Bei der Systembiologie, auch integrative Biologie genannt, handelt es sich um einen Teilbereich der biowissenschaftlichen Forschung, in dem biologische Organismen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Anstatt die vielfältigen im Organismus ablaufenden Teilprozesse isoliert voneinander zu betrachten, wird versucht ein integratives Bild aller regulatorischen Prozesse zu erhalten. Dazu ist eine Integration multimodaler Daten hinsichtlich klinischer, umweltbedingter, physiologischer und psychologischer Parameter nötig, dessen Spektrum in der aktuellen Forschung durch „Omics“- Methoden und bildgebende Verfahren erweitert wird. Zur Integration kommen vor allem mathematisch-analytische Methoden, wie maschinelles Lernen, zum Einsatz, um das Zusammenspiel aller Elemente eines bestimmten biologischen Systems in seinen möglichen Zuständen zu evaluieren, um Rückschlüsse auf den Phänotyp/Verhalten des Gesamtorganismus zu erhalten.
Dabei gilt für systembiologische Methoden in der Schmerzforschung, Prozesse, welche durch eine Verletzung oder eine Krankheit initiiert wurden, qualitativ vorherzusagen bzw. einen Therapieerfolg so genau wie möglich vorauszusehen (Prädiktion von Therapierespondern). Das qualitative Verfahren begründet sich auf der Einbeziehung aller am Prozess beteiligten Komponenten, ihrer möglichen Interaktionen, sowie ihrer Zustände. Dafür ist die Erstellung und Analyse von (Interaktions-) Netzwerken essentiell. Im Vordergrund solcher Analysen stehen die Verbindungen zwischen einzelnen Einheiten, seien es Proteine oder Hirnregionen, und nicht deren individuellen Attribute oder Charakteristika. Damit sind die Verbindungen und die Interaktion an sich eine Analyseeinheit und stehen somit im Gegensatz zur singulären Analyse von Teilaspekten biologischer Systeme in der Vergangenheit. In jüngster Zeit werden solche systembiologischen Ansätze auch vermehrt in der präklinischen, experimentellen als auch der klinischen Schmerzforschung eingesetzt, um die Multidimensionalität von Schmerz zu erfassen und zu verstehen. Die Integration von „Omics“-Methoden, welche die Dynamik zellulärer Prozesse in verschiedenen Geweben erfassen, modernen Bildgebungsverfahren, welche die Schmerzprozessierung im Gehirn untersuchen, und evolutionsbiologischen Ansätzen, kann zu einem „neuerem“ integrativen Bild des Schmerzes in translationalen Forschungsprojekten beitragen.
In diesem Symposium soll anhand aktueller Ergebnisse das Potential von systembiologischen Ansätzen aus Proteom-Analysen, Bildgebungsverfahren und Theorien aus der evolutionären Medizin für die heutige und zukünftige Schmerzmedizin aufgezeigt werden. Aufgrund der breitgefächerten Thematik ist dieses Symposium sowohl an GrundlagenforscherInnen als auch an KlinikerInnen gleichermaßen gerichtet.