17:05 Uhr
PS04-01:
Herausforderungen des COVID-19-Impfquotenmonitorings während der Pandemie
A. Siedler (Berlin, DE)
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Autor:innen:
A. Siedler (Berlin, DE)
C. Fischer (Berlin, DE)
N. Perumal (Berlin, DE)
N. Pomijalski (Berlin, DE)
T. Rieck (Berlin, DE)
S. Schröder (Berlin, DE)
A. Steffen (Berlin, DE)
D. Wesseler (Berlin, DE)
L. Mao (Berlin, DE)
Zielsetzung
Um im Pandemiefall Impffortschritt, Sicherheit und Wirksamkeit pandemischer Impfstoffe kontinuierlich zu bewerten, sind aktuelle bevölkerungsbezogene, impfstoffspezifische Daten zu allen durchgeführten Impfungen erforderlich. Da COVID-19-Impfungen auch außerhalb der Regelversorgung stattfinden, sind sie nicht vollständig mit Routineimpfdaten abbildbar, die zudem nur mit großem Zeitverzug vorliegen. Daher wurden neue Meldesysteme implementiert. Wie erfolgen Impfquotenmonitoring und Datenaufbereitung in der Pandemie?
Methoden
Für alle Impfstellen außerhalb der Regelversorgung steht seit Impfbeginn eine Webanwendung zur Meldung pseudonymisierter Einzelfallimpfdaten bereit. Arztpraxen melden dagegen täglich aggregierte Impfzahlen über zwei Web-Portale für Vertrags- bzw. Privatpraxen. Die unterschiedlich strukturierten Daten aus verschiedenen Quellen von einer wachsenden Zahl Impfakteure werden für die tägliche Berichterstattung zusammengeführt, aufbereitet, einheitlich und regional nach dem Ort der Impfstelle aggregiert. Sukzessive werden die COVID-Impfdaten der Vertragsärzte durch höheraufgelöste Impfabrechnungsdaten ersetzt, die quartalsweise bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und viel später am RKI vorliegen.
Ergebnisse
Die Impfzahlen gingen erstmals im Sommer 2021 zurück, stagnierten mehrere Wochen auf niedrigem Niveau und nahmen von Spätherbst bis zum Jahreswechsel 2021/22 wieder deutlich zu. Seitdem erfolgte ein fast kontinuierlicher Rückgang sowohl der Zahl der impfenden Stellen als auch der durchgeführten Impfungen pro Impfstelle (Datenstand März 22). Entsprechend stagnieren die Impfquoten auf einem immer noch zu niedrigen Niveau. Die Impfquoten korrespondieren mit den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Sie zeigen in den 4 darstellbaren Altersstrata (5-11 Jahre, 12-17 Jahre, 18-59 Jahre und 60+ Jahre) die größten Anstiege jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit altersbezogenen Empfehlungen. Die STIKO-Empfehlung, Janssen-Impfstoff nur ab 60 Jahre anzuwenden, wurde jedoch nicht entsprechend umgesetzt. Neben der Berechnung von Impfquoten werden mit den gemeldeten Impfdaten außerdem Auswertungen zur Impfeffektivität und für den fortlaufenden Vergleich der COVID-Inzidenzen bei Geimpften und Ungeimpften durchgeführt.
Zusammenfassung
Die Impfmeldedaten erlauben prinzipiell eine Einschätzung des aktuellen Standes der Impfkampagne und der Umsetzung der STIKO-Empfehlungen. Sie dienen als Basisdaten für die Bewertung der Impfstoffwirksamkeit. Einschränkungen bestehen jedoch in Bezug auf spezifische Zielgruppen, da z.B. feinere Altersgruppen, Geschlecht und Wohnort der Geimpften fehlen. Sie sind ungeeignet für die Bewertung der Impfstoffsicherheit.
