Viele primäre Kopfschmerzerkrankungen weisen eine geschlechtsspezifische Prävalenz auf. Dies wird am Beispiel der Migräne besonders deutlich. Aufgrund einer Geschlechtsverteilung von 3:1 wird sie in der Bevölkerung oft als „Frauenkrankheit“ angesehen. Historisch wurden Patient*innen mit Migräne als gebrechliche Frauen mit schwachen Nerven dargestellt. Trotz Fortschritte im pathophysiologischen Verständnis der Erkrankung halten sich diese Klischees hartnäckig.
In diesem Symposium werden geschlechterspezifische Rollenbilder im Kontext primärer Kopfschmerzerkrankungen aufgezeigt. Die wissenschaftliche Evidenz zum Einfluss von Sexualhormonen auf die Entstehung von Kopfschmerzen wird am Beispiel der Migräne erläutert.
Im ersten Beitrag erfolgt zunächst eine historische Einordnung der aktuellen Vorurteile über Migräne bis zum heutigen Tag. Die Darstellung von Patient*innen mit Migräne in den Medien kann einen Überblick bieten, wie die heutige Gesellschaft diese Erkrankung wahrnimmt. Bisherige Studien legen nahe, dass mediale Migränebilder oft stereotyp sind (weiblich, jung, einseitiger Kopfschmerz) und von Patient*innen als nicht realistisch wahrgenommen werden. Die Einschätzung von solchen typischen Bildern variiert allerdings anhand des Geschlechts und des Alters der dargestellten und der bewertenden Person. Eine aktuelle Studie untersucht mögliche wohnortsabhängige Unterschiede zwischen Rostock und Berlin. Die ersten Ergebnisse der Studie werden in diesem Beitrag dargestellt.
Der zweite Beitrag stellt Arbeiten vor, die Geschlechtsunterschiede und relevante Einflussfaktoren bei Kopfschmerzerkrankungen untersucht haben. Eingegangen wird unter anderem auf Unterschiede hinsichtlich Triggerfaktoren bei Migräne, Unterschiede im Aufsuchen von Behandlung, in der Prävalenz von komorbiden Störungen wie Depression, Angst, Bipolarer Störung und Posttraumatischer Belastungsstörung und hinsichtlich der Beeinträchtigung im Alltag durch Migräne. Dabei wird insbesondere die Bedeutung psychosozialer Faktoren (Geschlecht, Rollenbilder, Stereotypen und Stigmatisierung von Migränepatient*innen) für psychische Belastung, Krankheitsverlauf und -bewältigung aufgegriffen.
Im dritten Beitrag wird der Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Sexualhormonen am Beispiel der Migräne aufgezeigt. In der perimenstruellen Periode, leiden Frauen, getriggert durch einen starken Östrogenabfall, doppelt so häufig an einer Migräneattacke, als zu anderen Zeitpunkten des Menstruationszyklus. Modulation der zyklischen Hormonfluktuationen, wie durch die Einnahme einer hormonellen Kontrazeption, kann für manche Migränepatient*innen von Vorteil sein. In einer aktuellen Online-Umfrage wurde untersucht, inwieweit das Vorliegen einer Migräne die Entscheidung über die Verschreibung einer hormonellen Kontrazeption beeinflusst. Die Ergebnisse sollen in diesem Beitrag nach einer kurzen Einführung zu der Rolle der Geschlechtshormone bei Kopfschmerzen, insbesondere bei Migräne, vorgestellt werden.