13:00 Uhr
Einheimische und invasive Vektoren in Deutschland
H. Kampen (Greifswald - Insel Riems, DE)
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H. Kampen (Greifswald - Insel Riems, DE)
Globalisierung und Klimaerwärmung fördern auf vielfältige Weise das Risiko des Auftretens Vektor-assoziierter Erkrankungen in Deutschland. Gebietsfremde hämatophage Arthropoden mit Vektorpotenzial ebenso wie Vektor-übertragene Infektionserreger werden im Zuge von interkontinentalem Reiseverkehr, Tiertransport und Warenhandel zunehmend häufig eingeschleppt und können sich unter günstigen Umweltbedingungen ggf. etablieren und weiter ausbreiten. Auch einheimische Blutsauger entwickeln sich bei steigenden Temperaturen besser, erreichen höhere Populationsdichten und können zu Überträgern werden, sollten Infektionsquellen vorhanden sein. Die Entwicklung von Krankheitserregern im Vektor ist gleichermaßen temperaturabhängig und – bis zu gewissen Maximalwerten – umso schneller und effizienter, je höher die Umgebungstemperaturen sind.
Prominente Beispiele für invasive potenzielle Vektoren in Deutschland sind die Asiatische Tigermücke, ein hochkompetenter Vektor vieler Viren sowie einiger Filarien, und Zecken der Gattung Hyalomma, die als klassische Überträger des Krim-Kongo Hämorrhagischen Fiebervirus gelten. Die Tigermücke kommt bereits mit mehreren stabilen Populationen in Deutschland vor. Es wird davon ausgegangen, dass sie als Adulttier oder in Form von Eiern primär mit dem Kraftfahrzeugfernverkehr aus südeuropäischen Ländern, wo sie schon weit verbreitet ist und z.T. hohe Populationsdichten erreicht, nach Deutschland gelangt. Hyalomma-Zecken werden mit Zugvögeln aus Südeuropa oder Afrika eingetragen. Von ihnen wurden in Deutschland bisher nur Einzelexemplare, allerdings an zahlreichen Orten gefunden; eine Reproduktion scheint noch nicht stattgefunden zu haben. Im Gegensatz zu Südeuropa, wo die Tigermücke seit Jahren für zahlreiche Ausbrüche und Einzelfälle von Dengue- und Chikungunya-Fieber verantwortlich gemacht wird, konnte ihr in Deutschland noch keine Übertragung von Krankheitserregern nachgewiesen werden. Beschrieben wurde dagegen bereits ein Fall von Zeckenfleckfieber in Verbindung mit einem Hyalomma-Stich.
Weitere invasive Stechmücken- und einheimische Zeckenarten breiten sich in Deutschland aus. Grundsätzlich sind alle vektorkompetent, wenn auch nicht jede Spezies für jeden beliebigen Krankheitserreger. In Deutschland kursiert seit 2018 das West-Nil-Virus, dessen primäre Überträger einheimische Stechmücken der Gattung Culex sind. Wegen fehlender Wirtsspezifität sind bestimmte Varianten der häufigen und weit verbreiteten Hausmücke besonders geeignete Vektoren. 2020 wurde in Deutschland der erste Todesfall nach einer West-Nil-Virus-Infektion beschrieben.
Blutsaugende Arthropoden als Überträger von Krankheitserregern werden nach wie vor unterschätzt. Information, Aufklärung, adäquate Meldungsstrukturen und eine Erhöhung des Problembewusstseins in Behörden, dem ÖGD und der breiten Öffentlichkeit sind grundlegend für ein erfolgreiches Vektor- und Krankheitsmanagement und sollten zielorientierter verfolgt bzw. aufgebaut werden.
13:30 Uhr
Meldepflichtige Mücken- und Zeckenübertragene Infektionen beim Menschen in Deutschland
C. Frank (Berlin, DE)
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C. Frank (Berlin, DE)
Deutschland ist in zweierlei Hinsicht mit sich verändernden Verhältnissen in Bezug auf mücken- und zeckenübertragene Infektionen beim Menschen konfrontiert: Invasive Arten, die als Vektoren für diverse Erreger fungieren können, wandern zu, und zunächst unabhängig davon gelangen auch neue Krankheitserreger nach Deutschland, die von vorhandenen Vektoren unter bestimmten Bedingungen zumindest saisonal übertragen werden können. Beispiele sind die zunehmende Ausbreitung der asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) in Teilen Deutschlands seit einigen Jahren, die zunehmenden Funde von Hyalomma-Zecken, aber auch der mit zunehmenden Fernreisen vermehrte „Import“ von theoretisch nun in Deutschland übertragbaren Pathogenen wie dem Chikungunya-Virus, oder dem seit einigen Jahren in Teilen von Deutschland neu-endemischen West-Nil-Virus.
