahren in Erwägung zu ziehen.