Eine Verknüpfung der erhobenen Impfdaten mit Abrechnungsdaten der KVen aus der Regelversorgung ist sowohl für die Datenfortschreibung beim Übergang vom pandemischen in ein Routine-Impfprogramm als auch für detaillierte Analysen zu Impfeffekten unverzichtbar.
17:13 Uhr
PS04-02:
Effekte der COVID-19-Impfung auf COVID-19-Morbidität und -Mortalität nach Altersgruppe in Deutschland
A. Siedler (Berlin, DE)
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Autor:innen:
A. Siedler (Berlin, DE)
A. Steffen (Berlin, DE)
A. Ullrich (Berlin, DE)
N. Perumal (Berlin, DE)
Zielsetzung: Der Effekt der COVID-19-Impfungen auf die COVID-19-Morbidität (Inzidenz und Hospitalisierung) und -Mortalität im Zeitraum Dezember 2020 bis Oktober 2021 in Deutschland wurde untersucht. Die Ergebnisse wurden dabei im Kontext anti-pandemischer Maßnahmen betrachtet.
Material und Methoden: An das RKI übermittelte COVID-19-Fälle (Meldedaten) wurden COVID-19-Impfdaten aus dem Digitalen Impfquotenmonitoring des RKI in einer ökologischen Analyse gegenübergestellt. Die Impfdaten der Grundimmunisierung (zwei Impfdosen) wurden bis einschließlich 26. September 2021 (Meldewoche (MW) 38) verwendet. Die COVID-19-Fälle mit Meldedatum bis einschließlich 17. Oktober (MW41) wurden aus den Meldedaten extrahiert, um den Zeitverzug zwischen der Impfung und ihrer möglichen Effekte auf Populationsebene zu berücksichtigen. Für jede MW wurden die Impfquote, die durchschnittliche COVID-19-Inzidenz, -Hospitalisierungsrate und -Sterberate berechnet. Die zeitlichen Trends von COVID-19-Morbidität und -Mortalität wurden dann der Entwicklung der Impfquote gegenübergestellt. Die Analysen wurden nach Altersgruppe (12-17, 18-59 und ≥60 Jahre) sowie für die Gesamtbevölkerung durchgeführt.
Ergebnisse: Bei Personen ≥60 Jahre war zwischen MW19 und MW28 ein rapider Anstieg im Anteil der Grundimmunisierten zu verzeichnen. Zeitversetzt erfolgte der Anstieg in der Altersgruppe 18-59 Jahre (MW20 bis MW32) und bei den Jugendlichen (ab MW30). Mit Ende des Beobachtungszeitraum in MW38 waren 84% der ≥60-Jährigen, 70% der 18-59-Jährigen und 33% der 12-17-Jährigen grundimmunisiert. Während Morbidität und Mortalität im Zuge des Lockdowns (MW51/2020-MW9/2021) stark zurückgingen, folgte nach Aufhebung der Beschränkungen ein erneuter Anstieg mit Inzidenzhöchstwerten für Morbidität und Mortalität in MW16 (Dritte COVID-19-Welle, MW9-23/2021). Dieser Inzidenzhöchstwert fiel bei den ≥60-Jährigen deutlich geringer aus als in den beiden jüngeren Altersgruppen. Nach dem Sommerplateau 2021 (MW24-30), begann die vierte COVID-19-Welle (MW31-51) mit einem ersten Peak in MW35. Hier wurden bei den 12-17-Jährigen nahezu die Inzidenzen aus MW16 erreicht, während bei den beiden erwachsenen Altersgruppen der Anstieg deutlich schwächer ausgeprägt war als zuvor. Hospitalisierung und Mortalität bei ≥60-Jährigen gingen ab dem Höchstwert in MW16 stark zurück und blieben während des Beobachtungszeitraums auf einem niedrigen Niveau.
