Autor:innen:
Matthias Wiemann | Universitätsmedizin Greifswald | Germany
Sarah-Luis Blendow | Universitätsmedizin Greifswald | Germany
Nikolas Zimowski | Universitätsmedizin Greifswald | Germany
Prof. Dr. Iris-Katharina Penner | Inselspital, Universität Bern | Switzerland
Dr. med. Robert Fleischmann | Universitätsmedizin Greifswald | Germany
Dr. Matthias Grothe | Universitätsmedizin Greifswald | Germany
Dr. Sebastian Strauss | Universitätsmedizin Greifswald | Germany
Hintergrund: Fatigue ist ein Symptom vieler neurologischer Erkrankungen und ebenfalls häufig Bestandteil chronischer Schmerzerkrankungen (1). Interessanterweise scheinen u.a. inflammatorische Prozesse und die zentrale Sensitivierung sowohl bei Fatigue als auch bei Schmerzsyndromen wie dem komplex regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) eine Rolle zu spielen (2,3). Neben diesen Analogien treten beim CRPS zugleich mit starken Schmerzen und sensomotorischen Defiziten häufig auch Symptome wie allgemeine Schwäche und verstärkte Müdigkeit auf. Bisher gibt es allerdings keine systematische Untersuchung über die Prävalenz und die klinische Präsentation von Fatigue sowie den Einfluss auf die Lebensqualität (QoL) bei CRPS. Dieses Wissen könnte zur Verbesserung der klinischen Versorgung dieser oftmals schwer zu behandelnder Erkrankung beitragen.
Methoden: In dieser prospektiven Studie wurden 200 Patient:innen mit CRPS befragt. Neben klinischen Informationen wurden Daten zu Depression (Hospital Anxiety and Depression Scale, HADS), Fatigue (Fatigue Skala für Motorik und Kognition, FSMC) und QoL (EQ-5D) erhoben. Statistisch erfolgte die Analyse zwischen der Schwere von Fatigue und dem Schmerzlevel (parametrische/nicht-parametrische global und posthoc Tests). Des Weiteren wurden mittels Best Subset Regression (Zielparameter: adj.R², BIC) Prädiktoren mit dem größten Einfluss auf die QoL identifiziert (Δadj.R²=Modellverbesserung durch Hinzunamen des Prädiktors).
Ergebnisse: 85% der Patient:innen zeigten im FSMC eine relevante Fatigue (leicht: 6%, mild: 15%, schwer: 67%). Patient:innen mit schwerer Fatigue zeigten signifikant höhere Schmerzlevel als die diejenigen ohne Fatigue (Ruhe: p = 0.003; Bewegung: p = 0.007) oder mit milder Fatigue (Bewegung: p = 0.03). Die Best Subset Regression zeigt, dass QoL in unserer Kohorte vor allem durch Schmerz (Bewegung: adj.R² = 0.38; p < 0.001, Ruhe: Δadj.R² = 0.02, p = 0.007) und Depression (Δadj.R² = 0.12, p < 0.001) erklärt wird. Die Schwere der Fatigue (Δadj.R² = 0.002, p = 0.29) und Dauer der CRPS Erkrankung (Δadj.R² = 0.0004, p = 0.29) eigneten sich lediglich als zusätzliche untergeordnete Faktoren.
Diskussion: Unsere Studie untersucht erstmals das Auftreten von Fatigue, den Zusammenhang zu Schmerzen sowie den Einfluss auf die QoL in einer größeren Gruppe von CRPS Patient:innen. Es zeigt sich eine hohe Prävalenz insbesondere von schwerer Fatigue, welche direkt mit dem Ausmaß der berichteten Schmerzintensität assoziiert ist. Obwohl schwere Fatigue ein häufiges Symptom in unserer Kohorte darstellte scheint die QoL von CRPS Patient:innen interessanterweise vornehmlich durch Schmerzen und depressive Symptomatik beeinflusst zu sein. Um die Rolle von Fatigue besser zu verstehen, sollte Fatigue zukünftig bei CRPS standardisiert z.B. mit dem FSMC, welcher unterschiedlichen Aspekte von Fatigue beschreibt, miterfasst und im klinischen Management von CRPS bedacht werden.