08:30 Uhr
Wieviel Jugendmedizin ist in der Kinder- und Jugendmedizin. Sind die Anforderungen der neuen WBO erfüllt
R. Schmid (Neuötting, DE)
08:45 Uhr
Die Jugendmedizin in der Kinder-/ und Jugendarztpraxis: Wie ist der Stand? Wo sind die Probleme? Wohin geht der Weg?
G. Trost-Brinkhues (Aachen, DE)
09:30 Uhr
DGKJ-FV 33:
Gewalt an Minderjährigen - eine retrospektive Auswertung der Jahre 2003 - 2019
M. Wegenke (Freiburg, DE)
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Autor:in:
M. Wegenke (Freiburg, DE)
EINLEITUNG
Kinderschutz setzt multiprofessionelles Handeln voraus. Medizin, Strafgerichtsbarkeit, Familiengerichtsbarkeit, Kinder- und Jugendhilfe sowie Beratungsstellen sind zentrale Akteure und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen auf die Arbeit der jeweils anderen angewiesen. Das Verständnis von Kinderschutz, sowie Kenntnisse von den Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Institutionen sind jedoch nicht einheitlich und können dem Kinderschutz entgegen wirken. Die vorliegende Arbeit wurde interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Medizin, Strafrecht und Kinder- und Jugendhilfe verfasst.
MATERIAL UND METHODEN
Als Datengrundlage wurden drei Quellen ausgewertet:
- klinischen Lebenduntersuchungen (KLU) von Minderjährigen am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg.
- Kinderschutzfälle von Jugendämtern gemäß §8a Abs. 1 SGB VIII.
- Strafanzeigen wegen Misshandlung von Minderjährigen aus der polizeilichen Kriminalstatistik.
Die Daten wurden für den Zeitraum 2003 – 2019 erhoben und erstrecken sich räumlich auf das Einzugsgebiet des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg.
Die Daten wurden ausgewertet nach Alter, Geschlecht, Art der Gewalt, zuweisende Stelle, Ergebnis der Untersuchung.
ERGEBNISSE UND DISKUSSION
In den Ergebnissen wird sichtbar, dass die Leistungen des Instituts für Rechtsmedizin in Freiburg zu mehr als 50% von der Strafgerichtsbarkeit genutzt werden. Untersuchungen für Jugendämter oder Familiengerichte sind insgesamt selten.
Zudem wurde sichtbar, dass das Patientengut in den KLU erheblich von dem zu erwartenden Patientengut aus Prävalenzstudien abweicht. In den KLU ist kein Minderjähriger mit Behinderung. Im Bereich sexuelle Gewalt ist die zu erwartende hoch-risiko Gruppe der 8 – 10 Jährigen exakt der Bereich, wo die wenigsten KLU durchgeführt wurden.
Bei Gewalt an Minderjährigen findet keine hinreichende Differenzierung zwischen Misshandlungen und Kindeswohlgefährdung statt. Gewalt an Geschwisterkindern wird nicht einheitlich in der Anamnese erhoben.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
In den KLU findet eine intensive Fokussierung auf morphologisch abbildbare Zeichen für Gewalt statt, die jedoch keine Voraussetzung für eine Kindeswohlgefährdung sind. Im Strafrecht gilt der Grundsatz in dubio pro reo, im Kinderschutz jedoch der Grundsatz in dubio pro infante. Damit bestehen zwei verschiedene Blickwinkel auf Gewalt durch Strafrecht und Kinder- und Jugendhilfe. Die Rechtsmedizin leistet damit eher einen Auftrag für das Ziel der Strafgerichtsbarkeit: Bestrafung einer Täter:in für einen Straftatbestand, der ohne morphologische Anzeichen von Gewalt aber häufig nicht nachgewiesen werden kann. Die Kinder- und Jugendhilfe hat einen Ansatz auf Ebene des Minderjährigen: Gefahrenabwehr durch öffentliche Hilfen - auch zu einem Zeitpunkt, an dem noch keine Misshandlung stattgefunden hat. Diese Möglichkeiten bleiben durch die Rechtsmedizin aktuell weitgehend ungenutzt.