Zusammenfassung und Diskussion: Gemäß der Priorisierung zu Beginn der Impfkampagne zeigte sich im Zeitverlauf eine unterschiedliche Dynamik im Impffortschritt zwischen den Altersgruppen. Diese Dynamik spiegelte sich auch in der zweiten Inzidenzwelle des Jahres 2021 in Bezug auf Morbidität und Mortalität wider. Wenngleich es sich hier um eine ökologische Studie handelt, unterstreichen die Ergebnisse, dass die Impfung – im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie nicht-pharmazeutischen Interventionen – einen wesentlichen Beitrag zur Kontrolle der COVID-19-Krankheitslast leistet.
17:21 Uhr
PS04-03:
Rolle eines dynamischen Transmissionsmodells bei der Entwicklung der COVID-19-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche
M. Waize (Berlin, DE)
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Autor:innen:
M. Waize (Berlin, DE)
J. Koch (Berlin, DE)
S. Vygen-Bonnet (Berlin, DE)
T. Harder (Berlin, DE)
O. Wichmann (Berlin, DE)
S. Scholz (Berlin, DE)
Zielsetzung Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung von mathematischen Modellen als Entscheidungshilfe sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft verdeutlicht. Die Ständige Impfkommission (STIKO) integrierte bereits 2016 die Nutzung von Modellen in ihre Standardvorgehensweise, um den direkten und indirekten Nutzen einer Impfung für die Gesamtbevölkerung oder bestimmte Altersgruppen bei der Entscheidung über eine Impfempfehlung berücksichtigen zu können [1].
In diesem Beitrag soll am Beispiel der COVID-19-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige gezeigt werden, welche Rolle die Modellierung bei der Entscheidung über die Impfempfehlung spielte [2].
Methoden Im Rahmen des vom BMG geförderten Projektes ImVaCoV wurde ein dynamisches Transmissionsmodell entwickelt, dessen Population in 16 Alters- und drei Risikogruppen stratifiziert ist. Durch eine getrennte Implementierung der Impfstoffe (Cormirnaty, Spikevax, Vaxzevria, COVID-19 Vaccine Janssen) konnten impfstoffspezifische Wirksamkeiten, Liefermengen und alters- sowie risikogruppenspezifische Empfehlungen der STIKO abgebildet werden. Für die vollständige Grundimmunisierung wurde im Modell bei 18- bis 59- Jährigen eine Impfquote von 75%, bei ≥60-Jährigen 90% und bei gesunden bzw. vorerkrankten 12- bis 17-Jährigen 20% bzw. 90% angenommen.
In der Analyse wurden die direkten Effekte einer Steigerung der Impfquote auf 50% bei gesunden 12- bis 17-Jährigen sowie die indirekten Effekte auf die ungeimpften 0- bis 11-Jährigen und die Gesamtbevölkerung hinsichtlich der Anzahl gemeldeter SARS-CoV-2-Infektionen, stationärer und intensivmedizinisch behandelter (ITS-)Fälle untersucht und eine Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt.
Ergebnisse Unter diesen Annahmen ergab die Modellierung einer generellen Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige, dass im Zeitraum August bis Dezember 2021 in dieser Altersgruppe die Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen um 164.119 (37%), die stationären COVID-19-Fälle um 1.966 (36%) und die ITS-Fälle um 36 (36%) reduziert werden können. Zusätzlich können 65.915 (7%) Infektionen, 811 (7%) stationäre und 15 (7%) ITS-Fälle bei 0- bis 11-Jährigen und 347.263 (8%) Infektionen, 6.993 (6%) stationäre und 1.151 (4%) ITS-Fälle auf Ebene der Gesamtbevölkerung verhindert werden.
Als potenziell unerwünschte Wirkung der Impfung muss bei der angenommenen Impfquote mit dem Auftreten von 82 Myokarditiden, überwiegend nach der zweiten Impfstoffdosis und vor allem bei männlichen Personen, gerechnet werden [2].
