Das Interdisziplinäre Multimodale Assessment (IMA) in der Schmerzmedizin dient bisher v.a. der Indikationsprüfung für die Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie, bietet aber auch die Möglichkeit der konkreten Therapieplanung und Steuerung der PatientInnen in bedarfsgerechte Versorgungsformen. Der integrative Teamansatz im IMA sieht dabei eine ausführliche und unabhängige ärztliche, physiotherapeutische und psychologische Diagnostik vor (in einigen Settings auch pflegerisch), die in einer interdisziplinären-integrativen Teamsitzung gemeinsam diskutiert wird. Empfehlungen werden im Team abgeleitet und den PatientInnen sowie den BehandlerInnen kommuniziert.
Im Versorgungsforschungsprojekt PAIN2020 (Patientenorientiert.Abgestuft.Interdisziplinär.Netzwerk., 01NVF17049) wurde die Wirksamkeit eines entsprechend standardisierten IMA für PatientInnen mit Schmerzen und Risiko einer Chronifizierung unter verschiedenen Bedingungen der Gesundheitsversorgungslandschaft in Deutschland untersucht. Es wurden erstmalig auch die Rahmenbedingungen und Abläufe im IMA-Team mit untersucht. Dabei zeigte sich, dass es neben qualifizierten Strukturen und Prozessen weiterer Voraussetzungen (z.B. gemeinsamer Sprache und Krankheitsmodell) bedarf, um integrative Zusammenarbeit verschiedener Professionen konstant und konsistent zu ermöglichen. Aus PAIN2020 liegen Ergebnisse und Erfahrungen zu integrativer Teamentscheidung im IMA vor, die im Workshop vorgestellt, diskutiert und auf die Anwendung im klinischen Alltag erweitert werden sollen. Hierzu zählen u.a. strukturelle und prozessuale Parameter (z.B. Ablauf und Inhalte einer Teamsitzung), Kriterien für Therapieempfehlung sowie Interaktion im Team (z.B. Umgang mit Schwierigkeiten).
Ziel des Workshops ist es, sich der Frage, „Wie kann integrative Teamentscheidung im Rahmen eines IMA´s gelingen?“, in einem interaktiven Austausch aller Berufsgruppen zu nähern und förderliche und hinderliche Faktoren von Teamentscheidungen zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln. Dazu sollen die Erfahrungen und Ideen der teilnehmenden KollegInnen einfließen und diskutiert werden. Folgende Punkte stehen im Fokus: (1) förderliche Strukturen und Prozesse im IMA, (2) gemeinsame Sprache im IMA und (3) Interaktion im Team.
Der Workshop richtet sich insbesondere an die Berufsgruppen der (Schmerz-)Medizin, Psychologie und Physiotherapie, die im Rahmen des IMAs beteiligt sind – insbesondere an PAIN2020-Zentren und aktuelle A-IMA-Zentren (Selektivvertrag zum Ambulanten-IMA mit der BARMER). Der Workshop ist auch offen für andere ambulante und/oder (teil-)stationäre Einrichtungen sowie weitere Berufsgruppen (z.B. Pflege).
Der Workshop bietet einen interdisziplinären, fachübergreifenden Austausch aus verschiedenen Blickwinkeln zu integrativer Teamentscheidung und ermöglicht, gemeinsam Ideen zu entwickeln, bestehende Strukturen und Prozesse zu hinterfragen, interaktionelle Hürden im Alltag zu identifizieren und ggf. weiterzuentwickeln.
Zur Anwendung von Fragebögen und Skalen in der Schmerzdiagnostik bemerkt Williams: „Die Verwendung zuverlässiger, valider und sinnvoller Verfahren ist keineswegs schwieriger als die Anwendung nicht interpretierbarer oder ungeeigneter Methoden“ [6, S.55]. Die Erfassung von Schmerzmerkmalen wie Intensität, Dauer, Maximum, Minimum und Qualität ist inzwischen diagnostischer Standard und Grundlage für Entscheidungen über die Indikation oder Fehlindikation von Patienten bei Interdisziplinärer Multimodaler Schmerztherapie (IMST).
Themen des Workshops sind Grundlagen, Auswahl und Anwendung der Verfahren im klinischen Alltag [4]. Kriterien für „gute“ und „schlechte“ Verfahren werden diskutiert. Besprochen und praxisnah vermittelt werden die derzeit üblicherweise verwendeten Methoden der Schmerzmessung (Visuelle Analogskala – VAS, Numerische Ratingskala – NRS, Schmerztagebücher, Fragebögen zur Schmerzqualität), Verfahren zur Bestimmung der Chronifzierung [1;4] sowie bereichsspezifische Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen (depressive Symptome, Angst, Stress). Die Auswertung und Interpretation werden praxisgerecht erarbeitet. Dabei werden häufige Fehlerquellen, Probleme (z.B. Auswertung bei fehlenden Werten) und Entscheidungen für oder gegen bestimmte Formate sowie die Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen beim Einsatz von Fragebögen bei Patienten mit körperlichen Beschwerden erläutert [2].
Diskutiert werden auch unerwünschten Wirkungen der Schmerzmessung: So wichtig sie als Qualitätsmerkmal in der klinischen Versorgung ist, handelt es sich dennoch nur um eines von mehreren Merkmalen. Eine Fokussierung allein auf die Reduzierung der Schmerzintensität als Therapieziel greift bei Menschen mit chronischen Schmerzen zu kurz. Einschränkungen im Alltag, emotionale Belastungen, Behandlungserwartungen und -erfahrungen sind weitere für die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten wichtige Faktoren. Sie beeinflussen die angegebene Intensität ebenso wie der Kontext der Schmerzerfassung, werden durch eine Zahl allerdings nicht abgebildet und sind nur durch das wichtigste diagnostische Verfahren verstehbar: Das direkte Gespräch mit Patienten bei der Einführung der Verfahren, der Beantwortung von Fragen und Zweifeln und bei der Vermittlung der Ergebnisse.
Die Untersuchung von Patienten mit Rückenschmerzen dient verschiedenen Zielen. Sie stellt Kontakt mit dem Patienten her (Beziehungsarbeit), sie gibt Information zu degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und Gelenken und ist somit Voraussetzung für eine gezielte apparative Diagnostik, sie gibt Informationen über den Funktionszustand der Muskulatur, Gelenke und anderer Gewebe und ist damit Grundlage für die Durchführung funktioneller Behandlungen (z.B. Manueller Medizin) bzw. der Verschreibung von Physiotherapie und sie kann Diskrepanzen zwischen Schmerzerleben und körperlichen Befund deutlich machen als Grundlage für die Erarbeitung eines ganzheitlichen Krankheitsverständnisses. Im Therapieverlauf können Erfolge und Misserfolge anhand der Veränderung oder Nichtveränderung insbesondere der funktionellen Befunde besser beurteilt und die Therapie angepasst werden.
In diesem Praktikerseminar soll eine Basisuntersuchung mit einem Schwerpunkt auf die funktionellen Befunde vorgestellt werden. Primäre Funktionsstörungen wie die mangelnde Stabilisation der Wirbelsäule und der Gelenke, Koordinationsstörungen und die konstitutionelle Hypermobilität werden systematisch gesucht um Rezidive von sekundären (schmerzhaften) Funktionsstörungen wie z.B. Blockierungen und Triggerpunkten zu verhindern. Weiterhin soll der Zusammenhang zur funktionellen Behandlung und der Verschreibung von Physiotherapie erläutert werden.
