Die maßgeschneiderte Behandlung von Erkrankungen (sog. „personalisierte Medizin“ oder „Präzisionsmedizin“) wird seit Anfang des Jahrtausends in der Fachliteratur zunehmend diskutiert. Während einerseits pharmakotherapeutische Interventionen („Welches Medikament für welche(n) Patient*in?“) adressiert werden, sind diese Überlegungen andererseits auch im psychotherapeutischen Kontext zunehmend relevant.
In dem Symposium werden Optionen einer maßgeschneiderten, personalisierten Behandlung bei Migräne aufgezeigt und diskutiert. Dabei sollen sowohl die medizinisch-pharmazeutische als auch die psychologisch-psychotherapeutische Perspektive eingenommen und Aspekte der Digitalisierung und E-Health berücksichtigt werden.
Im ersten Beitrag werden Aspekte einer maßgeschneiderten Pharmakotherapie der Migräne vorgestellt. Bei Beginn einer Migränebehandlung stellt sich die Frage, welche Substanzklasse für welche(n) Patient*in die bestmögliche ist, z.B. bzgl. Wirkung, Nebenwirkungen und Medikamentenadhärenz. In diesem Vortrag wird die Studienlage zu aktuellen und zukünftigen Prädiktoren des therapeutischen Ansprechens auf eine medikamentöse Prophylaxe und zukünftige personalisierte Behandlungsansätze vorgestellt und der aktuelle Stellenwert für die praktische Behandlung der Migräne diskutiert.
Im zweiten Beitrag werden die Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten verhaltenstherapeutischen Studie bei Migräne genauer vorgestellt. Hierbei wurde ein migränespezifisches, kognitiv-verhaltenstherapeutisches Therapieprogramm untersucht, das eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen (z.B. Trigger- und Stressmanagement) enthält. Die aktive Kontrollbedingung war ein einfaches Entspannungstraining. Moderationsanalysen wiesen einen signifikanten Effekt für das Ausmaß der Beeinträchtigung auf (HIT-6; b = -0.41, SE 0.20, p = .047), d.h. Patient*innen mit einer höheren Beeinträchtigung profitieren eher von dem kombinierten Behandlungsprogramm im Vergleich zu einem einfachen Entspannungstraining. Die Implikationen für die praktische psychotherapeutische Behandlung der Migräne werden diskutiert.
Der dritte Beitrag widmet sich einer personalisierten digitalen Kopfschmerzbehandlung. Digitale Gesundheitsanwendungen versprechen ein großes Potential für Patient*innen und Behandelnde, dessen Bedeutung in der COVID-19-Pandemie noch zunahm. Gerade in der Kopfschmerzbehandlung nimmt die Anzahl an Angeboten kontinuierlich zu. Von digitalen Kopfschmerztagebüchern bis hin zu einer personalisierten Triggeranalyse oder sogar Anleitungen zu nicht-medikamentösen Behandlungen ist alles reichlich vertreten. In dem Beitrag werden die in Deutschland am häufigsten verwendeten digitalen Gesundheitsanwendungen, ihre Einsatzmöglichkeiten aber auch ihre Grenzen vorgestellt. Am Beispiel von M-sense Migräne, der ersten Kopfschmerz-App auf Rezept, werden anhand erster empirischer Ergebnisse die Möglichkeiten einer personifizierten Nutzung gezeigt.