Diskussion Durch die Quantifizierung der zu erwartenden Reduktion der Infektionen, stationären und ITS-Fällen und Gegenüberstellung möglicher Fälle von schweren Impfnebenwirkungen fungierte die Modellierung als wichtiger Bestandteil der Nutzen-Risiko-Abwägung bei der Entscheidung über eine Impfempfehlung. Auch bei zukünftigen Entscheidungen der STIKO wird den Ergebnissen von Modellen eine wichtige Rolle zukommen und somit sollte ihre Akzeptanz in der (Fach)öffentlichkeit weiter gestärkt werden.
17:29 Uhr
PS04-04:
Globales Register für systematische Übersichtsarbeiten zur Stärkung nationaler Impfprogramme und –entscheidungsprozesse
A. Pilic (Berlin, DE)
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Autor:innen:
A. Pilic (Berlin, DE)
S. Reda (Berlin, DE)
L. Henaff (Geneva, CH)
C. Steffen (Geneva, CH)
O. Wichmann (Berlin, DE)
T. Harder (Berlin, DE)
Zielsetzung
National Immunization Technical Advisory Groups (NITAGs) entwickeln immunisierungsbezogene Empfehlungen auf Grundlage eines systematischen, evidenzbasierten und transparenten Vorgehens. In diesem Prozess wird empfohlen, systematische Reviews zu verwenden, deren Durchführung jedoch erhebliche Zeit- und Personalressourcen erfordert, die für viele NITAGs nur selten zu bewerkstelligen sind.
Dieses Projekt zielt ab, die Arbeit von NITAGs insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern und des Expertenbeirats für Impfaspekte der WHO (SAGE) zu unterstützen und nationale Impfprogramme als integralen Bestandteil eines funktionalen Gesundheitssystems zu stärken.
Methoden
Im Rahmen des vom Global Health Protection Programme (BMG) geförderten Projektes SYSVAC wurde in Zusammenarbeit mit dem RKI, der WHO und der London School of Hygiene and Tropical Medicine ein frei zugängliches, anwenderfreundliches, globales Register zu systematischen Reviews zu Impfungen und impfpräventablen Krankheiten entwickelt [1]. Mithilfe einer Freitextsuche, Filterfunktionen und Verschlagwortung nach Erkrankung, geographischer Region/Land und Thema des Reviews kann die Suche erleichtert werden. Die Datenbank enthält Reviews zur Effektivität und Sicherheit von Impfstoffen, Impfakzeptanz, Impfquoten und vielen weiteren Themen. Darüber hinaus liefert eine Qualitätsbewertung zusätzliche Angaben zur methodischen Qualität der Reviews.
Die Aktualität des Registers wird durch regelmäßige systematische Recherchen und die Aufnahme neuer Publikationen gewährleistet. Begleitend dazu wurde ein online e-Learning Kurs entwickelt, der Kenntnisse zur Nutzung existierender systematischer Reviews sowie des Registers vermittelt [2].
Ergebnisse
Laut Datenstand vom März 2022 sind 1091 systematische Reviews im Register eingepflegt, von denen 388 COVID-19 betreffen, gefolgt von 100 bis 200 Reviews jeweils zu Influenza und HPV. Weitere im Register vertretende Erreger sind (jeweils ≥10 Reviews): Diphterie, Hepatitis A sowie B, HIB, Masern, Meningokokken, Mumps, Pertussis, Pneumokokken, Poliovirus, Rotavirus, Tetanus, Tuberkulose und Varizellen.
Von den 388 COVID-19 bezogenen Reviews befassen sich 251 Reviews zu Risikofaktoren einer COVID-19 Erkrankung. Weitere 140 Reviews thematisieren die Impfstoffe/Impfung gegen COVID-19, 73 mit besonderem Fokus auf die Wirksamkeit/Effektivität sowie 74 zur Sicherheit der COVID-19 Impfung. Reviews zu weiteren COVID-19 Themenschwerpunkten wie zur Impfakzeptanz (27), Administration (21), Impfquoten (18), oder ethischen Aspekten (6) sind ebenfalls im Register vertreten.