Hintergrund: Langzeittherapie mit opioidhaltigen Analgetika (OA) birgt das Risiko von Nebenwirkungen und Komplikationen, wie Fehlgebrauch, Missbrauch oder Abhängigkeit (Just et al. 2016). Empfehlungen für die Langzeitanwendung von OA bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (CNTS) wurden in einer deutschen S3-Leitlinie (LONTS) festgehalten (Häuser et al. 2020). Gleichzeitig beobachteten mehrere Studien einen Anstieg der Verschreibungen von OA in Deutschland (Werber et al 2015, Vertheim et al. 2020). Es bleibt unklar, inwiefern die Versorgung leitliniengerecht stattfindet oder ob Über- und/oder Fehlversorgung stattfindet. Die vom Innovationsfonds (Förderkennz. 01VSF19059) geförderte Studie Op-US verfolgt daher einen integrierten Ansatz und analysiert das Verordnungsgeschehen in der Langzeitanwendung von OA bei CNTS unter Berücksichtigung der Perspektiven von Patienten und Ärzten.
Forschungsfragen
1. Liegt in einer Kohorte von gesetzlich Versicherten eine Fehlversorgung im Hinblick auf die Verordnung von OA bei bestehenden Kontraindikationen gemäß den Empfehlungen der Leitlinie LONTS vor?
2. Welche Hürden und Hemmnisse stehen einer leitliniengerechten Versorgung aus Perspektive der Ärzte entgegen?
Methode: Die Untersuchung folgt einem Mixed-Methods-Ansatz, der mehrere Perspektiven einbezieht. Dazu gehören eine Befragung von Versicherten der DAK-Gesundheit mit Langzeit-Opioidverordnungen (i); Leitfadeninterviews mit Haus- und Fachärzten sowie eine Befragung von (Fach-)Ärzten mittels standardisiertem Erhebungsbogen (ii) und die Analyse von Routinedaten der DAK-Gesundheit von Versicherten mit Langzeitverordnungen von OA (iii). Die standardisierten Bögen enthalten Instrumente zur Erfassung von Schmerzbelastung, Versorgungsqualität, Abhängigkeitserkrankungen (i) sowie Fragen mit Bezug zu Ergebnissen aus den Leitfadeninterviews zur leitliniengerechten Versorgung, zu Hemmnissen und Hürden (ii). Insgesamt wurden 2.268 DAK-Versicherte (i) und eine Stichprobe von 1.850 Ärzten aus Fachgruppen mit Relevanz in der Schmerzversorgung befragt (ii). Für die Routinedatenauswertung werden etwa Daten zur ambulanten und stationären Versorgung einbezogen.
Ergebnisse: Die Ergebnisse sollen Hinweise darauf geben, ob Patientengruppen von Über- und/oder Fehlversorgung oder von Missbrauch betroffen sind. Zudem werden Hemmnisse und Hürden einer leitliniengerechten Versorgung erfasst. Dafür werden Befragungs- sowie Routinedaten genutzt und kombiniert, um ein möglichst umfassendes Bild der Versorgungssituation zu erhalten.
Zusammenfassung: Mit der Studie kann die Forschungslücke hinsichtlich der Langzeitanwendung von OA bei CNTS aus Sicht von Patienten und Ärzten vor allem in Bezug auf Leitliniengerechtigkeit und Risiken für nicht-bestimmungsgemäßen Gebrauch geschlossen und Kosten aus GKV-Perspektive dargestellt werden. Auf dieser Basis sollen Empfehlungen für Versorgungsstrategien erarbeitet werden.
Dieses Symposium bietet ein Update zur Diagnose und Therapie häufiger Kopfschmerzen in verschiedenen Lebensaltern.
Wiederkehrende Kopfschmerzen führen im Kindes- und Jugendalter oft zu erheblichen Einschränkungen der Alltagsfähigkeit und zu Schulausfall. Die Differenzierung primärer und sekundärer Kopfschmerzen steht am Behandlungsbeginn und ist entscheidend für die weitere Therapie. Etablierte diagnose- und altersabhängige Therapiemöglichkeiten werden zusammengefasst. Basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Daten werden neue Therapiemöglichkeiten und Trends vorgestellt.
Im erwerbsfähigen Alter ist die Kopfschmerzprävalenz am höchsten. Der Vortrag stellt die häufigsten primären und sekundären Kopfschmerzen in dieser Altersgruppe inklusive eines adäquaten diagnostischen Procederes vor. Darüberhinaus werden gängige Therapiestandards von Spannungskopfschmerz bis Medikamentenübergebrauchskopfschmerz klinisch relevant zusammengefasst. Neue Behandlungsmöglichkeiten und Daten aus Therapiestudien werden präsentiert.
Kopfschmerzen im höheren Lebensalter haben ihre Tücken: Primäre Kopfschmerzen können sich weniger typisch präsentieren, sekundäre Kopfschmerzen sind häufiger. Relevante Differenzialdiagnosen und Möglichkeiten der angemessenen Diagnostik werden vorgestellt, insbesondere vor dem Hintergrund vorhandener Komorbiditäten. Altersangepasste Therapiestrategien, die auch eine mögliche Polypharmazie berücksichtigen, werden dargestellt. Die Relevanz neuer Behandlungsmöglichkeiten für Kopfschmerzerkrankungen wird für diese Patientengruppe kritisch eingeordnet.
Tierexperimentelle Forschung ist eine wichtige Säule innerhalb der translationalen neuropathischen und Tumorschmerzforschung. Das translationale Potential der meisten Studien ist gering, was zum einen durch das Tumor-Modell und zum anderen durch die limitierte Integration von klinisch relevanten Schmerzmodalitäten begründet ist. Im ersten Vortrag werden Daten aus dem EU -Verbundprojekt „Acidic microenvironment as a target for cancer-associated bone pain” (ACIDinCIBP) vorgestellt mit innovativen Verhaltensassays mit assoziierter Bildgebung (fMRI) in Kleintieren, um die Mechanismen-basierte Schmerzforschung bei Knochenkrebs voranzutreiben. Ergebnisse zeigen z.B. einen sozialen Transfer von Schmerzverhalten und machen deutlich, welche sekundären Effekte und Innovationen sich darüber hinaus für die tierexperimentelle Schmerzforschung ergeben.
Genetische Mutationen, wie solche in spannungs-gesteuerten Natriumkanälen (Nav) führen zu vererbbaren neuropathischen Schmerzsyndromen. Mit fortlaufend verbesserten genetischen Methoden wird klar, dass manche Nav-Varianten nur im zellulären Kontext pathophysiologisch relevant werden, wie wir im zweiten Vortrag darstellen werden. Im Rahmen des Sodium Channel Network Aachen (SCNAachen) leben wir die direkte Kooperation zwischen Klinikern und Grundlagenwissenschaftlern und identifizieren in einer fortlaufend wachsenden Patientenkohorte mit neuropathischen Schmerz genetische Veränderung und korrelieren diese mit Klinik und Ergebnissen von Untersuchungen an Stammzell-abgeleiteten peripheren Neuronen. Um die translationale Lücke schließen zu können, nutzen wir humane sensorische Hinterhornganglien, die bei operativer Behandlung von Plexusläsionen isoliert wurden und führen PatchSeq Messungen durch: Dabei wird nach detaillierter elektrophysiologischer Charakterisierung der einzelnen Neuronen deren Transkriptom auf einzel-Zellebene analysiert und bioinformatisch korreliert.
Abschließend werden im dritten Teil die Projekte Bio2Treat und APVEL vorgestellt. Das BMBF-Projekt Bio2Treat beschreibt einen Ansatz zur Patienten-zentrierten Diagnostik und Prognostik mit Hilfe von mHealth, Stammzelltechnologie und KI darstellt. In diesem vom BMBF geförderten Projekt wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen einem Smartphone-basierten Aktivitätentagebuch und biometrischen Daten einer PainWatch im Alltag mit QST, „Schmerz evozierten Potentialen“ (PREPS; pain-related evoked potentials) und weiteren klinischen Daten. Das G-BA Innovationsfonds-Projekt APVEL evaluierte die G-BA Richtlinie zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung SAPV und reflektiert qualitative Daten von mehr als 200 Patienten zu deren Belastung bezügl. Schmerzen und anderer Symptome im Vergleich mit Krankenkassen-Sekundärdaten von nahezu 1 Mio Patienten.
