Eine Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen in der Versorgung von Menschen mit (schweren) psychischen Erkrankungen ist unumgänglich will man den komplexen Bedarfen der Betroffenen gerecht werden. Im Symposium werden die Potenziale interprofessioneller Zusammenarbeit diskutiert. Ausgehend von der wissenschaftlichen Evidenz werden Formen interprofessioneller Zusammenarbeit aufgezeigt, wie sie in der S3-Leitlinie «Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen» empfohlen werden. Zudem wird Uta Gühne (Leipzig) aktuelle Daten zu deren Umsetzung skizzieren. Welche Bedeutung die wissenschaftliche Evidenz für die Standardisierung der Behandlungsprozesse der Fachtherapien haben kann, zeigt Niki Hug (Basel) für die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel auf. Dabei wurde das vorhandene Leistungsangebot mit der aktuellen Evidenzlage abgeglichen und um neue, interprofessionelle Gruppenangebote erweitert. Eines dieser Angebote stellen gesundheitsfördernde Therapien dar, welche eine Zusammenarbeit der Ernährungs- sowie der Physio- und Bewegungstherapie erfordern. In einem weiteren Beitrag wird Lieselotte Mahler (Berlin) das Recovery-orientierte Psychiatriekonzept Weddinger Modell vorstellen, in welchem die multiprofessionellen Bezugstherapeutenteams (MBTs) das tragende Element sind. Ausgehend von den individuellen Genesungszielen und Bedarfen der PatientInnen werden die unterschiedlichen Expertisen der Mitarbeitenden in das Gesamtbehandlungskonzept integriert. Im Vortrag werden die Chancen und Herausforderungen multiprofessioneller Zusammenarbeit in der Recovery-orientierten Behandlung diskutiert. Annetta Neyenhaus (Basel) präsentiert Ergebnisse zur Haltung der FachtherapeutInnen gegenüber der interprofessionellen Zusammenarbeit und zeigt Förderfaktoren und Barrieren für eine gelingende interprofessionelle Zusammenarbeit aus Sicht der Fachtherapien auf.
13:30 Uhr
Das gemeindepsychiatrische, multiprofessionelle Team als besondere Form interprofessioneller Zusammenarbeit: Evidenz und Umsetzungsmöglichkeiten in Deutschland
U. Gühne (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
U. Gühne (Leipzig, DE)
M. Kösters (DE)
T. Becker (Leipzig, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
Eine Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen in der Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ist unumgänglich will man den komplexen Bedarfen der Betroffenen gerecht werden. Ausgehend von der wissenschaftlichen Evidenz werden Formen interprofessioneller Zusammenarbeit aufgezeigt, wie sie in der S3-Leitlinie «Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen» empfohlen werden. Grundlage dafür sind systematische Literaturrecherchen. Als international etablierte und gut evaluierte Formen gelten die Akutbehandlung im häuslichen Umfeld, gemeindepsychiatrisch, ambulant arbeitende Teams (sog. Community Mental Health Teams) und die aufsuchende, z.T. nachgehende Arbeit durch multiprofessionelle Teams über eine längere Behandlungszeit (sog. Assertive Community Treatment oder Intensive Case Management). Alle diese Behandlungsformen werden mit der höchsten Empfehlungsstärke A empfohlen. In Deutschland finden diese Formen der Zusammenarbeit beispielsweise eine Entsprechung in Psychiatrischen Institutsambulanzen oder der Stationsäquivalenten Behandlung. Über Wissen und Inanspruchnahme dieser Versorgungsangebote aus Sicht der Betroffenen ist wenig bekannt.
Vorgestellt werden Ergebnisse aus einer durch den G-BA geförderten Beobachtungsstudie (IMPPETUS), in der erwachsene PatientInnen mit schwerer psychischer Erkrankung (N=383) zwischen März und September 2019 befragt wurden. Das Versorgungsangebot der ambulanten, multiprofessionellen Behandlung kannten 43,4% der Befragten. Formen der aufsuchenden Behandlung war 32,9% der Befragten bekannt. Genutzt wurde die ambulante, multiprofessionelle Behandlung durch ein Viertel der Befragten (25,3%); hinsichtlich der aufsuchenden Behandlung traf dies auf 10,6% zu.
Gemeindepsychiatrische, multiprofessionelle Teams stellen eine Sonderform interprofessioneller Zusammenarbeit dar. Ein Zugang zu diesen Behandlungsformen steht nur wenigen der Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung zur Verfügung.