Zusammenfassung
Mithilfe von SYSVAC sollen NITAGs und WHO SAGE der Zugang zu systematischen Reviews sowie deren Entwicklung evidenzbasierter Impfempfehlungen unterstützt werden. Durch die gemeinsame Nutzung dieser Ressource soll ein effizienteres Arbeiten an der Entwicklung und Verbesserung der nationalen Impfprogramme weltweit unterstützt werden.
17:37 Uhr
PS04-05:
Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der COVID-19-Impfpflicht
N. Schmid-Küpke (Berlin, DE)
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Autor:innen:
N. Schmid-Küpke (Berlin, DE)
J. Neufeind (Berlin, DE)
C. Betsch (Erfurt, DE)
P. Sprengholz (Erfurt, DE)
E. Rehfuess (München, DE)
C. Rossmann (München, DE)
C. Reinemann (München, DE)
O. Wichmann (Berlin, DE)
Zielsetzung
Am 10.12.2021 wurde eine COVID-19-Impfpflicht für den Gesundheitsbereich beschlossen. Schon Monate vor Inkrafttreten des Gesetzes wurde ausführlich über mögliche Auswirkungen einer COVID-19-Impfpflicht diskutiert. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Impfpflichten Impfquoten erhöhen können (Vaz et al., 2020). Die Akzeptanz und Wirksamkeit solcher Impfpflichten hängen jedoch entscheidend vom Vertrauen in Impfungen sowie den zu Impfungen bestehenden sozialen Normen in der Bevölkerung ab (Brewer et al., 2017). Impfpflichten werden unterschiedlich ausgestaltet, implementiert und kommunikativ begleitet. All dies kann einen Einfluss auf ihren Erfolg haben. Die Einführung und Umsetzung einer COVID-19-Impfpflicht als Public Health Intervention inmitten einer anhaltenden pandemischen Situation stellt eine weitere Besonderheit dar. Mit dieser Evaluationsstudie sollen (i) der Diskurs um die COVID-19-Impfpflicht, (ii) die Akzeptanz und die Auswirkungen der Impfpflicht sowie (iii) die Herausforderungen bei ihrer Implementierung untersucht werden.
Material und Methoden
Die Berichterstattung über die verschiedenen Stadien der Impfpflicht wird verfolgt und inhaltsanalytisch (Online, TV, Zeitungen, Alternativmedien, Social Media) betrachtet. Über Survey-Studien bei Krankenhauspersonal und in der Allgemeinbevölkerung werden die Einstellung zur Impfpflicht und durch die Impfpflicht ausgelöste Reaktanz, aber auch die Wahrnehmung von Sanktionen sowie das zur Impfpflicht verfügbare Wissen erfasst. Eine Panelstudie in der Allgemeinbevölkerung ergänzt diese Erkenntnisse um längsschnittliche Befragungsdaten, die eine Beobachtung dieser individuellen Parameter über die Zeit ermöglichen. Die inhaltsanalytischen Erkenntnisse werden mit den Befragungsdaten verknüpft.
Die Implementierung der Impfpflicht soll gemäß Gesetzesentwurf durch verschiedene Stellen erfolgen. So kontrollieren Einrichtungsleitungen beispielsweise die Immunitätsnachweise, während die Gesundheitsämter Sanktionen oder Tätigkeitsverbote aussprechen. Mit Hilfe qualitativer Fokusgruppendiskussionen werden Herausforderungen bei der Implementierung der Impfpflicht untersucht.
Ergebnisse
Die konzeptionellen Überlegungen und methodischen Ansätze der Evaluation sowie erste Daten aus den Survey-Studien werden präsentiert.