Die Migräne weist jenseits des Kopfschmerzes und ihrer typischen Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit zahlreiche weitere Facetten auf, die Ausdruck ihrer komplexen Pathophysiologie sind. Da nicht in den ICHD-3-Kriterien enthalten wird die Osmophobie im klinischen Alltag meist nicht erfragt, obwohl sie eine hohe Sensitivität für die Diagnosestellung einer Migräne hat. Auch visuelle Phänomene jenseits der visuellen Aura können bei Betroffenen mit Migräne häufig gefunden werden, werden aber selten diagnostiziert. Neben Metamorphopsien, cinematographischem Sehen und Dyschromatopsien stellen Nachbild-Phänomene wie die Palinopsie eine weitere mit der Migräne assoziierte Facette dar. Neben den häufig als Komorbidität gefundenen depressiven Syndromen wurde bislang kaum untersucht, wie häufig Migränepatienten unter Einsamkeit leiden und sich ihre soziale Vernetztheit darstellt.
Im Rahmen dieses Symposiums sollen zu den Facetten Osmophobie, Nachbilder sowie Einsamkeit und soziale Vernetztheit eigene Studiendaten vorgestellt werden in den Kontext der aktuellen Literatur eingeordnet werden.
Vortrag 1: Migräne und olfaktorisches System (Marie Frost, Dresden)
Neben einem Überblick über die der Osmophobie zugrundeliegenden Mechanismen wird der Einfluss eines strukturierten Riechtrainings auf die Schmerzwahrnehmung und das Riechvermögen von Patienten mit Migräne mit und ohne Aura anhand von Daten einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie gezeigt. Riechtraining führt bei Patienten mit Migräne zu einer Erhöhung der mechanischen Schmerzschwelle und weist damit auf eine Schmerz-desensitisierende Wirkung von angenehmen Düften hin. Die aktuellen Daten werden im Kontext von Osmophobie und trigeminaler Sensitivierung bei Migräne kritisch beleuchtet.
Vortrag 2: Migräne, Einsamkeit und soziale Vernetztheit (Dr. phil. Britta Müller, Rostock)
Nach einer Übersicht über aktuelle Konzepte von Einsamkeit und sozialer Vernetztheit werden Daten aus zwei Studien zur Einsamkeit und sozialen Vernetztheit bei Migräne vorgestellt. Die Daten zeigen, dass Migränepatienten häufiger als Personen ohne Migräne über Einsamkeit berichten. Zudem weisen die Betroffenen vergleichsweise kleine soziale Netzwerke auf. Migränepatienten, die sich als einsam erleben, weisen zudem Besonderheiten in der Schmerzmitteleinnahme und in Copingstrategien auf.
Vortrag 3: Migräne und Nachbildeffekt (PD Dr. Tim Jürgens)
Die Ergebnisse einer kontrollierten Studie zu Nachbildeffekten bei Migränepatienten mit und ohne Aura werden vorgestellt und ihre möglichen pathophysiologischen Konzepte vor dem Hintergrund der übrigen visuellen Phänomene bei Betroffenen mit Migräne diskutiert.
Für neuropathische Schmerzen steht nur in seltenen Fällen eine kausale Therapieoption zur Verfügung. Daher liegt der Fokus auf der symptomatischen Therapie mit dem Ziel, Lebensqualität und Funktionalität der Patient/-innen zu erhalten und zu verbessern. Während es für die medikamentöse Therapie neuropathischer Schmerzen klare Richtlinien gibt, stehen diese für die nicht-medikamentösen Therapie bislang aus. Insbesondere zur Schmerzbewältigung und für den Erhalt von Funktionalität und Autonomie bieten nicht-medikamentöse Verfahren jedoch erhebliche Chancen.
In diesem Symposium richtet sich der Fokus daher auf drei erprobte bzw aktuell untersuchte nicht-medikamentöse Therapieoptionen und ihre Vorteile beim Einsatz zur Therapie neuropathischer Schmerzen. Dazu werden klinische Anwendungsmöglichkeiten sowie bisherige Studienergebnisse diskutiert:
Vorgestellt werden 1. die ostheopathische Manualtherapie bei diabetischer Polyneuropathie, 2. die repetitive sensible elektrische Stimulation beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom sowie 3. Interventionen der kognitiven Verhaltenstherapie und Biofeedback bei neuropathischen Schmerzen.
Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) gehört inzwischen zu den etabliertesten Verfahren zur Behandlung chronischer Schmerzen. Therapieziele sind u. a. im Sinne des Kompetenzerwerbes und der aktiven Krankheitsbewältigung von der Ad-hoc-Kommission Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie der Deutschen Schmerzgesellschaft konsentiert. Weiterhin wurden berufsgruppenspezifische Behandlungsinhalte detailliert herausgearbeitet (Arnold et al. 2014). In Deutschland wird die IMST derzeit überwiegend im teilstationären oder stationären Setting angeboten. Die Umsetzung unterscheidet sich aber hinsichtlich therapeutischer Konzeptionen und Intensitäten zum Teil erheblich. Zudem ist bisher kein einheitliches Wirkmodell beschrieben.
Zum Erreichen der o. g. globalen Zielstellungen der IMST müssen die Patienten im Behandlungsverlauf für eine Verhaltensänderung sensibilisiert und motiviert werden. Um hier eine nachhaltige und stabile Wirkung zu erzielen, erscheint eine Wiederholung und Auffrischung (Booster) von Therapieinhalten sinnvoll. Diese Annahme wird durch psychologische Modelle, z. Bsp. zur Handlungsregulation und involvierten volitionalen Prozessen gestützt. Verschiedene Einrichtungen tragen dem Rechnung und haben in ihre individuellen Fachkonzeptionen Boostereinheiten integriert.
In einer einrichtungsbezogenen Befragung am UniversitätsSchmerzCentrum (USC) verdeutlichte sich auf Patientenseite der Wunsch nach inhaltlich und zeitlich abgestuften Auffrischungsmodulen im Rahmen der IMST. Aus einer weiteren Befragung verschiedener nationaler Einrichtungen geht darüber hinaus hervor, dass die Versorgungslandschaft im Hinblick auf therapeutische Inhalte und Intensitäten von Therapieauffrischungen sehr inhomogen erscheint.
Konsentierte Konzepte zu Auffrischungsmodulen nach IMST waren bislang nicht Gegenstand der Auseinandersetzung. Mithilfe des Thementisches soll daher eine erste Diskussionsplattform angeboten werden. Wir freuen uns über einen spannenden Austausch mit Ihnen zu folgenden Fragen:
Was glauben wir, was wirkt beim Boostern?
Was definieren wir als Erfolg beim Boostern?
Wie richten wir danach Therapieinhalte und –intensitäten von Boostereinheiten aus?
Dieser Thementisch beinhaltet einerseits die Präsentation von Umfrageergebnissen zu Einsatz und Nutzen von komplementären Verfahren in der Schmerztherapie sowie andererseits die klinische Nutzung von Naturräumen mit besonderem Fokus auf Waldlandschaften als Elemente in der Therapie chronisch Schmerzkranker.
Die Teilnehmenden dieses Thementisches sind eingeladen, gemeinsam mit den Referierenden über die Potentiale integrativer und naturgestützter Therapieformen in der Schmerzmedizin zu diskutieren sowie über eigene Erfahrungen in der Umsetzung zu berichten.
