Geruchs- und Geschmacksverlust sind häufig genannte Komplikationen bei einer COVID-19-Erkrankung (Polat, 2021), aber es gibt keine eindeutigen Hinweise auf eine Beeinträchtigung des peripheren Nervensystems während oder als Langzeitfolge einer SARS-Cov-2 Infektion. Auf der anderen Seite mehren sich in der Literatur klinische Berichte von Neuropathien oft infolge einer schweren COVID-19 Erkrankung. Diese lassen sich zumindest teilweise auf einen längeren Krankenhausaufenthalt inklusive eines Intensivaufenthaltes zurückführen, aber nicht alle Fälle passen in dieses Muster (Michealson et al. 2021) . Neben der körpereigenen Immunreaktion wird auch das invasive Verhalten des Virus als mögliche Ursache peripherer sowie zentraler neurologischer Symptome angesehen (Ellul et al. 2020). Ebenso ist die klinische Symptomatik sehr unterschiedlich – von vermindertem Schmerzempfinden bis zu neuropathischen Schmerzen.
Zum Auftakt wird Frau Becker über einen 48-jährigen Mann berichten, der nach einer COVID-19-Infektion im Frühjahr 2020 eine anhaltende Dysgeusie und ein klinisch vermindertes Schmerzempfinden an den Unterschenkeln, Händen und Wangen aufwies. Die Diagnostik erbrachte verschiedene Auffälligkeiten wie erhöhte thermische Wahrnehmungsschwellen im Gesicht, aber keine Veränderungen am Fuß, sowie eine verminderte intraepidermale Nerven-faserdichte. Die Symptome und auffälligen Untersuchungsergebnisse besserten sich 5 Monate später (Becker J et al. 2022). In der Literatur sind weitere Fälle von Hypalgesie beschrieben worden (Hentsch L et al. 2022), die vorgestellt werden.
Der Thementisch soll einen Austausch über diesen und eigene Fälle der Teilnehmer:innen ermöglichen. Folgende Fragen sind mögliche Diskussionsgrundlagen:
- Haben Sie ähnliche Fälle in der Praxis gesehen?
- Gibt es Komorbiditäten, die Patientinnen und Patienten mit einer SARS-Cov-2 Infektion zu Affektionen des peripheren Nervensystems prädestinieren?
- Lassen sich laborchemische Parameter aufzeigen, die mit dem gehäuften Auftreten neurologischer Komplikationen in Zusammenhang stehen?
- Gibt es Parallelen zu anderen viralen oder bakteriellen Erregern?
- Neurologische Komplikationen als Folge einer SARS-Cov-2 Infektion oder als Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren wie Hospitalisierungsdauer und psychischem Stress?
- Welchen Einfluss hat SARS-Cov-2 auf die Entwicklung neuropathischer Symptome und was ist auf die Reaktion des eigenen Immunsystems zurückzuführen?
- Gibt es epigenetische und genetische Faktoren, die die Entwicklung neurologischer Symptome verstärken?
- Lässt sich ein Geschlechterunterschied in der Entwicklung peripherer neurologischer Symptome feststellen?
Aufgrund des klinischen Schwerpunktes richtet sich das Symposium sowohl an klinisch-tätige Kolleg:innen als auch an Wissenschaftler:innen, die sich näher mit chronischen neuropathischen Erkrankungen oder COVID-19 Langzeitfolgen beschäftigen und klinisches Bild und Pathophysiologie besser verstehen wollen.