Zusammenfassung und Diskussion
Unter Einbezug der verschiedenen Bausteine und Blickwinkel soll eine breite Evidenzbasis geschaffen werden, um die Diskussion um Nutzen und Risiken von Impfpflichten wissenschaftlich zu untermauern. Hierbei steht die mehrdimensionale Betrachtung der Impfpflicht im Fokus: neben der Steigerung von Impfquoten als primäres Outcome sollen auch nicht-intendierte Konsequenzen auf gesellschaftlicher Ebene Berücksichtigung finden sowie Herausforderungen der Implementierung adressiert werden. Erkenntnisse aus dem Projekt sollen zukünftige Entscheidungen zur Ausgestaltung und Umsetzung von Impfpflichten national wie auch international unterstützen.
17:45 Uhr
PS04-06:
Von der Impfanmeldung bis zur Forschung – ein multimodulares System zur Steuerung, Überwachung und Analyse einer Impfkampagne
L. Mittnacht (Mainz, DE)
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Autor:innen:
L. Mittnacht (Mainz, DE)
M. Schoeps (Mainz, DE)
P. Kachel (Mainz, DE)
J. Tatusch (Mainz, DE)
N. Herm-Stapelberg (Mainz, DE)
Einleitung: Bis heute haben sich seit Pandemiebeginn in Deutschland etwa 24 Millionen Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. In vulnerablen Bevölkerungsgruppen ist eine Infektion mit dem Erreger mit einem schweren Covid-19-Krankheitsverlauf und einem deutlich höheren Mortalitätsrisiko assoziiert. Die Anwendung zugelassener Impfstoffe ist aktuell eines der wirksamsten Instrumente, um die Bevölkerung zu schützen. Für die Steuerung und das Monitoring der rheinland-pfälzischen Impfkampagne durch das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit wurde die Impfdokumentation RLP etabliert.
Herausforderungen: Das Impfgeschehen zeichnet sich durch eine hohe Dynamik aus: Impfstoffknappheit und Priorisierung von Bevölkerungsgruppen zu Beginn der Impfkampagne, spontane Lieferengpässe des Impfstoffs und sich ändernde Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Diese Bedingungen erfordern ein zentral gesteuertes und flexibles System, welches im laufenden Betrieb zeitnah angepasst werden kann.
Systembeschreibung: Um alle notwendigen Prozesse - von der Registrierung und Terminvergabe über die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Impfstoffdosenkontigents bis hin zur Analyse der Entwicklung der Impfquoten auf Landkreisebene und die Erfassung von Impfreaktionen – abzudecken, wurde ein durchgehendes System geschaffen. Dies ermöglicht Daten aus allen Teilbereichen des Impfvorgangs miteinander zu verknüpfen. So kann die Effizienz des Impfvorgangs, da an jedem Schritt bereits die Daten der vorigen Stationen vorliegen, maximiert werden. Weiterführend können die erhobenen Daten dadurch Anwendung in der Forschung finden.
Die Registrierung zur Impfung basiert auf einem Terminierungssystem mit Warteliste, welches sowohl die Impfstoffkontingentierung als auch die Kapazitäten der einzelnen Impfzentren berücksichtigt. So kann sichergestellt werden, dass der Impfstoff am Tag der Impfung tatsächlich verfügbar ist und ein Termin mit der geringstmöglichen Wartezeit nach der Registrierung vergeben werden kann. Des Weiteren konnte so ein Impfstoffverwurf minimiert werden. Durch eine gestaffelte Terminvergabe wurde zu Beginn der Impfkampagne garantiert, dass Personen mit der höchsten Priorisierung als erstes einen Impftermin erhielten.
Dadurch konnte sichergestellt werden, dass besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen so schnell wie möglich einen Termin erhielten und in RLP nur wenige Menschen wegen falscher Angaben im Impfzentrum abgewiesen werden mussten.
In der Beobachtungszeit nach der Impfung werden etwaige Reaktionen festgehalten. Zudem konnten alle geimpften Personen freiwillig nach der Impfung Angaben zu aufgetretenen Impfreaktionen und der empfundenen Intensität übermitteln. Deren systematische Erfassung ist essenziell zur Beurteilung der Verträglichkeit des Impfstoffs in Ergänzung zu den publizierten klinischen Studien.