Die Chronifizierung von Schmerzen unterliegt sehr komplexen und vielfältigen Bedingungen. Eine umfassende Befunderhebung und korrekte Diagnosestellung ist eine essentielle Voraussetzung für eine ergebnisoffene Steuerung einer angemessenen und erfolgreichen Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen. Dies kann nur im Rahmen eines multidisziplinären Ansatzes ausreichend sichergestellt werden. Das interdisziplinäre multimodale Assessment (IMA) wurde durch die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. eindeutig definiert (Casser et al., 2013). Integraler Bestandteil ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, die jeweils selbständig Befunde aus ihrem Fachgebiet erheben. Die interdisziplinäre Diskussion, die Einordnung der Befunde sowie die Diagnosestellung münden in einer integrierten Empfehlung, die gemeinsam mit dem Patienten abschließend besprochen wird. Als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer stationären/teilstationären interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) ist das IMA inzwischen überwiegend etabliert. Durch das Innovationsfondprojekt PAIN2020 ist es darüber hinaus gelungen, ein frühes IMA als ambulante Versorgungsstruktur zu etablieren. Hier sollen Chronifizierungsverläufe frühzeitig erkannt und durch eine effektive Therapiesteuerung möglichst aufgehalten werden (Kaiser et al., 2021).
Das UniversitätsSchmerzCentrum (USC) Dresden führt neben dem IMAs als Eingangsdiagnostik für die teilstationäre IMST seit mehreren Jahren auch ambulante IMAs als eigenständige Behandlungsbausteine durch. Diese erfolgten im Rahmen von PAIN2020, darüber hinaus bestehen langjährige vertragliche Vereinbarungen im Rahmen der Besonderen Versorgung nach § 140 a SGB V sowie Versorgungsvereinbarungen mit Kostenträgern der gesetzlichen Unfallversicherung. Zur Qualitätssicherung wurden für beide Versorgungsformen Struktur- und Prozessparameter festgelegt, die sich an den o. g. Empfehlungen der Deutschen Schmerzgesellschaft orientieren.
Im Rahmen des Symposiums soll diskutiert werden, inwieweit das IMA innerhalb der genannten Versorgungsformen ausreichend kontextspezifisch ist oder Zielstellungen ggf. angepasst werden sollten. Aus einer einrichtungsbezogenen Analyse werden Patientengruppen der unterschiedlichen Arme dazu differenziert betrachtet. Zur Darstellung der Ergebnisqualität sollen Erfolgsparameter im Hinblick auf Gemeinsamkeiten oder mögliche spezifische Erweiterungen, z. Bsp. hinsichtlich des beruflichen Kontextes, diskutiert werden. Erste Überlegungen zu Evaluationskonzepten werden vorgestellt.
Sekundäre Kopfschmerzen sind, obwohl in Summe seltener als die häufigen primären Kopfschmerzen, in der klinischen Praxis sehr relevant. Kenntnisse bezüglich Häufigkeit, klinischer Symptomatik, diagnostischer Einordnung und Klassifikation der unterschiedlichen Formen sind daher essentiell. Im Rahmen des Symposium werden drei wichtige Aspekte eine Rolle spielen: Am Anfang werden neue Daten zur Rolle der Gefäße bei Kopfschmerzen dargestellt. Dabei geht es nicht nur um die Frage nach der Häufigkeit und Relevanz von sekundären Kopfschmerzen bei Gefäßstörungen, sondern auch um eine mögliche Rolle im Rahmen der Pathophysiologie von Kopfschmerzen allgemein. Im zweiten thematischen Schwerpunkt wird das Thema aus genetischer Sicht beleuchtet. Nach einer Zusammenfassung des aktuellen Wissensstands zur Genetik primärer Kopfschmerzen werden exemplarisch genetisch bedingte (vaskuläre) Syndrome vorgestellt, bei denen Kopfschmerzen ein wichtiger Teil des Phänotyps sind. Abschließend werden aktuelle Aspekte zum häufigen posttraumatischen Kopfschmerz dargestellt, wobei hier neue Aspekte zur Pathophysiologie und Therapie diskutiert werden.
Schmerzmedizinische Interventionen werden (wenn überhaupt) vorwiegend anhand ihrer kurzfristigen Effekte, beispielsweise einer Reduktion von Analgetika oder Schmerzintensität beurteilt. Oft ist unbekannt, ob solche Effekte anhaltend sind, möglicherweise konterkariert werden durch Nebenwirkungen oder ob eine Schmerztherapie z.B. nach einer Operation sogar zu einer längerfristigen „Analgetikakarriere“ führen könnte. Auch soziale Folgen wie Zu- oder Abnahme von Arbeitsunfähigkeit werden in der Routineversorgung selten erfasst. Zudem gibt es kaum Daten zum Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen aus Sicht des Gesamt-Ressourceneinsatzes. So gibt es kaum Untersuchungen dazu, ob sich der erhöhte Ressourcenaufwand einer Interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) auch in einer langfristigen Reduktion von Folgekosten widerspiegelt. Die Auswertung von Routine-, insbesondere Abrechnungsdaten eröffnet eine solche Analysemöglichkeit.
Dieses Symposium widmet sich auf inhaltlicher Ebenen den möglichen Langzeiteffekten einer Therapie akuter und chronischer Schmerzen bei Kindern und Erwachsenen und beschreibt Zusammenhänge mit einem Mehr- oder Mindergebrauch von Analgetika und der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen. Da alle vorgestellten Projekte auf der Auswertung von routinemäßig erhobenen Abrechnungsdaten gesetzlicher Krankenkassen beruhen, werden außerdem die methodischen Anforderungen und Fallstricke in der Arbeit mit Abrechnungsdaten thematisiert.
Alle drei Vorträge beleuchten sowohl klinische als auch methodische Aspekte in der Arbeit mit Routinedaten.
Die maßgeschneiderte Behandlung von Erkrankungen (sog. „personalisierte Medizin“ oder „Präzisionsmedizin“) wird seit Anfang des Jahrtausends in der Fachliteratur zunehmend diskutiert. Während einerseits pharmakotherapeutische Interventionen („Welches Medikament für welche(n) Patient*in?“) adressiert werden, sind diese Überlegungen andererseits auch im psychotherapeutischen Kontext zunehmend relevant.
In dem Symposium werden Optionen einer maßgeschneiderten, personalisierten Behandlung bei Migräne aufgezeigt und diskutiert. Dabei sollen sowohl die medizinisch-pharmazeutische als auch die psychologisch-psychotherapeutische Perspektive eingenommen und Aspekte der Digitalisierung und E-Health berücksichtigt werden.
Im ersten Beitrag werden Aspekte einer maßgeschneiderten Pharmakotherapie der Migräne vorgestellt. Bei Beginn einer Migränebehandlung stellt sich die Frage, welche Substanzklasse für welche(n) Patient*in die bestmögliche ist, z.B. bzgl. Wirkung, Nebenwirkungen und Medikamentenadhärenz. In diesem Vortrag wird die Studienlage zu aktuellen und zukünftigen Prädiktoren des therapeutischen Ansprechens auf eine medikamentöse Prophylaxe und zukünftige personalisierte Behandlungsansätze vorgestellt und der aktuelle Stellenwert für die praktische Behandlung der Migräne diskutiert.
Im zweiten Beitrag werden die Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten verhaltenstherapeutischen Studie bei Migräne genauer vorgestellt. Hierbei wurde ein migränespezifisches, kognitiv-verhaltenstherapeutisches Therapieprogramm untersucht, das eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen (z.B. Trigger- und Stressmanagement) enthält. Die aktive Kontrollbedingung war ein einfaches Entspannungstraining. Moderationsanalysen wiesen einen signifikanten Effekt für das Ausmaß der Beeinträchtigung auf (HIT-6; b = -0.41, SE 0.20, p = .047), d.h. Patient*innen mit einer höheren Beeinträchtigung profitieren eher von dem kombinierten Behandlungsprogramm im Vergleich zu einem einfachen Entspannungstraining. Die Implikationen für die praktische psychotherapeutische Behandlung der Migräne werden diskutiert.
