Raum:
Raum M1 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 02: Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, Verhaltenssüchte, F1
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Die Behandlung von Suchtverhalten ist ein zentraler Bestandteil psychiatrisch-psychotherapeutischer Interventionen. In den vergangenen Jahren wurde über die Leitlinienarbeit nicht allein die Evidenzbasierung spezifischer Interventionen belegt; durch die systematischen Literaturrecherchen konnten auch die Daten zur Behandlung im sozialen und familiären Kontext strukturiert und in Behandlungsempfehlungen übersetzt werden. Das aktuelle Symposium der DG-Sucht fokussiert auf praxisrelevante Interventionen, die den familiären Kontext einbeziehen, von der Schwangerschaft, über die Unterstützung für Kinder suchterkrankter Eltern, über Adoleszenten- und Elterntraining bis hin zur Angehörigenarbeit. Dabei wird deutlich, in welchem Umfang die Suchttherapie innovative und spezifische Behandlungsempfehlungen hierzu vorhält.
17:15 Uhr
Therapie von Suchterkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit
T. Hillemacher (Nürnberg, DE)
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Autor:in:
T. Hillemacher (Nürnberg, DE)
Die Behandlung von Suchterkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit stellt für die behandelnden Therapeuten häufig eine besondere Herausforderung dar. Dabei kommt dem familiären und sozialen Kontext, der Art der Suchterkrankung sowie möglichen komorbiden psychischen oder auch somatischen Störungen eine besondere Bedeutung zu. Ein laborchemisches bzw. testbasiertes Screening bzgl. des Gebrauchs von Suchtmitteln sollte fester Bestandteil von Vorsorgeuntersuchungen in der Pränatal-Zeit sein. Neben möglichen teratogenen oder toxischen Einflüssen des Suchtmittels auf den Fötus sind u.a. Auswirkungen einer medikamentösen Behandlung auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes zu beachten, ebenso wie perinatale Probleme oder eine längerfristige, Substanz-induzierte Verhaltensteratogenität. Mindestens von gleichrangiger Bedeutung ist jedoch auch die soziale Stabilisierung und Begleitung der Mutter bzw. der Familie in der prä-, peri- bzw. postnatalen Zeit. Bei der Opiatabhängigkeit kommt dabei der Substitutionsbehandlung mit intensivierter psychosozialer Betreuung eine besondere Bedeutung zu. Eine enge Abstimmung der psychiatrischen, gynäkologischen sowie (postpartum) pädiatrischen Behandlung ist dabei von großer Bedeutung, insb. im Falle der Behandlung von Entzugssymptomen beim Neugeborenen.
17:37 Uhr
Suchterkrankte Eltern – familienbezogene Therapieansätze in der suchtmedizinischen Akutversorgung
A. Koopmann (Mannheim, DE)
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Autor:in:
A. Koopmann (Mannheim, DE)
Hintergrund
Das Erreichen einer stabilen Abstinenz und das zufriedenstellende Ausüben der Elternrolle ist für suchterkrankte Eltern eine große Herausforderung unter anderem deshalb, weil es in der ambulanten Akutbehandlung wenig spezifisch auf Eltern ausgerichtete Therapieangebote gibt und sie aufgrund von Zugangshemmnissen wie Schuld und Scham die bestehenden Therapieangebote nur unzureichend in Anspruch nehmen.
Methodik und Ergebnisse
In diesem Vortrag soll ein integriertes Behandlungs- und Versorgungsangebot für suchterkrankte Eltern aus der Metropolregion Rhein-Neckar vorgestellt werden, dass einerseits Strukturen zur Vermittlung von Eltern in ambulante komplementäre Beratungs- und Unterstützungsstrukturen von Suchtberatungsstellen und Vernetzungen zwischen den verschiedenen Hilfeanbietern bahnt, andererseits enthält es ein ambulantes psychotherapeutisches Akutbehandlungsangebot für suchterkrankte Eltern mit Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren, welches sowohl suchtmedizinische Themen zur Aufrechterhaltung einer Abstinenz sowie elternspezifische Themen behandelt, welche die Kompetenzen in der Erziehung stärken sollen.
Diskussion
Die zielgruppenspezifische frühzeitige Ansprache von suchterkrankten Eltern bereits während der Akutbehandlung sowie Weitervermittlung in komplementäre Behandlungsangebote von Suchtberatungsstellen und die längerfristige psychotherapeutische Behandlung suchterkrankter Eltern kann helfen die intergenerationale Weitergabe von Abhängigkeitserkrankungen zu reduzieren und somit die Lebensqualität der Betroffenen verbessern und die Kosten im Gesundheitssystem senken.
17:59 Uhr
Res@t – ressourcenstärkendes Adoleszenten- und Eltern-Training zur Behandlung der Gaming Disorder im Kindes- und Jugendalter
R. Thomasius (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
R. Thomasius (Hamburg, DE)
K. Paschke (Hamburg, DE)
Hintergrund
Unter der andauernden COVID-19-Pandemie ist eine steigende Prävalenz einer problematischen Nutzung digitaler Medien im Kindes- und Jugendalter zu beobachten. Bislang sind international wenig Therapieprogramme verfügbar, die die aktuelle Evidenz zur Ätiologie der sog. Gaming Disorder (GD) umfassend adressieren und deren Wirksamkeit in Studien gezeigt wurde.
