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Von BCG zu neuen Tuberkuloseimpfstoffen: Wann ist es soweit?
S. Kaufmann (Berlin, DE)
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S. Kaufmann (Berlin, DE)
Auch wenn in den letzten beiden Jahren mehr als 6 Millionen Menschen an Covid-19 (Corona Virus Disease 2019) verstarben, verlief die Tuberkulose (TB) in den letzten 200 Jahren für eine Milliarde Menschen tödlich. Selbst dieses Jahrtausend verzeichnet bislang mehr als 200 Millionen Neuerkrankungen und 30 Millionen Todesfälle durch TB. Gegen Covid-19 wurden innerhalb weniger als einem Jahr effektive Impfstoffe entwickelt, während der 100 Jahre alte Impfstoff gegen TB, Bacille-Calmette-Guérin (BCG), nur unbefriedigenden Schutz erzeugt. BCG schützt gegen extrapulmonäre Formen der TB in Kleinkindern; der Schutz von Jugendlichen und Erwachsenen gegen die weitest verbreitete Form, die Lungen-TB, ist aber unzureichend. Derzeit befinden sich. 15 Impfstoffkandidaten in klinischen Untersuchungen. Drei Kandidaten haben die Phase I auf Sicherheit erreicht, 6 die Phase II und 3 die Phase III auf Schutzwirkung.
Etwa 1,7 Milliarden Menschen sind mit dem Erreger, Mycobacterium tuberculosis (Mtb), weltweit infiziert. Die Immunantwort kann in Menschen mit latenter TB-Infektion (LTBI) den Erreger eindämmen. Diese Personen sind gesund und nicht ansteckend. Allerdings wird der Erreger in der Regel nicht eliminiert, so dass die Krankheit bei ca. 10% der Menschen mit LTBI zu einem späteren Zeitpunkt ausbrechen kann. Aufgrund der intrazellulären Lebensweise des Erregers sind T-Lymphozyten die wesentlichen Träger des Immunschutzes. Zum Schutz bedarf es eines ausgewogenen Gleichgewichts unterschiedlicher T-Zellpopulationen. Wird dieses Gleichgewicht gestört, gewinnt der Erreger die Oberhand und eine aktive TB bricht aus.
(i) Impfstoffkandidaten werden in Neugeborenen und Kleinkindern auf Schutz gegen TB getestet. Dabei handelt es sich um eine Präexpositions-Impfung.
(ii) In Heranwachsenden und Erwachsenen werden Impfstoffe auf Schutz gegen TB prä- und post-expositionell getestet. Während die Präexpositions-Impfung Schutz vor Infektion und damit auch vor Erkrankung erzielen kann, ermöglicht die Postexpositions-Impfung lediglich Schutz vor Erkrankung.
(iii) Die therapeutische Impfung wird entweder zusätzlich zur Chemotherapie verabreicht oder nach Behandlungsende zum Schutz vor Rekurrenz durch Reinfektion oder Relapse.
Die eingesetzten Impfstoffkandidaten lassen sich in folgende Gruppen gliedern:
• Untereinheitenimpfstoffe, die aus wenigen Antigenen plus Impfverstärker bestehen.
Hierzu zählen virale Vektoren und Protein-Adjuvans-Impfstoffe. Der Protein-Adjuvans-Impfstoff M72:AS01 hat in einer Phase IIb Studie Hinweise auf Schutzwirkung erbracht.
• Ganzzellimpfstoffe, die aus Mykobakterien bestehen und daher ein breites Spektrum von Antigenen abdecken. Die inaktivierten Impfstoffe basieren auf atypischen Mykobakterien. Ein Lebendimpfstoff ist ein durch 2 genetische Deletionen attenuierter Mtb-Stamm, der andere ist ein genetisch modifizierter BCG-Stamm mit dem Namen VPM1002. Er wurde von meiner Gruppe entwickelt. Bei diesem Stamm wurde das Urease C-Gen des BCG durch das Listeriolysin-Gen von Listeria monocytogenes ersetzt. In klinischen Phase I und II Studien wurde belegt, dass der Impfstoff VPM1002 in Erwachsenen und Neugeborenen sicher und immunogen ist. Derzeit befindet sich VPM1002 in 3 Phase III Studien:
• Die priMe Studie (NCT 04351685) untersucht in Neugeborenen, ob er sicherer als BCG ist und einen verbesserten Schutz gegen Infektion zeigt.
• Eine Studie (CTRI/2019/01/017026) des Indian Council for Medical Research überprüft, ob er Haushaltskontakte von TB-Patienten besser schützt.
• Eine Rekurrenz-Studie (NCT 03152903) untersucht, ob er die Rekurrenz nach Chemotherapie aufgrund von Reinfektion oder Relapse verhindert.
Der Impfstoff VPM1002 wurde an die Vakzine Projekt Management, Hannover, Deutschland, lizenziert und vom Serum Institute of India Ltd., Pune, Indien, übernommen. Dieser größte Hersteller von Impfstoffdosen hat für VPM1002 die Hochdurchsatzproduktion in Bioreaktoren bereits etabliert.