Der dritte Beitrag widmet sich einer personalisierten digitalen Kopfschmerzbehandlung. Digitale Gesundheitsanwendungen versprechen ein großes Potential für Patient*innen und Behandelnde, dessen Bedeutung in der COVID-19-Pandemie noch zunahm. Gerade in der Kopfschmerzbehandlung nimmt die Anzahl an Angeboten kontinuierlich zu. Von digitalen Kopfschmerztagebüchern bis hin zu einer personalisierten Triggeranalyse oder sogar Anleitungen zu nicht-medikamentösen Behandlungen ist alles reichlich vertreten. In dem Beitrag werden die in Deutschland am häufigsten verwendeten digitalen Gesundheitsanwendungen, ihre Einsatzmöglichkeiten aber auch ihre Grenzen vorgestellt. Am Beispiel von M-sense Migräne, der ersten Kopfschmerz-App auf Rezept, werden anhand erster empirischer Ergebnisse die Möglichkeiten einer personifizierten Nutzung gezeigt.
Bislang ist immer noch unklar warum manche Menschen Schmerzen entwickeln und andere nicht. Viele Studien habe bislang einen Einfluss verschiedener biopsychosozialer Faktoren (Alter, Genetik, Art der Schädigung, emotionale Gesundheit etc.) auf die Entwicklung und Chronifizierung von Schmerzen gezeigt, wobei nicht ein einzelner Faktor, sondern eher eine komplexe Interaktion verschiedener Faktoren für die Entstehung und Unterhaltung von Schmerzen verantwortlich zu sein scheint. Daher werden zunehmend große Datensätze von Patienten untersucht, um diese komplexen Zusammenhänge zu untersuchen. In diesem Symposium soll der Stellenwert dieser Analysen diskutiert und näher beleuchtet werden.
Der erste Vortrag von Herrn Dr. Vollert wird einen Überblick über die Geschichte, die Methoden und die zunehmende Nutzung des maschinellen Lernens geben, von der Spitzenforschung über Verbesserungen im täglichen Leben bis hin zu präklinischen und klinischen Möglichkeiten für die Schmerzforschung. Besonderes Augenmerk wird dabei auf gängige Missverständnisse, inhärente Voreingenommenheit und die Gefahren einer (falschen) Nutzung der computergestützten Entscheidungsfindung gelegt.
Im zweiten Vortrag von Frau Prof. Dr. Gierthmühlen werden Ergebnisse und Grenzen einer Analyse von Nerzwerkdaten vorgestellt, in deren Rahmen maschinelles Lernen zur Untersuchung von Risikofaktoren für das Auftreten von Schmerzen bei Patienten mit Polyneuropathie untersucht wurde.
Der dritte Vortrag von Frau Prof. Dr. Pogazki-Zahn beschäftigt sich mit Ergebnissen aus aktuellen Big-Data-Analysen (Prädiktor- und Ergebnisanalysen) und der möglichen Vorhersagbarkeit akuter postoperativer Schmerzen.
Aufgrund des breit angelegten Themenbereiches richtet sich das Symposium damit sowohl an Kliniker als auch an Wissenschaftler, die sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten. Dieser Vortrag wird den Zuhörern Klarheit über Umfang und Grenzen des maschinellen Lernens verschaffen. Dabei geht es nicht nur um die Schmerzforschung, sondern vielmehr um ein umfassendes Bild davon, wie diese Technologie unsere Arbeits- und Lebensweise beeinflusst und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben. Die Teilnehmer werden erfahren, wie ein Schmerzregister oder ein Schmerznetzwerk entwickelt werden kann, einschließlich der Chancen und Fallstricke. Sie erhalten einen Einblick in die Analyse von Daten aus solchen Registern und Netzwerken. Sie werden Einblicke in die Ergebnisse von Datenanalyseansätzen zu akuten und akuten bis chronischen Schmerzen nach Operationen erhalten und erfahren, was möglich ist und was nicht. Darüber hinaus werden Ideen zum maschinellen Lernen unter Verwendung solcher Datensätze vorgestellt. Schließlich wird erörtert, ob solche Ansätze auf andere Schmerzdisziplinen übertragen werden können (und welche Fallstricke vermieden werden können), für die solche Register und Konsortien derzeit geplant sind oder in Zukunft geplant werden.
Messen von schmerzbezogenen Paramatern und Dokumentation in der Schmerzmedizin sind längst gesetzlich geforderter Alltag– unabhängig von der Versorgung in der Praxis, Ambulanz, Tagesklinik oder Station. Gründe sind vielfältig und reichen von der Leistungsabrechnung, Organisationsabläufen, medikolegalen Aspekte bis zur Qualitätssicherung, Diagnostik und Kommunikation mit Zuweisern und Patienten. Meistens entwickeln sich im Alltag an die jeweils speziellen Rahmenbedingungen angepasste eher insuläre Lösungen. Das führt dazu, dass Behandler*Innen zwar umfassende Daten, zu „Ihren“ Patienten und Patientinnen haben, diese Daten aber auch meist vor Ort verbleiben oder allenfalls einrichtungsbezogen genutzt werden. Ein Bild der Versorgung kann so aber nicht entstehen. Andere Quellen von Versorgungsdaten, wie die der Krankenkassen, können aber die Schmerzmedizin und ihre Leistung für die betroffenen Patienten und Patientinnen nur sehr eingeschränkt abbilden, was insbesondere für nicht finanziell abbildbare Aspekte, wie Lebensqualität und Funktionalität gilt.
Die Deutsche Schmerzgesellschaft hat vor vielen Jahren mit Ihrer Initiative KEDOQ-Schmerz eine sektoren-übergreifende Plattform zur Zusammenführung von Daten aus der schmerzmedizinischen Versorgung auf den Weg gebracht. Durch die Versorgungsforschungsprojekte, wie PAIN2020 und PAIN2.0 hat KEDOQ-Schmerz jetzt eine zunehmende Dynamik entwickelt. Im Selektiv-Vertrag zum ambulanten Interdisziplinären Multimodalen Assessment (A-IMA) mit der BARMER ist die Deutsche Schmerzgesellschaft mit dem KEDOQ-Konzept für die Qualitätssicherung beteiligt. Andererseits gibt es aktuelle und spannende Auswertungen aus den bereits vorliegenden Daten, zur Lebensqualität von Schmerzpatient*Innen (Validierung des VR-12), Schmerzdiagnosen in der Versorgung. All das basierend auf dem Deutschen Schmerzfragebogen, den ja die überwiegende Mehrheit der schmerzmedizinischen Versorger*Innen im Alltag einsetzt.
Mit diesem Thementisch wollen wir Sie über aktuelle Entwicklungen informieren und zur kritischen und offenen Diskussion einladen und hoffen mit Ihnen Impulse und Ideen für eine bessere Verzahnung von KEDOQ-Schmerz mit der schmerzmedizinischen Praxis zu entwickeln, mit dem Ziel diese Versorgung besser zu verstehen und darstellen zu können und damit auch gestalten zu können.