Der digitale Impfnachweis wird in RLP zeitnah nach der Impfung automatisiert an die geimpften Personen versendet und schließt den Impfprozess ab.
17:53 Uhr
PS04-07:
Braucht Deutschland ein zentrales Impfregister?
A. Siedler (Berlin, DE)
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Autor:innen:
A. Siedler (Berlin, DE)
T. Rieck (Berlin, DE)
M. Diercke (Berlin, DE)
O. Wichmann (Berlin, DE)
Aktuelle, vollständige und hochaufgeschlüsselte Impfdaten nach Alter, Geschlecht und Wohnort der Geimpften waren zur Impfquotenberechnung in der Corona-Pandemie nicht zuverlässig verfügbar. Auch zur Evaluation von Impfpflichten (Masernimpfung, einrichtungsbezogen für COVID-19-Impfungen) fehlen aktuelle und vollständige Daten. Wäre ein Impfregister die Lösung? Lässt sich das vorhandene System des Impfmonitorings anpassen?
Das System des Nationalen Impfmonitorings basiert auf einer Kombination aus Sekundärdatenanalysen (Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen, KVen), Daten aus Schuleingangsuntersuchungen und Surveys. Mit Ausnahme der Online-Surveys zur Impfakzeptanz liefern die anderen Erhebungen die Daten nur mit großer zeitlicher Verzögerung. Die KV-Daten als umfangreichste Datenbasis können zudem durch die zunehmende Diversität des Routineimpfsystems mit immer mehr Leistungserbringern ohne Abrechnung über die KVen (Hausarztverbünde, Betriebsmedizin, Apotheken) zukünftig an Vollständigkeit einbüßen. Mit einem Impfregister lässt sich dagegen die aktuelle Impfinanspruchnahme in der Gesamtbevölkerung nach Alter, Geschlecht und Region erfassen, können impfstoffspezifische Daten auch zu nicht von der STIKO empfohlenen Impfungen zeitnah erhoben werden und sind individuelle Impferinnerungen möglich.
Allerdings erfüllt das existierende System neben der Impfquotenberechnung zusätzliche Monitoringaufgaben, die zum Standard für die Evaluation von Impfprogrammen gehören. Dazu zählen die Analysen von Impfeffekten auf Bevölkerungsebene, von Wirksamkeit und Sicherheit der Impfungen sowie der Impfschutzdauer. Impfquoten und Impfeffekte werden in derselben Population (gesetzlich Krankenversicherte) und Datenbasis (KV-Daten) untersucht. Damit sind alle Nenner z.B. auch für Subgruppenanalysen klar definierbar. Mit einem Impfregister wären diese Aufgaben ohne zusätzliche externe Verlinkung individueller Gesundheitsdaten nicht umsetzbar. Zudem sind für ein Impfregister Datenschutz und -sicherheit der Datenflüsse, Zugriffsberechtigungen und die Nacherfassung von Bestandsimpfungen nur einige der Herausforderungen und fehlt hierfür eine gesetzliche Grundlage.
Die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile des vorhandenen Systems vs. eines Impfregisters soll hier zu keinem Fazit führen, sondern vielmehr zur Diskussion zu folgenden Fragen anregen:
1. Welche Funktionen soll ein Impfregister erfüllen und rechtfertigt der Zusatznutzen eines Impfregisters den Implementierungsaufwand?
2. Lassen sich bestehende Datenplattformen für Public Health und Infektionsschutzaufgaben wie das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) auch für das Impfmonitoring und die Verbesserung von Datenaktualität und -vollständigkeit nutzen?
3. Wie lässt sich ein gesamtgesellschaftlicher Konsens zur Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten herstellen (Wunsch nach allgemeiner Datenverfügbarkeit vs. Bereitschaft zur Datenlieferung bzw. -freigabe)?