Elektive Operationen weisen bei älteren Patienten ein Delirrisiko je nach Operationsart von 5 % bis über 50 % auf und können auch zu einer anhaltenden postoperativen kognitiven Dysfunktion (POCD) führen. Die multizentrische PAWEL Studie wurde vom Innovationsfonds gefördert und diente der Entwicklung eines Risiko-screenings und Implementierung einer transsektoral-multimodalen Intervention bei 1470 Patienten über 70 Jahren vor elektiven orthopädischen, allgemeinchirurgischen und kardiovaskulären Operationen. Die POD-Risikoabschätzung wurde durch ein kognitives Screening signifikant verbessert (Vortrag Eschweiler) und sollte Teil eines prächirurgischen Risiko Scores für Ältere sein. Die komplexe nicht-medikamentöse Mehrkomponenten-Intervention AKTIVER wurde weltweit erstmalig in einer solch großen Stichprobe untersucht und senkte klinisch bedeutsam signifikant die Delirrate orthopädischen und allgemeinchirurgischen Operationen (F. Deeken). Die Komponenten der AKTIVER-Intervention werden mit anderen wirksamen DelirIntervention verglichen (C. Thomas). Durch die Intervention konnte in einer Subgruppe das Risiko einer anhaltenden POCD signifikant vermindert werden (A. Sanchez (english))
13:30 Uhr
Risikofaktoren für ein perioperatives Delir im Alter: PAWEL-Daten und aktuelle Metaanalysen
G. Eschweiler (Tübingen, DE)
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Autor:innen:
G. Eschweiler (Tübingen, DE)
Y. Knauer (Tübingen, DE)
F. Deeken (Potsdam, DE)
C. Thomas (Stuttgart, DE)
M. Rapp (Potsdam, DE)
K. PAWEL (Tübingen, DE)
Der Anteil älterer Menschen, die elektiv oder als Notfall operiert werden, nimmt stetig zu. Multimorbide und kognitiv eingeschränkte Pateinten haben je nach Setting jedoch ein mittleres bis hohes Risiko ein postoperatives Delir (POD) zu erleiden. In aktuellen Metaanalysen wurden hunderte Variablen extrahiert, von denen aber aufgrund methodischer Schwierigkeiten nur einzelne übergreifend zur POD Risikoabschätzung geeignet waren. Ein kurzes praktikables präoperatives Screening ist indiziert, um das individuelle POD abzuschätzen.
Die PAWEL-R(isiko) Substudie (DRKS-ID: DRKS00012797, Innovationsfonds, AZ: VF1_2016-201) untersucht potentielle Risikofaktoren für ein POD bei elektiven Operationen im Alter. In der ersten Phase ohne Intervention erlitten 208 von 880 Patienten (24 %) zumindest zu einem Zeitpunkt ein POD (Eschweiler et al., FANS 2021). Ein multilogistisches Regressionsmodell (MLR) mit sechs Risikofaktoren dieser „Trainingskohorte“ aus 2 klinischen und 2 perioperativen Faktoren, um den verzögerter Recall und Orientierungsstörungen (Subscores des MOCA) ergänzt, ergaben für die POD-Vorhersage eine AUC von 0,78. Ein vereinfachter kategorialer 10-Punkte-Score zeigt eine ähnliche AUC.
Selbst die Bildung von drei Kategorien als Risikoampel zeigt eine AUC von 0,76: Grün mit einem geringen Risiko < 10% für POD unter 2 Punkte, gelb mit einem mittleren POD Risiko von 10-30% bei 2-4 Punkten, rot für hohes POD-Risiko von über 30% bei mehr als 4 Punkten. Die anschliessend rekrutierte Interventionsgruppe von 685 Patienten dient der Validierung dieser Scores. Die MLR mit diesen sechs Faktoren und die darauf basierende Risiko-Ampel zeigt eine ähnliche gute Vorhersage.
Schlussfolgerung: Eine gute POD-Vorhersage ist bei elektiven Eingriffen auch als Risiko-Ampel möglich. Wenige klinische Faktoren werden hierbei um kurze Screenings von Gedächtnis und Orientierung ergänzt, ohne dass weitere Befunde oder Anamneseinformationen von Dritten erforderlich sind.