Geruchs- und Geschmacksverlust sind häufig genannte Komplikationen bei einer COVID-19-Erkrankung (Polat, 2021), aber es gibt keine eindeutigen Hinweise auf eine Beeinträchtigung des peripheren Nervensystems während oder als Langzeitfolge einer SARS-Cov-2 Infektion. Auf der anderen Seite mehren sich in der Literatur klinische Berichte von Neuropathien oft infolge einer schweren COVID-19 Erkrankung. Diese lassen sich zumindest teilweise auf einen längeren Krankenhausaufenthalt inklusive eines Intensivaufenthaltes zurückführen, aber nicht alle Fälle passen in dieses Muster (Michealson et al. 2021) . Neben der körpereigenen Immunreaktion wird auch das invasive Verhalten des Virus als mögliche Ursache peripherer sowie zentraler neurologischer Symptome angesehen (Ellul et al. 2020). Ebenso ist die klinische Symptomatik sehr unterschiedlich – von vermindertem Schmerzempfinden bis zu neuropathischen Schmerzen.
Zum Auftakt wird Frau Becker über einen 48-jährigen Mann berichten, der nach einer COVID-19-Infektion im Frühjahr 2020 eine anhaltende Dysgeusie und ein klinisch vermindertes Schmerzempfinden an den Unterschenkeln, Händen und Wangen aufwies. Die Diagnostik erbrachte verschiedene Auffälligkeiten wie erhöhte thermische Wahrnehmungsschwellen im Gesicht, aber keine Veränderungen am Fuß, sowie eine verminderte intraepidermale Nerven-faserdichte. Die Symptome und auffälligen Untersuchungsergebnisse besserten sich 5 Monate später (Becker J et al. 2022). In der Literatur sind weitere Fälle von Hypalgesie beschrieben worden (Hentsch L et al. 2022), die vorgestellt werden.
Der Thementisch soll einen Austausch über diesen und eigene Fälle der Teilnehmer:innen ermöglichen. Folgende Fragen sind mögliche Diskussionsgrundlagen:
- Haben Sie ähnliche Fälle in der Praxis gesehen?
- Gibt es Komorbiditäten, die Patientinnen und Patienten mit einer SARS-Cov-2 Infektion zu Affektionen des peripheren Nervensystems prädestinieren?
- Lassen sich laborchemische Parameter aufzeigen, die mit dem gehäuften Auftreten neurologischer Komplikationen in Zusammenhang stehen?
- Gibt es Parallelen zu anderen viralen oder bakteriellen Erregern?
- Neurologische Komplikationen als Folge einer SARS-Cov-2 Infektion oder als Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren wie Hospitalisierungsdauer und psychischem Stress?
- Welchen Einfluss hat SARS-Cov-2 auf die Entwicklung neuropathischer Symptome und was ist auf die Reaktion des eigenen Immunsystems zurückzuführen?
- Gibt es epigenetische und genetische Faktoren, die die Entwicklung neurologischer Symptome verstärken?
- Lässt sich ein Geschlechterunterschied in der Entwicklung peripherer neurologischer Symptome feststellen?
Aufgrund des klinischen Schwerpunktes richtet sich das Symposium sowohl an klinisch-tätige Kolleg:innen als auch an Wissenschaftler:innen, die sich näher mit chronischen neuropathischen Erkrankungen oder COVID-19 Langzeitfolgen beschäftigen und klinisches Bild und Pathophysiologie besser verstehen wollen.
Beschreibung:
Die interdisziplinäre Schmerztherapie stellt den Goldstandard in der Schmerztherapie dar. Die psychologische Therapie stellt hier einen wesentlichen Bausteinstein dar, wichtig erscheint hierbei aber der Austausch mit den anderen Professionen, die gemeinsame Sprache und Philosophie,um dem Patienten ein angemessenes Krankheitsmodell zu vermitteln. Ziel ist es die Selbstwirksamkeit des Patienten zu stärken und langfristig den Umgang mit den Beschwerden zu erleichtern.
In dem Workshop werden zunächst in einem Überblick die unterschiedlichen Themen der modernen kognitiven Verhaltenstherapie vorgestellt und einige Themen etwas genauer anhand von Fallbeispielen und kleinen Filmen dargestellt. Symptomorientierte, funktionsverbessernde Methoden wie Modellvermittlung, Pacing und quotenorientierte Belastung, Abbau von Angstvermeidungsverhalten aber auch Biofeedback werden vorgestellt. Kognitive Strategien zum Abbau von dysfunktionalen Gedankenmustern und Entspannungstechniken/Imaginationen stellen zusätzlich hilfreiche Schmerzbewältigungsstrategien dar. Daneben spielen jedoch auch akzeptanzorientierte Methoden wie die Vermittlung von Achtsamkeit und ein werteorientiertes Handeln vor allem bei hoch chronifizierten Patienten eine Rolle.
Ziele / Inhalte:
Ziel des Workshops ist es einen Überblick über die Themen der Speziellen Schmerzpsychotherapie zu verschaffen
Zielgruppe:
Psychologen, Ärzte, Physiotherapeuten und Pflegekräfte
Beschreibung/Inhalte:
Der Workshop beleuchtet die jüngsten Entwicklungen der Schmerztherapie mit Analgetika aus dem Btm-Bereich sowie adjuvanter Medikationen, u.a. mit Antikonvulsiva und Benzodiazepinen. Anhand von Fallbeispielen wird über verschiedene Ansätze der Verordnung, aber auch der Reduktion dieser Medikamente bis zum Medikamentenentzug in den verschiedenen Sektoren der Patientenversorgung diskutiert. Dabei wird die Vielfalt der Begrifflichkeiten aus DSM IV und V, ICD-10- und 11 besprochen sowie alte und neue Nomenklaturen im Zusammenhang mit Abhängigkeitsentwicklung, Fehlgebrauch und Mißbrauch berücksichtigt.
Es ist ausdrücklich erwünscht, dass die Teilnehmer des Workshops eigene Fälle und Beispiele zur gemeinsamen Diskussion beitragen.
Ziele:
- Einstieg in leitlinienkonforme Therapie mit Opioiden
- Begriffsbestimmung Mißbrauch, Fehlgebrauch, Abhängigkeit, Toleranzentwicklung, Entzug, Substanzgebrauchsstörung
- verschiedene Ansätze des Medikamentenentzugs
- Umgang mit Koanalgetika in der Langzeittherapie
Zielgruppe:
alle Verordner von Analgetika
Gutachten = "GUT ACHTEN"!
Die Begutachtung stellt einen wichtigen Baustein in der Medizin dar. Gutachten sind notwendig, wenn es z.B. um den Erhalt von Leistungen aus Versicherungen geht. Am häufigsten und bekanntesten sind Gutachten im Rahmen von Anträgen zur Erwerbsminderung an die Rentenversicherung. Hier handelt es sich um sogenannte finale Gutachten, die die Leistungsfähigkeit Versicherter einschätzen. Einen anderen Bereich stellen kausale Gutachten dar, die erstellt werden, wenn es nach besonderen Ereignissen, wie z.B. Unfällen, zu Erkrankungen kommt. Gutachten werden zunächst für Versicherungen erstellt; bei Rechtsstreitigkeiten werden sie für Gerichte erstellt. Daraus erwächst eine Besonderheit in der Arbeit derer, die Gutachten erstellen: die Neutralität. Es gibt eine Reihe weiterer Besonderheiten, die bei der Erstellung von Gutachten zu berücksichtigen sind. Dies trifft für alle Fachgebiete in der Medizin zu. In einem besonderen Maße jedoch für die Begutachtung von Schmerzstörungen. Die bekannte, besondere Herausforderung ist, dass der Schmerz nicht objektivierbar Befunde wie Labor oder Bildgebung gibt. Besonders in der Begutachtung ist auch deshalb auf eine klare Trennung von Beschwerden und Befunden zu achten. Bei der Begutachtung zur Leistungsfähigkeit geht es nach einer gründlichen Diagnostik vor allem um die Einschränkungen in Aktivität und Teilhabe durch die beklagten Beschwerden und um die verbleibende Funktionsfähigkeit. Hier zeigt sich die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) als eine wichtige Klassifikation und Orientierungshilfe.