Methode
Die Gruppentherapieprogramme Res@t-A offline für Adoleszente von 10 bis 19 Jahren und Res@t-P offline von Eltern betroffener Adoleszenter wurden zur Behandlung der GD entwickelt. Beide Programme umfassen acht Module und werden von individuellen Familiengesprächen flankiert. Neben Selbstbeobachtung des eigenen Medienverhaltens und psychoedukativer Inhalte zur Vermittlung eines individuellen Störungsverständnisses werden Stimuluskontrolle, Tag-Nacht-Struktur und Selbstfürsorge, Kommunikationsverhalten, Emotionsregulation und Stressbewältigung, erzieherische Haltungen und Reglementierung, erweiterte Hilfsangebote und Rückfallprophylaxe adressiert. Im Rahmen von Pilotstudien mit einer Stichprobengröße von je N=40 werden Symptome einer GD, kindliches und elterliches Wohlbefinden und Selbstwirksamkeit, kindliche Emotionsregulation, Stresserleben, Schlafprobleme sowie emotionale und Verhaltensprobleme, elterlicher Erziehungsstil und Familienfunktionalität standardisiert an drei Messzeitpunkten erfasst.
Ergebnisse
Erste Zwischenergebnisse der Pilotstudien von Res@t-A und -P sprechen für eine insgesamt gute Programmakzeptanz. Res@t-P zeigt positive Effekte auf die familiäre Kommunikation und Funktionalität sowie die Stressreduktion der teilnehmenden Eltern.
Diskussion und Schlussfolgerung
Neben kindlichen Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer problematischen Mediennutzung, spricht die internationale Studienlage für einen bedeutsamen Stellenwert elterlicher Faktoren. Therapieprogramme, die sowohl die betroffenen Kinder und Jugendlichen als auch ihre Eltern adressieren, sind daher dringend notwendig. Im Rahmen des durch den Innovationsfond geförderten Projektes Res@t werden beide Programme derzeit in eine digitale App übersetzt und für die problematische Nutzung von sozialen Medien und Streaming-Diensten erweitert. Die Evaluierung im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie wird in einem deutschlandweiten Konsortium von fünf universitären Kliniken und fünf großen Versorgungskliniken sowie vierzig Praxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie erfolgen.
18:21 Uhr
Evidenzbasierte Ansätze zur Behandlung von Angehörigen von Menschen mit Suchterkrankungen
A. Bischof (Lübeck, DE)
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Autor:innen:
A. Bischof (Lübeck, DE)
S. Schlossarek (DE)
S. Borgwardt (DE)
H. Rumpf (DE)
G. Bischof (DE)
Angehörige von Menschen mit Suchterkrankungen leiden signifikant häufiger unter psychischen und somatischen Erkrankungen. Trotzdem ist diese Gruppe im deutschen Behandlungssystem weitgehend unterversorgt und evidenzbasierte Behandlungsansätze werden kaum umgesetzt. Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, PsychInfo und Web of Science wurden Evidenz und Wirksamkeit von Interventionen für Angehörige identifiziert und ihre methodische Güte beurteilt. Insgesamt konnten 5891 Publikationen identifiziert werden, von denen 403 einer Volltextanalyse unterzogen wurden. Insgesamt wurden 243 angehörigenbezogene Publikationen untersucht, die auf 188 Studien basierten. Weiterhin wurden mittels eines Online-Surveys 352 Behandler:innen zu ihrem Kenntnisstand und der Anwendung von Interventionen für Angehörige von Suchtkranken befragt.
Die identifizierten Studien lassen sich differenzieren in Interventionen für Partner*innen, Eltern substanzmissbrauchender bzw. abhängiger Kinder sowie in Unterstützungsangebote für suchtkranke Eltern. Die Mehrheit der Studien adressiert weibliche Angehörige und stammt aus dem angloamerikanischen Bereich. Als zentrale Outcomes wurden in den meisten Studien Veränderungen bei suchtkranken Personen im Substanzkonsum oder Behandlungsaufnahmeraten berichtet. Methodisch hochwertige Studien belegen die Wirksamkeit des Community Reinforcement and Family Training (CRAFT), der Behavioral Couples Therapy (BCT) und der Multidimensionalen Familientherapie (MDFT). Weiterhin konnte eine gute Evidenz für Interventionen gefunden werden, die sich an suchterkrankte Eltern richteten.
Die Versorger:innenbefragung ergab demgegenüber, dass evidenzbasierte Angehörigeninterventionen nicht angewendet werden und größtenteils unbekannt sind. Es gibt den Bedarf einer verbesserten Refinanzierung von Angehörigenarbeit und einer verbesserten Vernetzung von Forschung und Praxis, um das Defizit in der Versorgung von Angehörigen auszugleichen.