14:14 Uhr
Prävention und Management des perioperativen Delirs: Effekte der PAWEL-Interventionsstudie
F. Deeken (Potsdam, DE)
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Autor:innen:
F. Deeken (Potsdam, DE)
M. Rapp (Potsdam, DE)
G. Eschweiler (Tübingen, DE)
C. Thomas (Stuttgart, DE)
Das postoperative Delir (POD) ist ein komplexes Syndrom, welches vor allem bei älteren Personen nach größeren Operationen auftritt. Die Prävalenz vom POD beträgt nach orthopädischen Elektivoperationen bis zu 28% (Bruce et al., 2007). Das POD kann mit verschiedenen kurz- und langfristigen Konsequenzen in Verbindung gebracht werden. Ziel der PAWEL-Studie war zu untersuchen, ob eine multimodale, nicht-pharmakologische Intervention wirksam zur Reduktion von POD bei älteren PatientInnen eingesetzt werden kann.
Die Studie im stepped-wedge, cluster-randomisierten Design wurde in 5 medizinischen Zentren in Baden-Württemberg durchgeführt. Rekrutierte PatientInnen waren > 70 Jahre und unterzogen sich einer elektiven Operation. Die Daten wurden vor der Aufnahme, prä- und postoperativ sowie bei der Entlassung erhoben. Primäre Ergebnisse waren Delirinzidenz und Delirdauer.
1470 PatientInnen konnten zwischen November 2017 und April 2019 rekrutiert werden (730 Kontrollgruppe; 740 Interventionsgruppe). Sie waren im Durchschnitt 78 Jahre alt, 51,9% der Patienten waren männlich. Ein Delir trat bei insgesamt 21,6% aller PatientInnen auf. Bei der Delirhäufigkeit zeigte sich eine deutliche Unterscheidung zwischen herzchiurgischen und nicht-herzchirurgischen Eingriffen. Die Intervention führte zu einer signifikanten Reduktion an POD, allerdings nur bei PatientInnen, welche sich einer nicht-herzchirurgischen Operation unterzogen.
Die PAWEL-Studie konnte zeigen, dass die nicht-medikamentöse Mehrkomponenten-Intervention AKTIVER eine sichere und effektive Präventionsmaßnahme ist, welche die Delirrate nach orthopädischen und allgemeinchirurgischen Operationen klinisch bedeutsam senkte. Bei PatientInnen mit herzchirurgischem Eingriff konnte der Effekt nicht nachgewiesen werden. Eine breite Implementierung der Intervention bei PatientInnen, die einer anderen Operation unterzogen werden, ist empfehlenswert.
Die Studie wurde aus Mitteln des Innovationsfonds (G-BA, VF1_2016-201) gefördert.
14:36 Uhr
Postoperative cognitive dysfunction (POCD) and delirium: data from the PAWEL Study
A. Sanchez-Fernandez (Potsdam, DE)
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Autor:in:
A. Sanchez-Fernandez (Potsdam, DE)
Objective: To examine whether a multimodal non-pharmacological delirium prevention intervention is effective in reducing postoperative cognitive decline (POCD) in elderly patients undergoing elective surgery
Methods: The PAWEL study is a stepped wedge cluster randomized trial conducted in 5 tertiary medical centres in Baden-Württemberg (Germany). Patients recruited for the study were 70 years and older undergoing major elective surgery with a planned duration of at least 60 minutes. The ‘AKTIVER’ intervention was tailored to individual patient needs and could include: cognitive, motor, and sensory stimulation; meal companionship, diagnostic test and operation room accompaniment, stress relaxation, and sleep promotion. Cognitive function was evaluated by the Montreal Cognitive Assessment, the digit span backwards and the Trail Making Test A and B, at baseline and 2, 6 and 12 months after surgery. The existence of POCD was defined as a decrease of ≥ 0.5 standard deviations, adjusted for age, gender, and education, in a composite weighted mean score of the above test procedures.
Results: 1470 patients were recruited in the study from November 2017 to April 2019. The incidence of POCD was 13.1% at 6 months follow-up, and 14.1% at 12-months follow-up. Generalized linear mixed model analysis showed that, there was no association between the intervention and the probability of having POCD in the total sample. Undergoing cardiac surgery was significantly associated with higher POCD incidence. When stratified for type of surgery, the intervention reduced POCD incidence at 2 and 6 months after surgery in older patients undergoing cardiac procedures, but not in patients undergoing non-cardiac surgery.
Discussion: Differences in effectiveness of the intervention were influenced by type of surgery. Our daily multi-component intervention was successful in reducing the incidence of postoperative cognitive deficit in older patients undergoing elective cardiac surgical procedure