Eine Begutachtung setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen, so z.B. der Anamneseerhebung, der körperlichen Untersuchung und einer Testung. In Zusammenhang mit den Unterlagen, die zur Verfügung gestellt werden, erfolgt ein steter Abgleich des Geschriebenen, Gesagten, Gehörten und Erlebten. Im Sinne einer sogen. Konsistenzprüfung.
Der Workshop gibt eine Einführung in den Ablauf einer Begutachtung und richtet sich sowohl an Interessenten, die sich mit diesem spannenden Bereich der Medizin auseinandersetzen wollen, als auch an Weiterbildungsassistenten, die sich im Rahmen ihrer Weiterbildung mit der Begutachtung vertraut machen möchten.
Der biopsychosoziale Ansatz, Schmerzerleben und Schmerzerkrankungen zu verstehen, geht inhärent von einer beträchtlichen Diversität zwischen Individuen aus, auch bei vergleichbarer Diagnose einer ggf. vorliegenden Schmerzerkrankung. Relevante Faktoren sind hierbei u.a. Geschlecht, Ethnizität und Migrationshintergrund sowie die individuelle Lebensgeschichte. Jeder dieser Faktoren lässt sich letztlich wiederum auf ein komplexes Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Aspekte zurückführen.
Der erste Vortrag (E. Pogatzki-Zahn) geht auf die Bedeutung des Geschlechts als einen modulierenden Faktor für die Art und Schwere der Schmerzsymptome, aber auch für den Umgang mit diesen sowie die Prognose und den Therapieerfolg bei Schmerzerkrankungen ein. In präklinischen und klinischen Studien sind biologisch vermittelte Geschlechtsunterschiede z.B. im Hinblick auf Schmerz-verarbeitende Prozesse (CPM/offset Analgesie) gut untersucht. Sie müssen jedoch im Kontext weiterer Kofaktoren (z.B. Geschlechtsunterschiede in der Komorbidität oder psychischer Bewältigungsstrategien) betrachtet werden, was entsprechende Implikationen sowohl für die klinische Praxis als auch z.B. für translationale Forschung hat.
Der zweite Vortrag (C. Hermann) fokussiert auf Ethnizität und Migrationshintergrund als Faktoren der Patientenheterogenität. Ethnische Unterschiede in der Schmerzverarbeitung und im Schmerzerleben, aber auch die Auswirkungen dieser Unterschiede auf das Verhalten von Behandlern sind insbesondere in den USA gut untersucht, zumeist im Vergleich von kaukasischen und schwarzen Amerikanern. Speziell in Deutschland ist trotz klinischer Relevanz die Rolle der Ethnizität, des Migrationshintergrunds und möglicher weiterer modulierender sozialer Faktoren wie der Akkulturation oder auch des sozialen Kontexts auf das Schmerzerleben sowohl präklinisch wie auch klinisch kaum untersucht. Von besonderem Interesse gerade auch für die klinische Praxis sind zusätzlich auch mögliche Unterschiede im Schmerzausdrucksverhalten (z.B. Mimik), die bislang weitestgehend vernachlässigt wurden. Hierzu werden erste experimentelle Studien vorgestellt und Implikationen für die klinische Praxis und die weitere Forschung aufgezeigt.
Im dritten Vortrag (T. Fischer) wird die lebensgeschichtliche Perspektive für das individuelle Schmerzerleben und Schmerzleiden betrachtet. Patient:innen bringen jeweils ihre individuelle Biografie mit, die von biologische Gegebenheiten, sozialen Einflüssen, gesellschaftlichen Entwicklungen und psychologische Faktoren beeinflussen wird. Einerseits können Schmerzen die Entwicklung des Individuums beeinflussen, andererseits werden die Wahrnehmung und der Umgang mit Schmerzen durch die individuelle Entwicklung im Verlauf der Lebensspanne beeinflusst. Eine patientenzentrierte Therapie und Pflege von Menschen mit Schmerzen muss daher die Individualität der Person im Kontext ihres Lebenslaufs berücksichtigen.
Basierend auf der Erkenntnis, dass die beste Therapie nicht wirken kann, wenn sie nicht oder nicht richtig angewendet wird, haben sich Konzepte zur Therapietreue entwickelt. Die Adhärenz ist ein mehrdimensionales Konstrukt, welches Aspekte der Sozioökonomie, des Gesundheitssystems, der Erkrankung, der Therapie selbst sowie des Patienten umfasst. Sie beschreibt, wie weit das Verhalten des Patienten mit den Empfehlungen, die mit dem Therapeuten getroffen wurden, übereinstimmt. Die Persistenz beschreibt ergänzend die langfristige Therapietreue. Im Bereich der Schmerzmedizin stellt die Therapietreue einen bislang wenig beachteten Einflussfaktor auf die Effektivität medikamentöser, nicht-medikamentöser und invasiv-interventioneller Ansätze dar. In diesem Symposium sollen die bislang verfügbaren Daten aus Sicht des Psychologen, Schmerzmediziners und Klinischen Pharmazeuten beleuchtet und diskutiert werden.
"Psychologische Konzepte von Adhärenz und Persistenz und klinischer Alltag"
Dr. phil. Dipl-Psych. Thomas Dresler (Tübingen) stellt zunächst aktuelle psychologische Konzepte und Einflussfaktoren von Adhärenz und Persistenz bei Schmerzerkrankungen vor. Dann werden praktische Ansatzpunkte für eine Steigerung von Adhärenz und Persistenz im klinischen Alltag diskutiert. Zudem werden auch psychologische Therapieverfahren hinsichtlich ihrer Adhärenz und Persistenz in den Blick genommen.
"Therapietreue in der Schmerzmedizin aus klinischer Sicht"
PD Dr. med. Tim Jürgens (Güstrow) stellt eigene Daten zur Adhärenz und Persistenz von medikamentösen und interventionellen Verfahren in der Therapie von Migräne und Clusterkopfschmerz und diskutiert diese im Licht der aktuellen Literatur zur Therapietreue bei chronischen Schmerzerkrankungen.
"Therapietreue aus pharmazeutischer Sicht - Bestandsaufnahme und Möglichkeiten der optimierten Versorgung"
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Thilo Bertsche (Leipzig) stellt Aspekte vor, wie die Therapietreue in der Schmerztherapie pharmazeutisch beeinflussbar ist. Die eigene Forschung zielt auf die Implementierung Leitlinien-basierter Standards unter Einbeziehung Klinischer Pharmazeuten ab. Multiprofessionell werden auf Ebene der Ärzte und Pflegenden dazu auch Konzepte der Qualitätssicherung berücksichtigt. Zudem werden weitere für die Therapietreue von Schmerzmedikamenten wichtige Themen wie Arzneimittelinteraktionen und Darreichungsformen präsentiert.
Welche Neuerungen ergeben sich für die teil- und vollstationäre schmerzmedizinische Versorgung im DRG-System 2022 dar? Welche Veränderungen sind 2023 zu erwarten? Wie sieht die Schmerztherapie in Zeiten von Ambulantisierung und (Long-)Covid-19 aus? Wie gehen schmerzmedizinische Einrichtungen mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUG) um? Welche Konsequenzen hat eine personelle Mindestausstattung in pflegesensitiven Bereichen der Krankenhäuser? Wie können die mit dem MDS konsentierten Kriterien von MD-Prüfungen verlässlich und einheitlich angewendet werden? Wie verhält sich der neue Medizinische Dienst (MD)? Diese und weitere aktuelle berufspolitische Fragen zur teil- und vollstationären schmerzmedizinischen Versorgung werden mit den Teilnehmern diskutiert.