13:52 Uhr
Potentiale erkennen: Bedarf nach interprofessionellen Gruppenangeboten im stationären Setting
N. Hug (Basel, CH)
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Autor:in:
N. Hug (Basel, CH)
Potentiale interprofessioneller Zusammenarbeit der Fachtherapien in Psychiatrischen Kliniken
Im Rahmen der Standardisierung des Behandlungsprozesses der Fachtherapien an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel wurde das vorhandene Leistungsangebot mit aktueller Evidenzlage abgeglichen und optimiert. Daraus resultierte unter anderem der Bedarf nach neuen, interprofessionellen Therapieangeboten. Eines dieser Angebote stellt die Zusammenarbeit der Ernährungs- sowie der Physio- und Bewegungstherapie zu gesundheitsfördernden Interventionen dar. Anhand der Einführung dieser neuen Therapiegruppe zu verhaltenspräventiven Interventionen zur Förderung gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität soll beispielhaft die Umsetzung einer Leitlinien A-Empfehlung (DGPPN) in der klinischen Praxis demonstriert werden. Dabei wird Bezug auf die Patientenperspektive, deren Aspekte von Selbstmanagement, Lebensqualität und Gesundheitsverhalten genommen als auch Förderfaktoren und Potentiale der interprofessionellen Therapieleitung beleuchtet.
14:14 Uhr
Potentiale nutzen: multiprofessionelle Beziehungsarbeit im Weddinger Modell
L. Mahler (Berlin, DE)
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Autor:in:
L. Mahler (Berlin, DE)
Das Weddinger Modell ist ein Recovery-orientiertes Psychiatriekonzept und wurde 2010 in der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus (PUK im SHK) eingeführt. Das Modell wurde in multiprofessioneller, hierarchieübergreifender Zusammenarbeit entwickelt, um konkrete Lösungsansätze für verschiedene Probleme der traditionellen psychiatrischen stationären Alltagspraxis anzubieten. Kernansätze des Weddinger Modells sind die Förderung von Partizipation, Transparenz und Individualisierung der Behandlung in einer multiprofessionellen, trialogisch-orientierten Zusammenarbeit mit schwer psychisch kranken Patient*innen. Dabei steht die multiprofessionell getragene therapeutische Beziehung im Mittelpunkt der Behandlung.
Im Vortrag wird gezeigt, wie tradierte Stationsstrukturen, die einer engen und transparenten multiprofessionellen Zusammenarbeit im Weg stehen, durch das Weddinger Modell aufgelöst und durch flexible, bedarfsgerechte Strukturen ersetzt wurden. Es wird dargestellt, dass eine multiprofessionell getragene und beziehungsfördernde Behandlung die Behandlungsqualität und Zufriedenheit von Patient:innen und Mitarbeitenden nachweislich steigert und darüber hinaus auch die Reduktion von Zwangsmaßnahmen ermöglicht.
14:36 Uhr
Förderfaktoren und Barrieren einer gelingenden interprofessionellen Zusammenarbeit aus Sicht der Fachtherapeut:innen
A. Neyenhuys (Basel, CH)
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Autor:in:
A. Neyenhuys (Basel, CH)
Die interprofessionelle Zusammenarbeit (IPZ) ist für alle im Gesundheitswesen tätigen Fachpersonen Teil des Arbeitsalltags und wird als ein wirkungsvolles Instrument zur Bewältigung der anstehenden branchenspezifischen Herausforderungen gesehen. Studien belegen die positiven Auswirkungen der interprofessionellen Zusammenarbeit auf die Arbeitszufriedenheit und das Behandlungsergebnis. Der Kurzvortrag basiert auf einer Forschungsarbeit, die Ergebnisse aus einer qualitativen und quantitativen Forschung trianguliert und konzentriert sich auf die Berufsgruppen der Fachtherapien (u.a. Ergo-, Kunst-, Musik- und Physiotherapie) in Psychiatrischen Kliniken. Der Vortrag führt die vielfältigen Aspekte und bereits identifizierten Einflussfaktoren, die es in der interprofessionellen Zusammenarbeit aus der Perspektive der Fachtherapien zu berücksichtigen gilt damit interprofessionelle Zusammenarbeit gelingt und die Versorgungsqualität, Patientensicherheit sowie die Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit gesteigert werden kann, zusammen und legt dar, dass Fachtherapien mit ihren professionsspezifischen wie professionsübergreifenden Kompetenzen für eine nach best-clinical-practice-Kriterien ausgerichtete Patientenversorgung wesentlich sind.