Dies stellt den ÖGD vor die Herausforderung, mit Informationen über den Nachweis relevanter Vektor-Spezies, und Infektionsmeldungen neuer, oder bislang in Deutschland nicht übertragener Infektionen umzugehen, Situationen zu beurteilen und unter Umständen Maßnahmen zur Verhinderung einer Weiterverbreitung ergreifen zu müssen.
Der Vortrag geht auf die relevantesten Pathogene, die Umstände ihrer (Weiter-)Übertragbarkeit, und Ansätze für Handlungsoptionen in diesem Kontext ein.
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14:00 Uhr
Erfahrungsbericht: Tigermücken Monitoring in Hessen 2020 und 2021
E. Stickler (Dillenburh, DE)
A. Larem (Dillenburg, DE)
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Autor:innen:
E. Stickler (Dillenburh, DE)
A. Larem (Dillenburg, DE)
Das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) hat durch den Integrierten Klimaschutzplan (IKSP) des Landes Hessen den Auftrag und die Finanzierung für die Durchführung gesundheitsbezogener Maßnahmen im Bundesland Hessen erhalten. Eine dieser Maßnahme stellt die Etablierung eines Vektor Monitorings zur Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) in Hessen dar. Im Jahr 2020 hat die Geschäftsstelle Klimaanpassung am HLPUG in Dillenburg damit begonnen ein amtsinternes Pilotprojekt für ein zukünftiges hessenweites Tigermücken-Monitoring-Projekt zu starten. Es diente vor allem zum Gewinn von fachbezogenen Erkenntnissen bzw. zur Erweiterung der hausinternen Expertise, zum Einholen von Erfahrungen im praktischen Umgang mit unterschiedlichen Fallensystemen sowie Standorten und Lockstoffen. Des Weiteren sollte das Pilotprojekt einen Aufbau/Erweiterung von Netzwerken und möglichen Kooperationen bzw. dem regelmäßigen Austausch mit Fachexpert*Innen zur Folge haben. Es wurden an zahlreichen Standorten in einem weiträumigen Gebiet in Südhessen verschiedene Fallensysteme aufgestellt und wöchentlich überwacht.
Die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt für ein hessenweites Tigermücken-Monitoring konnten im Folgejahr 2021 dazu genutzt werden ein regelhaftes, verstetigtes Tigermücken-Monitoring in Hessen zu etablieren. Im Zuge des Monitorings konnten neue Populationen der Asiatischen Tigermücke in Hessen identifiziert werden. Die Geschäftsstelle Klimaanpassung befindet sich im regelmäßigen Austausch mit Fachexpert*Innen (z.B. KABS e.V., Mückenatlas des FLI, HLNUG, FZK Gesundheitsforum, etc.). Zusätzlich zu den Orten mit nachgewiesenem Tigermückenfund, wurden im Jahr 2021 Fallen entlang von potentiellen Einschleppungsrouten aufgestellt und regelmäßig überwacht. Hessen verfügt seit dem 25. Juni 2021 über einen Erlass zum Thema „Vektorübertragene Infektionskrankheiten – Maßnahmen zur Prävention, Überwachung und Bekämpfung von (potenziellen) Vektorarten in Hessen“ mit der Anlage „Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) in Hessen – Gefährdungspotenzial und Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit“. Dieser Erlass regelt die Zuständigkeiten beim Umgang mit der Asiatischen Tigermücke in Hessen.
Außerdem sieht die Geschäftsstelle Klimaanpassung in Zukunft labortechnische Bestimmung sowohl von Mücken als auch von Krankheitserregern vor. Eine Referenzdatenbank zur genauen Speziesbestimmung mittels eines MALDI-TOF Gerätes befindet sich zurzeit im Aufbau.