Mit dem zu Jahresbeginn 2020 in Kraft getretenen MDK-Reformgesetz wurde eine substanzielle Erweiterung des AOP-Katalogs beschlossen. Demnach soll dieser Katalog aktualisiert, um stationsersetzende Behandlungen ergänzt und zukünftig regelmäßig an den Stand der medizinischen Erkenntnisse angepasst werden. Im IGES-Gutachten nach § 115b Abs. 1a SGB V wird u.a. empfohlen, teilstationäre und tagesklinische schmerzmedizinische Leistungen in den AOP-Katalog aufzunehmen. Der BVSD e.V. lehnt eine Ambulantisierung von teil- und vollstationären schmerzmedizinischen Leistungen ab. Im argumentativen Austausch mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat der BVSD seine Position in den Verhandlungsprozess eingebracht. Wie sehen die nächsten Schritte in
der Umsetzung der Erweiterung des AOP-Katalogs aus? Was ist von den geplanten Hybrid-DRG zu halten? Welche Chancen bietet die Ampel-Agenda für die ambulante Schmerzversorgung? Diese und weitere aktuelle berufspolitische Fragen zur ambulanten schmerzmedizinischen Versorgung werden mit den Teilnehmern diskutiert. Außerdem: Probleme und Chancen der digitalen ambulanten Schmerzmedizin.
In der ICD-11 gibt es insbesondere im Bereich der chronischen Schmerzdiagnosen im Vergleich zur ICD-10 wichtige grundlegende Neuerungen. Erstmals werden chronische Schmerzen in einem eigenständigen Kapitel klassifiziert und ihre Konzeptualisierung beruht auf dem biopsychosozialen Modell. Nach vielen theoretischen Überlegungen zu einer optimalen Klassifikation liegen nun erste Daten aus Feldstudien vor. Beispielhaft für chronische postoperative Schmerzen beleuchtet das Symposium die Anwendbarkeit der neuen chronischen Schmerzdiagnosen anhand aktueller Daten.
Über den Aufbau und die Besonderheiten des neuen Schmerzkapitels der ICD-11 informiert der erste Vortrag. Prof. Barke zeigt die wichtigsten Unterschiede zur Vorgängerversion ICD-10 auf und beschreibt, wie die ICD-11 die Sichtbarkeit chronischer Schmerzen erhöhen kann. Häufig gestellte Fragen zur ICD-11 werden diskutiert sowie Ergebnisse erster internationaler Feldstudien zur Anwendbarkeit und klinischen Nützlichkeit des überarbeiteten Klassifikationssystems präsentiert.
Im zweiten Vortrag wird der chronische postoperative Schmerz (CPSP) als eine Subgruppe sekundärer chronischer Schmerzen von Prof. Stamer beleuchtet. In der Vergangenheit wurden von Arbeitsgruppen wechselnde Definitionen für CPSP verwendet. Dies hat u. a. zu sehr differierenden Aussagen zur Inzidenz von CPSP geführt. Klinische Beispiele sollen einerseits zeigen, wie bei Patient:innen die Diagnose CPSP korrekt gestellt werden kann, andererseits aber auch Problemfälle darstellen, die sich nur schwer klassifizieren lassen, dennoch aber einer Therapie bedürfen.
Im dritten Teil werden Fallbeispiele präsentiert und gemeinsam die neuen ICD-11 Diagnosen erarbeitet und diskutiert.
Beschreibung/Inhalte:
Im Workshop wird das Instrument Serial Trial Intervention (STI) vorgestellt. Das STI bietet eine systematische ursachen-/bedürfnisbezogene Einschätzung und Versorgung von Menschen mit Demenz, worin Schmerz als eine Ursache für „herausfordernden Verhaltensweisen“ berücksichtigt ist. Die Anwendung des STI wird entlang eines Fallbeispiels in Kleingruppen erarbeitet und entlang von Projekterfahrungen diskutiert.
Ziele:
In dem Vortrag wird das Instrument Serial Trial Intervention (STI), dessen grundliegenden Elemente und die spezifische Anwendung, mit Fokus auf das Phänomen Schmerz als eine Ursache für herausfordernde Verhaltensweisen bei MmD, dargelegt.
Zielgruppe:
Ärzt*innen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeut*innen
Neuropathische Schmerzen unterscheiden sich ätiologisch und symptomatisch von chronischen Schmerzen, bei denen das Nervensystem intakt ist. Auch die Therapie neuropathischer Schmerzen unterscheidet sich deutlich von der Therapie nozizeptiver Schmerzen – dies macht eine klinische Differenzierung zwischen diesen beiden Schmerzformen so wichtig! Anhand von Beispielen soll in einem interaktiven Fallseminar die klinische Manifestation neuropathischer Schmerzsyndrome vorgestellt und die über die körperliche Untersuchung und Anamnese hinausgehenden apparativen Untersuchungstechniken erläutert werden. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf Fällen aus dem eigenen neurophysiologischen Labor, anhand derer sinnvolle Untersuchungsprogramme zur Erfassung von Erkrankungen des peripheren oder zentralen Nervensystems, welche mit Schmerzen einhergehen können, dargestellt werden. Bildgebende Verfahren können ebenfalls Läsionen im schmerzverarbeitenden System aufzeigen und werden mit besprochen. Weiterhin soll auf mögliche Fallstricke, z.B. Überinterpretation von grenzwertig pathologischen Befunden oder fehlende Korrelation der klinischen Symptomatik mit Befundergebnissen eingegangen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt hauptsächlich in der Forschung angewendete Methoden werden nicht behandelt.
Im zweiten Teil sollen aufgrund der hohen praktischen Relevanz - insbesondere für Nicht-Neurologen - die derzeit zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapiemöglichkeiten für neuropathische Schmerzen durchgegangen werden. Dabei wird sich insbesondere auf die aktuelle Leitlinie für die Therapie neuropathische Schmerzen bezogen und Therapiekonzepte für beispielhafte Patienten dargelegt. Insbesondere wird auch auf die Möglichkeiten von Kombinationstherapien und auf mögliche Fallen bei der Therapieplanung dieser häufig hoch chronifizierten Patienten eingegangen. Idealerweise sollen auch von den Teilnehmern eingebrachte Fälle gemeinschaftlich diskutiert werden. Dafür können die Teilnehmer eigene Fallbeispiele entweder im Vorfeld an die Referenten übermitteln oder diese in einer kurzen Zusammenfassung direkt mitbringen.
Beschreibung/Inhalte:
Menschen mit chronischen Schmerzen gelten als häufig kommunikativ schwierig, berichten häufig über kränkende Erfahrungen im Medizinbetrieb, geraten immer wieder in das gleiche Leidensszenario.
Ihre Behandler müssen verarbeiten, dass sich der Schmerz nicht an anatomische Gegebenheiten hält und ihre Therapieversuche verpuffen.
Diese Konstellation kann in die Katastrophe des "ich kann nichts mehr für sie tun" führen, mit der nächsten Etappe des 'doctor hopping'.
Im Workshop werden wir die Grundlagen der Kommunikation mit dem schwierigen Patienten erarbeiten und Lösungswege beschreiten lernen.
Ziele:
Förderung des Verständnisses für die besonderen Herausforderungen im Umgang mit chronischen Schmerzpatienten, Förderung der Selbstwahrnehmung, Förderung der Fähigkeiten zum aktiven Zuhören, Handwerkszeug für eine erfolgreiche Arbeit mit individuellen Krankheitsgeschichten, Aufbau von wirksamen Strategien.
Oberziel: aktive Beziehungsarbeit.
Zielgruppe:
Alle aktiv in die Behandlung von Schmerzpatienten einbezogene Berufsgruppen (Ärzte, Arzthelfer*innen, Ergotherapeuten, MTAs, Pflegende, Physiotherapeuten, Psychologen)