Autor:innen:
Pia Helfer-Hupp | Universitätsmedizin Göttingen | Germany
Dr. med. Miriam I. Emons | Universitätsmedizin Göttingen | Germany
Dr. Marcus Nemeth | Universitätsmedizin Göttingen | Germany
Prof. Dr. med. Frank Petzke | Universitätsmedizin Göttingen | Germany
Prof. Dr. Leif Saager | Universitätsmedizin Göttingen | Germany
Prof. Dr. med. Joachim Erlenwein | Universitätsmedizin Göttingen | Germany
Hintergrund und Fragestellung: Akutschmerztherapie ist ein schnittstellenübergreifender Prozess. Dabei nimmt der Aufwachraum (AWR) eine zentrale Stellung bzgl. unmittelbarer postoperativer Schmerzen und der Überleitung in den Normalstationsbereich ein. Ziel war es, durch die Prozesssteuerung der Schmerztherapie die Versorgungsqualität zu verbessern.
Material und Methoden: Im Rahmen eines klinischen Prozessmanagementprojektes erfolgte die Implementierung von Algorithmen zur Steuerung der Analgesie bei erwachsenen Patient:innen im AWR des Zentral-OPs der Universitätsmedizin Göttingen. Diese beinhalteten zum einen definierte Trigger zur Applikation einer vorgegebenen Bedarfsmedikation, Eskalationsstufen bei unzureichender Symptomkontrolle und die frühe unmittelbar postoperative Nutzung von Retardopioid, sobald Opioidboli erforderlich waren, sowie Dosisanpassungen für Patient:innen mit Opioidvormedikation. Dieser Prozess wurde im Sinne einer Vorher-Nachher-Untersuchung wissenschaftlich begleitet (Ethikvotum 12/3/21). Primäres Outcome war die Schmerzintensität auf der Nummerischen Rating-Skala (NRS 0-10); sekundäre Outcomes waren Analgetikaverbrauch (mg parenterales Morphinäquivalent, MÄ), Aufenthaltsdauer (min) und die Beurteilung der Verlegungsfähigkeit (modifizierter Aldrete-Score, AS).
Ergebnisse: Baseline n=733 Patient:innen, davon n=77 [11%] mit chronischen Schmerzen und/oder Opioidvormedikation (CSO), Follow-up: n=697, davon n=64 [9%] mit CSO. Die Schmerzintensität konnte zu den Erfassungszeitpunkten 30, 60 und 90 min nach Übernahme signifikant reduziert werden (30 min: 3,0 ±2,6 vs. 2,6 ±2,5, p=0,009; 4,0 ±2,9 vs. 3,6 ±2,9 mit CSO, p=0,374; 60 min: 3,2 ±2,5 vs. 2,6 ±2,4, p= < 0,001; 4,2 ±2,8 vs. 3,8 ±2,8 mit CSO, p=0,410; 90 min: 3,2 ±2,4 vs. 2,8 ±2,3, p=0,027; 4,3 ±2,5 vs. 4,0 ±2,6 mit CSO, p=0,562).
Die Gesamt-MÄ der Patient:innen im AWR, welche Opioide erhielten, war insgesamt höher (9,2 ±6,6 vs. 11,3 ±6,5, p= < 0,001; 11,2 ±9,6 vs. 17,0 ±11,8 mit CSO, p=0,043). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer war erhöht (93 ±64 vs. 108 ±92 min, p= < 0,001; 94 ±70 vs. 123 ±79 min mit CSO, p=0,036), wenn auch die Verlegungsfähigkeit (AS) anteilig signifikant jeweils früher erreicht wurde (Zeitpunkt 30 min: 68% vs. 75%, p=0,003; 53% vs. 68% mit CSO, p=0,075; 60 min: 75% vs. 80%, p=0,040 ; 57% vs. 70% mit CSO, p=0,139 ; 90 min: 80% vs. 82%, p=0,542; 64% vs. 74% mit CSO, p=0,346).
Schlussfolgerung: Durch Steuerung des Therapieprozesses der Analgesie lässt sich teilweise die Schmerzintensität und Verlegungsfähigkeit von Patient:innen im AWR verbessern, einhergehend mit höherer Opioiddosis. Insgesamt zeichnete sich ab, dass anteilig, wenn auch ohne statistische Signifikanz, die Verlegungsfähigkeit insbesondere in der Gruppe der Patient:innen mit CSO verbessert wurde.